Theaterfestival "¡Adelante!": Wie ein Cocktail unterm Zuckerhut
Gespräch mit dem brasilianischen Regisseur Felipe Hirsch zum Auftakt des iberoamerikanischen Festivals "¡Adelante!"
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Auf der Bühne des Heidelberger Theaters werden große Styropor-Elemente aufgeschichtet. Währenddessen trommelt ein Schlagzeuger im Off. Und der brasilianische Regisseur Felipe Hirsch bereitet sich auf die Beleuchtungsprobe vor, damit die beiden Vorstellungen der "Lateinamerikanischen Tragödie" das Publikum auf positive Weise hineinziehen in das große iberoamerikanische Theaterfestival "¡Adelante!". Bis zum 18. Februar soll es einen Eindruck davon verschaffen, "welche tief greifenden Transformationen" diese Länder gerade durchlaufen. So formuliert es Schirmherr Frank-Walter Steinmeier, der allerdings nicht zur Eröffnung nach Heidelberg kommen kann, weil er derzeit anderes zu tun hat: Schuhe putzen (lassen) und Hemd bügeln (lassen), damit sich der Ex-Außenminister am Sonntag propper und präsidial herausgeputzt vor der Bundesversammlung präsentieren kann.
Felipe Hirsch irritiert die Abwesenheit des deutschen Staatsoberhaupts in spe nicht die Bohne. Der 1972 geborene Filmemacher und Regisseur konzentriert sich stattdessen ganz auf seine "Lateinamerikanische Tragödie". "Wir spielen darin mit südamerikanischen Klischees auf ironische Weise und versuchen, die Vielfalt des Subkontinents mit all seinen geschichtlichen und politischen Brüchen musikalisch, tänzerisch und literarisch zu umreißen." 24 Autoren hätten daran mitgewirkt, sagt er im RNZ-Gespräch, "teils verwenden wir Textmaterial von modernen Klassikern, teils sind es aber auch Beiträge, die eigens für diese Show geschrieben wurden." Bildgewaltig soll es werden, mitreißend, temperamentvoll, vielsprachig und abwechslungsreich. Also ähnlich prickelnd wie ein Cocktail, der einem unterm Zuckerhut aufgetischt wird.
Bei seinem Gastspiel "Puzzle", das Felipe Hirsch vor ein paar Jahren während der Frankfurter Buchmesse gezeigt hatte, arbeitete der Regisseur mit einem festen Ensemble zusammen. "Diesmal kamen viele total unterschiedliche Künstler zusammen. Der organisatorische Aufwand war bei der ,Lateinamerikanischen Tragödie’ entsprechend groß - wie so oft in der Kunst." 90 Prozent der Arbeit seien Planung und Büroarbeit gewesen, zehn Prozent Kreativität. "Aber auf die kommt es an."
In seiner Heimatstadt São Paulo gilt Felipe Hirsch als Multitalent. Im dortigen Kulturzentrum "Sesc" hat er neben Schauspiel-Produktionen und literarischen Shows auch Opern inszeniert, von Verdi zum Beispiel, aber auch von Bernd Alois Zimmermann. Neuestes Projekt ist ein Film, den er in wenigen Tagen beim Filmmarkt der Berlinale vorstellen will. Gleich nach der "Lateinamerikanischen Tragödie" reist der Regisseur deshalb von Heidelberg weiter an die Spree. Wer weiß, vielleicht trifft er ja dort den frischgebackenen Bundespräsidenten.
Auch interessant
Info: Die erste Vorstellung der "Lateinamerikanischen Tragödie" an diesem Samstag ist ausverkauft, für die Vorstellung am Sonntag (18.30 Uhr) gibt’s noch Restkarten. Mehr zum Programm von "¡Adelante!" unter der Internet-Adresse www.adelante-festival.de