1899 Hoffenheim

In Düsseldorf verzockt!

"Hoffe" verliert mit 1:2 bei Aufsteiger Düsseldorf - Verpatzte Generalprobe vor dem Champions-League-Start

16.09.2018 UPDATE: 17.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden

Frustrierte Hoffenheimer: Nordtveit (v.l.), Pechvogel Kramaric, Zuber und Grillitsch nach dem 1:2. Im Hintergrund feiert Fortuna. Foto: Im

Von Joachim Klaehn

Düsseldorf. Die symptomatische Szene einer aus Hoffenheimer Sicht frustrierenden Partie ist flugs ausgemacht. Der junge Brasilianer Joelinton setzte sich auf der rechten Außenbahn energisch gegen Jean Zimmer durch, passte mustergültig nach innen, Andrej Kramaric tauchte mutterseelenalleine vor dem Tor auf, Fortuna-Torhüter Michael Rensing stand in der anderen Ecke und hatte keinerlei Möglichkeit mehr, noch einzugreifen - doch dem kroatischen Vize-Weltmeister unterlief das fatale Missgeschick, den Ball aus vier Metern relativ weit am Tor vorbei zu bugsieren (32.). "Hoffes" Stürmer schoss sich dabei mit dem rechten Fuß gegen das eigene linke Bein.

Statt mit 1:0 in Führung zu gehen und die haushohe Überlegenheit vor 40.411 Zuschauern zu dokumentieren, verfiel die TSG 1899 Hoffenheim bis zur Pause in eine Art von fußballerischem Weltschmerz und auch über weite Strecken in eine merkwürdige Lethargie, so dass Aufsteiger Fortuna Düsseldorf letztlich zu einem frenetisch gefeierten 2:1 (1:0) kam. Der Deutsch-Amerikaner Alfredo Morales (45.) brachte die Rheinländer in Front, TSG-Neuzugang Reiss Nelson gelang mit einem feinen Solo der zwischenzeitliche Ausgleich (86.), ehe Dodi Lukebakio den Foulelfmeter - Vogt an Karaman - zum entscheidenden 2:1 (88.) in einer dramatischen Schlussphase entschlossen verwandelte.

Hintergrund

So spielten sie

Baumann: Chancenlos beim 1:0 für die Fortuna. Starke Parade gegen Sobottka (54.). Ahnte beim Elfmeter die Ecke.

Nordtveit: Solide, aufmerksam, zweikampfstark.

Vogt: Heiße

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So spielten sie

Baumann: Chancenlos beim 1:0 für die Fortuna. Starke Parade gegen Sobottka (54.). Ahnte beim Elfmeter die Ecke.

Nordtveit: Solide, aufmerksam, zweikampfstark.

Vogt: Heiße Duelle mit Hennings. Das mit dem eingewechselten Karaman führte zum fälligen Strafstoß.

Posch: Ein herber Fehlpass, den Nordtveit ausbügelte. Schwächstes Glied in der Dreierkette.

Grillitsch: Guter Organisator mit 97-prozentiger Präzision. Wunderbarer Schuss - leider ans Lattenkreuz (80.).

Kaderabek: Dauerläufer auf der Außenbahn - gefährlicher Kopfball (39.). Sonst mittelmäßig, baute ab.

Bittencourt: Feindbild für die 95-Fans. Stets bemüht, aber ohne Fortüne.

Kramaric: Unfassbarer Lapsus (32.), kurz zuvor zu eigensinnig (31.). Danach selbstkritisch.

Schulz: Im Dauer-Power-Modus. "Hoffes" Bester - gemeinsam mit Grillitsch.

Joelinton: Präsent. Setzte sich in Klassemanier gegen Zimmer durch und bediente Kramaric. Früh raus. Warum?

Szalai: Rieb sich komplett in der Box auf. Wenig Ballkontakte.

Belfodil: Fiel gleich negativ durch Fouls auf. Fand kaum Bindung.

Zuber: Kam für Bittencourt. Konnte diesmal wenig Akzente setzen.

Nelson: Vielversprechendes Liga-Debüt, klasse Einzelleistung beim 1:1 des selbstbewussten Engländers. jog

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Schon in der Mixed Zone waren die unterschiedlichen Gefühlslagen der Protagonisten in deren Gesichtern abzulesen. Matchwinner Lukebakio, ein 20-jähriger Belgier kongolesischer Abstammung, bewahrte unmittelbar nach dem 1:1 von Nelson die Nerven am Elfmeterpunkt, und strahlte später im Arena-Bauch über beide Backen. "Wir haben eine sehr gute Atmosphäre im Team", so Lukebakio über einen wesentlichen Erfolgsaspekt am Samstag, "unsere Fans haben richtig Alarm gemacht und uns gepuscht. Ich wollte ihnen auf jeden Fall etwas zurückgeben."

