TSG 1899 Hoffenheim

Zum Nagelsmann-Abschied wäre der Meistertitel "die Krönung" (plus Video)

Hoffenheims Cheftrainer Julian Nagelsmann gibt sich vor seiner Abschiedstour ehrgeiziger und mutiger denn je

03.08.2018 UPDATE: 04.08.2018 06:00 Uhr 5 Minuten, 41 Sekunden

Auch im Hochseilgarten guter Laune: Julian Nagelsmann. Fotos: Daniel Hinterramskogler

Von Joachim Klaehn

Windischgarsten. Typisch Julian Nagelsmann: Mit einer Kampfansage hat Hoffenheims Chefcoach seine Abschiedstour im Trainingslager eingeläutet, ehe er im Sommer 2019 zum Ligarivalen RB Leipzig wechseln wird. Im Teamhotel Dilly’s ließ der 31-Jährige unmissverständlich wissen, dass sein Ehrgeiz ausgeprägter denn je ist und es aus seiner Perspektive richtig war, seinen viel beachteten Wechsel in die Messestadt bereits im Juni bekannt zu geben.

Herr Nagelsmann, wie lief es denn gerade beim Teamkicken auf dem gepflegten Hotelrasen?

Erfolgreich für mich. Ich habe gewonnen. Es kriegen auch alle Kollegen zu hören, wenn es nicht so läuft wie ich es mir vorstelle (lacht).

Hat Ihnen das "Schaufenster WM" neue Erkenntnisse vermittelt?

Ich habe nicht allzu viele Spiele gesehen. Es war freilich nichts Entdeckungswürdiges dabei. Es war nicht so meine WM! Die Bedeutung der Standards wurde nochmals in ein anderes Licht gerückt, aber sonst…

Hintergrund

"Wow, Bruder"

Die TSG ist bekannt für ihre Innovationsfreude. Über die Internetseite und die diversen Social-Media-Kanäle wird nun ein neues Format präsentiert, das sogenannte "Bromance-Duell". Für den ersten Aufschlag des Vereins-TV standen Neuzugang

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"Wow, Bruder"

Die TSG ist bekannt für ihre Innovationsfreude. Über die Internetseite und die diversen Social-Media-Kanäle wird nun ein neues Format präsentiert, das sogenannte "Bromance-Duell". Für den ersten Aufschlag des Vereins-TV standen Neuzugang Leonardo Bittencourt und Nico Schulz parat, testeten gegenseitig ihr "Bro-Wissen". "Wow, Bruder" - es gab die eine und andere launige Überraschung.

Heute gegen Chievo Verona

Auf nach Wels: Das heutige Testspiel (16 Uhr) im Stadion des FC Wels gegen Chievo Verona bildet den Abschluss der Trainingswoche von Windischgarsten, am Sonntag geht es für den Hoffenheimer Tross zurück in den Kraichgau. Die Norditaliener belegten in der Seria A 2017/18 den 13. Platz, die Partie wird live von Sport1 übertragen. Verona ist nach der SpVgg Unterhaching (3:0), den Queens Park Rangers (2:2) und dem SC Heerenveen (8:2) "Hoffes" vierter Testspiel-Gegner.

Gehirnerschütterung bei Hübner

Benjamin Hübner hat sich im gestrigen Vormittagstraining eine Gehirnerschütterung zugezogen. Zur Überwachung und seiner eigenen Sicherheit musste der 29-jährige Innenverteidiger eine Nacht im Krankenhaus Kirchdorf verbringen. TSG-Teamarzt Dr. Ralph Kern begleitete ihn.

Paradies Hofalm

"Kümmert‘s euch wieda guat um eure Jungs", sagt der Herbergsvater der Hofalmhütte auf 1305 Meter Seehöhe zum Abschied. Von den Hoffenheimer Profis hat man unterhalb des Großen Phyrgas (2244 Meter) nicht viel gehört. "Och, di san beim Dilly’s in Windisch", sagt einer aus der Familien-Feierabendgruppe, die am Abend die 669 Meter Höhendifferenz von Spital am Phyrn überwindet und mit Stirnlampen wieder hinunter marschiert. Wir Journalisten haben uns ebenfalls belohnt: Mit einer dreieinhalbstündigen Tour über die Wassererlebniswelt Dr. Vogelgesang-Klamm, einer wildromantischen Felsenschlucht mit Doktortitel, über die Bosruckhütte und den Hofalmsattel (1425 m) zur Hofalm. Helene ist auf der Schutzhütte der ÖAV-Sektion eine wahre Künstlerin am Herd. Von Mai bis Ende Oktober zaubert sie hier, den Rest des Jahres in der Villa Sonnwend von Roßleithen. Diese Hofalm ist ein Paradies für Jung und Alt. Nach 1400 Höhenmetern kehrt die Vierer-Wandergruppe beseelt ins Tal zurück. jog

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Sie sind ein Freund der Fußball-Ästhetik…

Das sieht man ja hoffentlich auch, dass es mir wichtig ist. Natürlich kann ich mich nicht davor verschließen, dass es immer mal wieder Phasen gibt, in denen es rein ums Ergebnis geht. Auch die Haltbarkeit in diesem Beruf ist abhängig von Ergebnissen. Bevor ich also ästhetisch verliere, gewinne ich lieber. Ich mag es einfach, wenn wir in Hoffenheim Fußball spielen und nicht Fußball kämpfen oder bolzen. Für mich ist Spielen etwas Ästhetisches und Sinniges.

