Hygieneskandal im Uniklinikum: Keiner will verantwortlich sein

Heute ist der Festakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Medizinischen Fakultät Mannheim - doch die Feierlaune ist stark getrübt.

05.11.2014 UPDATE: 05.11.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden
Der OP-Besteck-Hygieneskandal überschattet das 50-jährige Jubiläum der Medizinischen Fakultät Mannheim. Foto: Gambarini
Von Christine Cornelius und Alexander Albrecht

Mannheim. Die Hygieneaffäre am Mannheimer Uniklinikum überschattet den heutigen Festakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Medizinischen Fakultät. Die RNZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Skandal.

Was ist passiert?

Der Skandal kam durch zwei anonyme Anzeigen ins Rollen, die das Regierungspräsidium Karlsruhe als Klinikaufsichtsbehörde und die Staatsanwaltschaft Mannheim auf den Plan riefen. Darin ging es den Ermittlern zufolge um schmutziges OP-Besteck. Die Karlsruher stellten bei einer Untersuchung Hygienemängel fest; die Anklagebehörde leitete ein Verfahren gegen Unbekannt ein und hat in dem Krankenhaus Operationsinstrumente und Unterlagen beschlagnahmt. Seither sind immer neue Vorwürfe laut geworden. Zuletzt hatten Mitarbeiter der Sterilisationsabteilung behauptet, es seien Operationsinstrumente gezielt verunreinigt worden.

Was sagt das Klinikum dazu?

Es hat eingestanden, dass bei Maschinen zur Reinigung von OP-Besteck ein Tüv-ähnliches Siegel fehlte. Außerdem gebe es "erheblichen Bedarf", Reinigungsleute für OP-Besteck nachzuqualifizieren. Die Klinik hat ihr OP-Programm seit mehreren Wochen drastisch heruntergefahren: Es kommen nur noch Notfälle unters Messer. Man wolle stufenweise wieder zum Normalbetrieb zurückkehren, sagte ein Sprecher. Wann das der Fall ist, sei noch nicht klar. Klinikchef Alfred Dänzer trat wegen der Affäre zurück.

Wer kommt für die Verluste auf?

Die Klinik geht bislang davon aus, dass die Einnahmenausfälle bis Ende des Jahre im "mittleren einstelligen Millionenbereich" liegen. In den vergangenen Jahren hat das Krankenhaus schwarze Zahlen geschrieben und kann möglicherweise einen Teil der Einbußen auffangen. Dann aber wäre die Stadt Mannheim als Träger der Klinik in der Pflicht.

Wie geht es weiter?

Das Uniklinikum will sich mit Hilfe einer Kommission aus der Vertrauenskrise befreien. Die Suche nach den Fachleuten zieht sich jedoch hin. Es stünden noch Zusagen von Experten aus, die ins Auge gefasst worden seien, sagte ein Kliniksprecher. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft können Monate dauern.

Wer ist verantwortlich?

Schuld an der Misere will bislang niemand sein. Dänzers Rücktritt ist laut Aufsichtsrat nicht als Schuldeingeständnis zu werten, sondern liege an der "teils fehlenden Vertrauensbasis im Haus". Mitarbeiter sollen seit Längerem auf Probleme hingewiesen haben. Doch bei der Führung soll das nie angekommen sein. Aufsichtsratschef und Mannheims OB Peter Kurz sprach von Problemen bei der internen Kommunikation. Informationen seien "versackt". Eine eigene Verantwortung lehnte Kurz ab.

Oder lag es am Geld?

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert als Konsequenz aus der Affäre mehr Geld und mehr Fachkräfte für Hygiene an Kliniken. Präsident der DKG ist noch bis Jahresende Alfred Dänzer. Ihm wiederum hatten Vertreter der Medizinischen Fakultät in Mannheim vorgeworfen, die Hygienemängel seien seinem "Willen nach Kostensenkungen" entsprungen. Kurz reagierte scharf und zürnte, eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Führung der Fakultät" sei kaum mehr möglich. Heute Abend kommt es zu einem pikanten Aufeinandertreffen. Anlässlich des Festakts zum 50-jährigen Bestehen der Medizinischen Fakultät werden Kurz und der Dekan Uwe Bicker sprechen.

Wie ist die Stimmung am Klinikum?

Die Mitarbeiter sind stark verunsichert. Die Stimmung unter den Ärzten war schon vor dem Skandal angespannt, wie der Marburger Bund weiß, der auch Mannheimer Ärzte vertritt. "In den letzten Jahren hat es immer mehr Arbeitsverdichtung gegeben", sagt Geschäftsführerin Sandra Bigge. Es sei schwierig gewesen, mit der Klinikleitung Lösungen zu finden. Momentan bauen die Ärzte Überstunden ab - wegen des reduzierten OP-Programms.

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