Für die traditionsreiche Fortuna war es zugleich der erste Bundesliga-Sieg nach 2037 Tagen. Am 16. Februar 2013 hatten die Rot-Weißen den letzten Dreier gegen Greuther Fürth geholt. In der damaligen Saison standen Düsseldorf und Hoffenheim als unmittelbare Konkurrenten gemeinsam im Abstiegskampf - die Rheinländer mussten in die Zweitklassigkeit, der Kraichgauklub erreichte hingegen über die Relegation das Klassenziel.

Friedhelm Funkel, mit 64 Jahren der erfahrenste Bundesliga-Coach, zeigte sich hoch zufrieden mit der engagierten Vorstellung seines Kollektivs. Man benötige auch "das Glück des Tüchtigen", um gegen eine Top-Mannschaft wie Hoffenheim zu gewinnen. Funkel setzte dabei auf ein 5-3-2-Abwehrbollwerk, um die Spiel- und Kombinationsfreude der Gäste zu unterbinden. "Ich bin einfach stolz auf meine Mannschaft, mit welcher Emotionalität sie in unser Spiel gegangen ist", sagte Pragmatiker Funkel.

In den letzten zehn Minuten arbeitete der Routinier sogar als Animateur vor der Haupttribüne. Mit hochgerissenen Armen tigerte er durch die eigene Coaching-Zone: "Ich habe das Publikum hinter mir angefeuert - Gott sei Dank haben sie mitgemacht."

Trainer-Kollege Julian Nagelsmann bescheinigte den Hausherren eine Energieleistung. "Es war ein leidenschaftlicher Sieg in einem Stadion mit außergewöhnlicher Stimmung", konstatierte Nagelsmann. Der 31-Jährige kritisierte nach seiner 85. Bundesliga-Begegnung insbesondere die Einstellung und schwache Chancenverwertung seiner Schützlinge. "Wenn wir 2:0 führen, kann sich keiner beschweren. Dann kommt die 1.000-prozentige Chance und der Bruch ins Spiel. Dann verlieren wir komplett die Linie, weil wir mit dieser vergebenen Chance hadern", zürnte Nagelsmann.

Der Verlust von Balance und Struktur schien ihn deutlich mehr zu wurmen als die Kramaric-Panne. Zwischen der Kopfball-Bogenlampe von Pavel Kaderabek und dem Lattenknaller von Florian Grillitsch (80.) passierte nämlich offensiv herzlich wenig. Da bringt es wenig, wenn Hoffenheim in allen statistischen Werten (Torschüsse, Ballbesitz, Ecken, Passquote etc.) klar vorne liegt.

Nico Schulz über das TSG-Versäumnis: "Wir müssen vor dem Tor kaltschnäuziger sein. Fußball ist meist recht einfach - du musst die Tore machen." Freilich leisteten sich die Nagelsmänner darüber hinaus so manche Fahrlässigkeit. Beide Fortuna-Treffer resultierten von der Entstehungsgeschichte her aus Ballverlusten und individuellen Schnitzern, die Düsseldorf knallhart bestrafte. "Das sind No-Go-Situationen", sagte ein sichtlich genervter Nagelsmann und sprach von einem "ergebnistechnisch gebrauchten Tag". Die Generalprobe vor dem Champions-League-Auftakt am Mittwoch (18.55 Uhr) gegen Schachtar Donezk, der im Nordosten der Ukraine in Charkiw über die Bühne gehen wird, ist somit missglückt.

Hoffenheim muss sich klar steigern und stabilisieren, gerade im Hinblick auf das bevorstehende Mammutprogramm. Donezk, Dortmund, Hannover, Leipzig, Manchester und Frankfurt - die TSG sollte höllisch aufpassen, dass Anspruch und Wirklichkeit nicht in einer frühen Saisonphase auseinander klaffen. Unglücksrabe Kramaric wollte die Enttäuschung vom Samstag in Düsseldorf nicht allzu tief sitzen lassen: "Ich weiß natürlich, dass ich den machen muss. So ist das manchmal als Stürmer - so ist das Leben."

Als TSG-Kapitän Kevin Vogt die Treppen von der Rasenfläche zum Kabinentrakt hinabstieg, humpelte er heftig. Ihn quälte eine schmerzhafte Prellung im linken Oberschenkel - noch so eine symbolische Szene dafür, dass es bei "Hoffe" momentan nicht rund läuft …

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