Soll heißen?

Ich habe ein bisschen Angst, dass das Ansehen und die Attraktivität des Fußballs leiden. Vielleicht kommen irgendwann mal nicht mehr so viele Leute ins Stadion, weil jeder Klub und jeder Profi zu viel Angst und Druck verspürt. Ich fände es insgesamt gut, wenn etwas weniger Druck in dieser Branche herrschen würde. Wenn man also diejenigen Teams schützen würde, die auch etwas für die Attraktivität des Fußballs tun.

Der Bundesliga-Auftakt steigt für die TSG am 24. August beim FC Bayern. Was ist da drin, was erwarten Sie?

Ich werde mir die Bayern noch zwei Mal live anschauen. Komplett anders werden sie nicht spielen, auch unter Niko Kovac werden sie ihre dominante Art behalten. Ich erwarte sie sehr, sehr gut und auch spielstark, vor allem zu Hause in der Allianz Arena. Aber wenn wir eine gute Leistung abrufen, dann sind wir nicht chancenlos. Da bin ich mir relativ sicher.

Hat seinen Spielern im Trainingslager in Österreich seine Vorstellung von ästhetischem Fußball erläutert: TSG-Trainer Julian Nagelsmann.

Nichtabstieg, Stabilisierung, Überraschung mit dem historischen Rang drei - welche Überschrift würden Sie sich für die kommende Saison wünschen?

Die Krönung wäre der Meistertitel, nehme ich an (lacht). Ich weiß nicht, ob Platz zwei die Krönung wäre, wenn man vorher Dritter war. Ich glaube, dass wir als Klub immer noch in einer Etablierungsphase sind. Wir gehören zu einer Gruppe von sieben, acht Mannschaften, was sportliche Ergebnisse, aber auch finanzielle Mittel anbelangt. Ich würde sehr gerne das letzte Jahr noch erfolgreicher abschließen. Dass dies nicht einfach wird, weiß ich freilich auch. Ich strebe immer nach dem Maximalen, was geht. Und das Maximale ist der Meistertitel. Grundsätzlich will jede der 18 Mannschaften Meister werden, wenn sie die Chance dazu hat.

Wie leicht oder schwer wird es diesmal in der Bundesliga, am Ende der Saison als Titelträger zu fungieren?

Für Bayern ist es schon leichter. Für sie steht es meistens schon 1:0, bevor es losgeht. Sie haben sich zu Recht über die vielen Jahre den Respekt der Konkurrenz erarbeitet. Im Normalfall gewinnt Bayern fast alles, auch wenn sie mal keine Superphase haben. Wenn ein anderer Meister werden will, müssen sich ein paar Teams gegenseitig helfen und gegen die richtigen Gegner gewinnen. Man muss das wohl auf mehrere Schultern verteilen.

Zweifellos hat die Liga für die TSG Priorität gegenüber der Premiere in der Königsklasse.

Alles andere wäre auch ziemlich hirnrissig für Hoffenheim. Wir wollen gerne die Vorrunde überstehen. Das probieren wir auch. Minimalziel ist Platz drei in der Gruppenphase. Wir wollen uns jedenfalls international besser präsentieren, als wir es letztes Jahr gemacht haben - und auch bessere Ergebnisse liefern.

Zwischen Pflicht und Kür - bleibt es physisch und mental bei einer ganz schmalen Gratwanderung für die TSG?

Die physische Belastung ist vergleichbar zu der im letzten Jahr. Mental ist sie vielleicht sogar geringer, weil die Attraktivität des Wettbewerbs Champions League für einen Bundesligisten enorm ist. In der Bundesliga bist Du nur die schönsten Stadien gewöhnt. Dann fliegst Du irgendwo hin und hast ein kleines Stadion, in dem beim Aufwärmen nur drei Leute sitzen. Es ist schwer, an Deine Toptopgrenze zu gehen. Wir waren von der Qualität her besser als Braga, Rasgrad und Basaksehir, trotzdem hat es nicht ausgereicht, nur 95 Prozent Spannung zu haben und erfolgreich zu sein. Psychisch ist es komplexer, Europa League statt Champions League zu spielen.

Das Bernabéu-Stadion etwa könnte verlockender sein als ein Auftritt in Wolfsburg, oder?

Es ist immer eine Kunst, dass Du die Spannung hältst, ganz egal in welchem Stadion. Wenn die Jungs nicht nur einmal im Bernabéu spielen möchten, dann müssen sie auch in der Bundesliga maximale Spannung haben.

Werden Sie einen Anzug in Europas Eliteliga tragen?

