Landgericht Frankenthal

Vater muss wegen Mordes an Säugling 15 Jahre ins Gefängnis (Update)

Der nächtliche Streit eines Paares eskaliert, am Ende ist ein Kind tot. Der Angeklagte spricht von einem Unfall im Drogenrausch

17.05.2019 UPDATE: 17.05.2019 16:03 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden

Das Landgericht Frankenthal. Foto: dpa-Archiv

Von Alexander Albrecht

Frankenthal. Wie gerecht Recht ist, darüber lässt sich streiten. Wenn aber ein soeben verurteilter Mörder den Gerichtssaal als freier Mann verlässt, dann wirft das erst recht Fragen auf. David L. hat seine zwei Monate alte Tochter Senna absichtlich vom Balkon eines Mehrfamilienhauses geworfen und getötet, davon ist die Erste Große Strafkammer des Frankenthaler Landgerichts überzeugt.

Weil er am Tatabend des 13. Mai 2016 auch noch seine Lebensgefährtin und Kindsmutter, einen Kumpel und eine Tochter aus einer früheren Beziehung mit einem Messer verletzt und Letztere gemeinsam mit ihrer Schwester als Geisel genommen hat, wird der 35-Jährige am Freitag zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Da David L. zum damaligen Zeitpunkt nachweislich unter starkem Kokaineinfluss stand, entgeht er einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Dass er so lange frei bleibt, bis das Urteil rechtskräftig ist, liegt an einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken, das den Haftbefehl gegen den Mann im Februar aufgehoben hatte. Der Pfälzer saß da schon zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft. Zu lange, argumentierte das OLG, und mahnte ein zügigeres Verfahren in Frankenthal an.

Nachdem bereits der Haftbefehl wie das nun ergangene Urteil auf Mord lautete, ergibt sich der höchstrichterlichen Rechtssprechung zufolge kein neuer Ansatz dafür, David L. wieder ins Gefängnis zu stecken. Zudem ist er seit seiner Entlassung aus dem Knast zu allen 15 Prozesstagen pünktlich erschienen. "Es besteht also keine Fluchtgefahr", urteilt Alexander Schräder.

Auch interessant
Landgericht Frankenthal: Verteidiger fordert Freispruch, glaubt aber nicht daran
Frankenthal: Mutter weist Vorwürfe zurück (Update)
Frankenthaler "Babymord-Prozess": Anklage fordert 15 Jahre Haft für Vater (Update)

Aus Sicht des Vorsitzenden Richters musste Senna im Laufe des "hochaffektiven Geschehens" aus einem Grund sterben: David L.s "übersteigerte Eifersucht" auf seine Freundin. Am Tatabend hatte er der jungen Mutter unterstellt, ihn zu betrügen. Nicht zum ersten Mal. Anhaltspunkte dafür habe die Kammer nicht finden können, so Schräder. Als seine Partnerin nach der Messerattacke aus der gemeinsamen Wohnung in Frankenthal fliehen konnte und "nicht mehr greifbar" für ihn war, habe sich David L.s Aggression auf das Baby verlagert.

Die Tötungsabsicht untermauert Schräder mit mehreren Zeugenaussagen. Ein Beamter, der mit seinen Kollegen den Angeklagten festgenommen und fixiert hatte, berichtete dem Gericht, wie ihnen David L. entgegengeschrien habe: "Wärt ihr nicht gekommen, hätte ich das Kind nicht heruntergeschmissen." Andere Polizisten wollen das Wort "geworfen" gehört haben. Belegt ist, dass Sennas Vater dem Kumpel in der Wohnung gedroht hatte: "Du bist als nächster dran."

Dies ist auf einer Tonbandaufnahme des Anrufs einer Nachbarin bei der Polizei zu hören. Der Kumpel ist der einzige Augenzeuge des Babymords. Er sprach davon, dass David L. das Mädchen auf dem Balkon stehend "wie ein Kissen fortgeschmissen" habe. Der Zeuge verstrickte sich im Prozessverlauf allerdings in Widersprüche und hatte unter anderem eine Tür gesehen, die es nicht gab. Auch verheimlichte der 33-Jährige der Kammer seine Drogen- und Alkoholprobleme.

David L. hatte im ersten, wegen der Erkrankung der Vorsitzenden Richterin geplatzten Prozess gestanden: "Ich habe mein kleines, süßes Baby mit meinen eigenen Händen umgebracht." Jedoch habe er das Mädchen "nur" fallen gelassen. Aus Angst und Paranoia infolge seines Drogenrauschs. Tatsächlich beweisen Bodycamaufnahmen von Beamten im Krankenwagen, dass David L. Halluzinationen hatte und sich von Polizisten und seinem Kumpel verfolgt fühlte.

Ein Unfall? Nein, so Schräder, der Angeklagte habe auch schon früher Kokain konsumiert und sei dabei nicht gewalttätig geworden. Und: Selbst ein berauschter Vater würde sich doch bei einem Unfall um das Schicksal seines Kindes sorgen. "Sie haben keinerlei bedauernde Reaktion gezeigt", hält der Richter dem 35-Jährigen vor.

Stattdessen sieht Schräder das Mordmerkmal "niedrige Beweggründe" erfüllt. Anlass und Tötung Sennas stünden in einem krassen Missverhältnis zueinander. "Der Obhutspflicht für einen wehrlosen Säugling hätten Sie nicht schlimmer entgegentreten können." Die vor Gericht gezeigte Reue nimmt der Richter dagegen dem Angeklagten ab.

Durch einen Nebeneingang verlassen David L. und seine Ex-Freundin wortlos Saal 20 des Landgerichts. Beide wirken gefasst. 2014 hatten sie sich in der Psychiatrie kennengelernt. Der Beginn einer von Gewalt und Psychoterror geprägten Beziehung. "Es gibt dafür keine gerechte Strafe", ruft ihnen die Mutter der Frau hinterher. Wie ihr Mann trägt sie ein weißes Shirt, das vorne ein strahlendes Baby zeigt. Auf der Rückseite steht: "Unser Engel Senna ist immer bei uns."

Zufrieden mit dem Urteil zeigt sich neben Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz auch Nebenklägervertreter Frank Peter. Seine Mandantin, Sennas Mutter, werde aber ihr Leben lang mit den psychischen Folgen kämpfen müssen. David L.s Verteidiger Alexander Klein kündigt an, Revision einzulegen. Er hatte zuvor einen Freispruch gefordert.

Update: Freitag, 17. Mai 2019, 20.09 Uhr