Falsche Polizisten vor Gericht

Wenn "Bach" und "Walter" zum Hörer griffen

Falsche Polizisten wegen Betrugs vor Gericht – Sie sollen die Gutgläubigkeit und Hilflosigkeit ihrer betagten Opfer ausgenutzt haben – Operiert Bande aus der Türkei heraus?

13.06.2018 UPDATE: 14.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Die Anrufer gaukelten den Senioren vor, ihr Hab und Gut sei in Gefahr. Symbol-Foto: dpa

Von Willi Berg

Heidelberg. Für die alten Menschen ist der Anruf ein Schock. Am Telefon erklärt ein angeblicher Polizeibeamter, das Vermögen sei durch Kriminelle gefährdet. Und bietet an, Geld und Wertgegenstände sicher zu verwahren und später zurückzugeben. Vor allem betagte Menschen fallen immer wieder auf diese miese Masche herein. So ist es drei Frauen ergangen, die älteste ist 96 Jahre.

Seit Mittwoch stehen nun drei junge Männer aus Südhessen vor dem Heidelberger Landgericht. Alle Angeklagten legten zum Prozessauftakt Geständnisse ab. Zwei von ihnen sollen Teil einer aus der Türkei heraus operierenden Bande sein. Von dort riefen unbekannte Mittäter, sogenannte "Keiler", alte Menschen im ganzen Bundesgebiet an und gaben sich als Polizeibeamte aus, so die Anklage.

Einer 83-Jährigen aus Sinsheim wurde am Telefon weisgemacht, ihr Erspartes sei auf der Bank in Gefahr. Sie müsse das Geld daher abheben und der Polizei übergeben. Die alte Dame glaubte das und "vertraute" einem gesondert verfolgten Mann 32.000 Euro an. Damit nicht genug. Einige Tage später bewegte der vermeintliche "Polizeibeamte Bach" die Frau dazu, weitere 44.000 Euro von der Bank zu holen. Das Geld legte die Rentnerin in einen Umschlag, den sie an ihren Briefkasten klebte. Ein 18-jähriger Angeklagter soll als sogenannter "Läufer" das Geld am Abend des 9. Oktober 2017 abgeholt haben. Offenbar im Auftrag des 24-jährigen Hauptangeklagten. Der soll als "Logistiker" fungiert, Abholer rekrutiert und diese zu den Tatorten dirigiert haben.

Das älteste Opfer wohnt in Fellbach. Die Seniorin erhielt Anrufe von einem "Hauptkommissar Walter". Der behauptete im vergangenen September, Hab und Gut vor Kriminellen schützen zu wollen. Darauf entnahm die Frau ihrem Banktresor fast sechs Kilo Gold, Schmuck sowie Bargeld im Gesamtwert von rund 260.000 Euro. Das Ganze legte sie in eine Tasche und stellte diese vor die Haustür. Ein gesondert verfolgter Abholer konnte kurz darauf verhaftet und die Beute sichergestellt werden. Weniger Glück hatte eine Rentnerin aus Sachsen-Anhalt. Sie wurde mehrmals von zwei "Polizisten" angerufen, die sich "Bach" und "Walter" nannten. Sie machten der 83-Jährigen Angst, in dem sie behaupteten, in ihrer Bank arbeite ein Betrüger. Der wolle das Konto der Seniorin plündern. Darauf hob sie 29.000 Euro ab. Zwei 18-jährige Angeklagte holten das Geld bei ihr ab. Und das mitten in der Nacht. Sie sollen dafür insgesamt 2500 Euro von dem Hauptangeklagten erhalten haben. Die Beute ist bis heute verschwunden.

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Die Täter hätten die Gutgläubigkeit und altersbedingte Hilflosigkeit der Geschädigten ausgenutzt, sagte Erste Staatsanwältin Dorothee Acker-Skodinis. Zwei Angeklagte werden des bandenmäßigen Betruges beschuldigt, ein dritter der Beihilfe zum Betrug. Gegen weitere mutmaßliche Mittäter wird ermittelt, einige konnten noch nicht identifiziert werden.

Der 24-jährige Hauptangeklagte stammt aus der umkämpften Stadt Cizre im kurdischen Teil der Türkei. Nachdem sein Vater vom Militär erschossen worden sei, floh er als Kleinkind mit der Familie nach Deutschland. Der inzwischen eingebürgerte junge Mann ist gelernter Karosseriebauer und arbeitete zuletzt als Kraftfahrer. Sein Versuch, sich mit Tanzveranstaltungen selbstständig zu machen, ging schief. Wegen der daraus resultierenden Schulden in Höhe von 15.000 Euro habe er sich auf den Betrug eingelassen und für jeden Auftrag 2000 Euro erhalten. Dafür sollte er Fahrer besorgen, die das Geld abholen. Den Rest der Beute habe er dann an den Auftraggeber weitergeleitet. Wer das ist, das wollte er nicht sagen. Ihm sei bald klar gewesen, dass es sich um einen Trickbetrug zu Lasten alter Menschen handelte. Er selber habe die Opfer weder ausgewählt noch kontaktiert.

Die beiden Mitangeklagten sind 18 Jahre alt und damit Heranwachsende. Einer von ihnen sagte, er habe in dem letzten Fall aus Abenteuerlust mitgemacht, und weil er es "cool" fand. Der junge Deutsche stammt aus gutbürgerlichem Haus. . Der Familie sei es sehr peinlich, was er getan habe. "Wenn das meine Oma wüsste", sagte der 18-Jährige. Er hat gerade sein Fachabitur hinter sich und will dann studieren.

Sein mitangeklagter gleichaltriger Freund gab zu, zweimal als "Läufer" dabei gewesen zu sein. 3000 Euro habe er dafür erhalten. Der junge Afghane ist vor acht Jahren aus seiner Heimat geflohen. Er hat einen Realschulabschluss und will sein Fachabitur machen. Für den Prozess sind fünf Verhandlungstage anberaumt. 20 Zeugen soll gehört werden. Das Urteil ist für den 11. Juli geplant.

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