(Lacht) Ich habe tatsächlich schon darüber nachgedacht, was ich anziehen werde. Ich schwitze einfach stark, und da habe ich ehrlich gesagt - erst recht bei sommerlichen Temperaturen an den ersten Spieltagen - Probleme. Was der englische Nationaltrainer (Anm. der Red.: Gareth Southgate) trug, hat mir stilistisch gut gefallen. Meine Frau hat gesagt: Jeans und Hemd, was ich sonst auch trage. Vielleicht mache ich es anders als in der Bundesliga. Ich bin ja auch stolz, dass wir die Champions League erreicht haben. Vielleicht wächst aber auch in mir noch ein Südländer, und ich schwitze nicht mehr so stark.

Ist Hoffenheim angesichts der Kaderbreite besser auf die bevorstehenden Herausforderungen vorbereitet?

Wir haben einen großen Kader, der auf dem Platz sehr gut funktioniert. Dennoch bin ich diese Woche nicht 100 Prozent zufrieden. Es war teilweise sehr warm hier in Windischgarsten, und wir konnten nicht alle taktischen Dinge umsetzen. Wir werden wieder rotieren müssen, aber ich werde mich mehr festlegen auf eine erste Fünfzehn, als ich es letztes Jahr gemacht habe. Einer meiner Fehler war, dass wir zu viel rotiert haben. Ich will versuchen, Spielern mehr Fehler zuzugestehen und ein bisschen mehr Vertrauensvorschuss zu geben.

Nico Schulz hat berichtet, Julian Nagelsmann sei heuer noch ehrgeiziger. Richtig?

Ich bin dieses Jahr sogar zwei, drei Prozentpunkte ehrgeiziger, weil ich beweisen will, dass die Art der Kommunikation, die ich gewählt habe, und die Art des Verkünden des Wechsels die richtige ist. Es ist eine gute Strategie, uns die Ruhe zu geben, denke ich. Und ich habe noch keine einzige Sekunde das Gefühl gehabt, es sei irgendetwas anders mit der Mannschaft. Ich verschwende keinen Gedanken an die Zukunft, bin total im Hier und Jetzt - und freue mich unglaublich auf das Jahr. Ich habe diesem Klub sehr viel zu verdanken und möchte alles so positiv wie nur möglich beenden.

Schielen Sie ab und an bereits nach Leipzig?

Ich schaue mir natürlich als Fußballinteressierter wie jeder andere auch die Ergebnisse an. Hoffenheim und Leipzig sind komplett voneinander getrennt. Die haben auch einen guten Trainer, die brauchen mich jetzt noch nicht.

Wie fällt Ihre Bewertung der fünf Neuzugänge Bittencourt, Brenet, Belfodil, Adams und Grifo aus?

Sie machen alle eine gute Entwicklung. Der große Unterschied ist für die genannten Fünf, dass der Kern der Gruppe schon länger zusammenarbeitet. Der Kern der Informationen und Verhaltensweisen ist in Fleisch und Blut übergegangen. Bei Joshua Brenet und Kasim Adams existiert noch eine sprachliche Barriere, die Begrifflichkeiten sind nicht immer ganz einfach. Aber alle unsere Neuen haben die Inhalte und Dateien schon vorher bekommen und konnten sich in der Sommerpause schon damit befassen. Das merkt man. Gefühlt sind wir in der Vorbereitung weiter als im Vorjahr.

Vergangene Saison wurde Dennis Geiger zum Shooting Star. Wer könnte es diesmal werden?

Letztes Jahr hatte ich persönlich Dennis Geiger auf dem Zettel. David Otto ist jetzt angekommen im Profikader, Joelinton überrascht mich total. Er macht eine exzellente Vorbereitung und wird garantiert bei uns bleiben. Er wird das eine oder andere Bundesligator schießen, da bin ich mir sicher. Wir haben mit Christoph Baumgartner und Alfons Amade zwei sehr gute Jugendspieler, die nur noch etwas Zeit brauchen. Da muss in Hoffenheim niemand angst und bange werden: Wir werden bei der TSG die Schublade der Shooting Stars weiter bedienen, wenngleich der Markt im Nachwuchsbereich immer härter umkämpft sein wird.

Zum Abschluss: Wie lautet das Saisonziel in den drei Wettbewerben Bundesliga, Königsklasse und Pokal?

Die Mannschaft schreibt mir heute ihr Ziel auf in den drei Wettbewerben, und das gleiche ich am Samstagfrüh ab. Ich hoffe, so war es in den letzten beiden Jahren auch, dass es da keine große Diskrepanz gibt. Wir werden sicherlich etwas ambitionierter an den DFB-Pokal herangehen, weil es mir, offen gesagt, auf den Keks gegangen ist, dass wir so schlecht waren in den letzten Jahren. Alles andere liegt auf der Hand: Ich glaube nicht, dass die Mannschaft jetzt freiwillig sagt, wir wollen Siebter werden. Sie werden alle danach streben, dass es ähnlich bleibt wie in der vergangenen Saison.

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