TSG 1899 Hoffenheim

Noch sieben Schritte zum Einzug in den Europacup

Es ist wieder Feuer im Kessel – Nagelsmann kritisiert die Länderspiel-Terminierung

30.03.2018 UPDATE: 31.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden

Julian Nagelsmann (l.) und Andrej Kramaric. Foto: APF

Von Tobias Schächter

Zuzenhausen. So eine Saison in der Fußball-Bundesliga ist zwar unheimlich lang, aber dann auch wieder schnell vorbei. Fast gerät es an Ostern 2018 in Vergessenheit, dass die TSG Hoffenheim zu Saisonbeginn im August 2017 gegen den FC Liverpool in der Qualifikation zur Champions-League gescheitert ist und sich schon an Weihnachten nach einigen peinlichen Patzern gegen zweitklassige Gegner auch aus der Europa-League verabschiedete. Plötzlich nämlich sind es nur noch sieben Spiele bis zum Saisonende. Und plötzlich ist die TSG nach zuletzt sieben Punkten aus drei Spielen wieder auf dem Weg in den Europacup, für den wahrscheinlich sogar der aktuell siebte Tabellenplatz genügen würde. Mit einem Heimsieg an diesem Ostersamstag (15.30 Uhr) gegen den stark abstiegsgefährdeten 1. FC Köln, der seit Monaten aber nicht wie ein Absteiger spielt, würde Hoffenheim seine europäischen Ambitionen untermauern.

Hintergrund

Von Andreas Morbach

Köln. Das letzte Bäumchen-wechsel-dich mit dem ungeliebten Nachbarn liegt sechs Jahre zurück, und nun könnte den 1. FC Köln ein unangenehmes Déjà-vu ereilen. Parallel zum eigenen Abstieg droht den Domstädtern im Mai die Rückkehr von Fortuna

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Von Andreas Morbach

Köln. Das letzte Bäumchen-wechsel-dich mit dem ungeliebten Nachbarn liegt sechs Jahre zurück, und nun könnte den 1. FC Köln ein unangenehmes Déjà-vu ereilen. Parallel zum eigenen Abstieg droht den Domstädtern im Mai die Rückkehr von Fortuna Düsseldorf in die Bundesliga - was dem dann sechsten Verweis aus dem Oberhaus in der Klubgeschichte eine extra Portion Bitternis verleihen würde. Anders als im Frühling 2012 herrscht beim FC allerdings das ganze Jahr über schon eine recht passable Stimmung. So passabel, dass sich die Kölner Profis in der Länderspielpause bei einem Ausflug gemeinsam auf die letzten sieben Spieltage einschworen. In Düsseldorf.

Bei dem Abend in einer schicken Bar in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt waren ausnahmslos alle dabei, sofern sie nicht gerade bei irgendeiner Nationalauswahl Dienst taten. Die Abstinenz auch nur eines abkömmlichen Spielers hätte Cheftrainer Stefan Ruthenbeck, der selbst nicht mit von der Partie war, als "schlimm" empfunden. Das zeigt das Ausmaß des öffentlich ausgehängten Kölner Wir-Gefühls, das Mittelfeldakteur Leonardo Bittencourt nach dem 2:0-Erfolg gegen Champions-League-Aspirant Leverkusen zuletzt mit der Vermutung bewarb, im Falle des Klassenerhalts werde kein Spieler den Verein verlassen.

Seit dem Trip in die Stadt des rheinischen Rivalen sind die Kölner in punkto Zukunftsplanung und Zusammenhalt noch einen Schritt weitergekommen. "Wir haben innerhalb der Mannschaft ein bisschen gesprochen - einige können sich vorstellen, selbst im Abstiegsfall in Köln zu bleiben", berichtete Torhüter Timo Horn. "Das ist für mich, wie für die anderen Leistungsträger auch, definitiv eine Überlegung."

Aus emotionaler Sicht passt das Timing für derartige Statements nach dem überraschenden Sieg über die Werkself perfekt: Das Geißbock-Ensemble, im Spätherbst bereits für mausetot erklärt und auch in der ordentlichen, aber eben nur halbwegs überzeugenden Rückrunde nie wirklich auf die Euphorieschiene gelangt, hat plötzlich doch Sichtkontakt zu den Plätzen 15 und 16. Oder wie es Coach Ruthenbeck vor dem Auftritt am Karsamstag bei der TSG Hoffenheim ausdrückt: "Ostern ist das Fest der Auferstehung. Genau daran arbeiten wir."

Solche Sätze auf der Schlussgeraden der Saison überhaupt noch formulieren zu dürfen, verdanken die Kölner vor allem der anhaltenden Schwäche der Konkurrenz aus Hamburg (bereits überholt) sowie dem jeweils nur noch fünf Punkte entfernten Duo Mainz und Wolfsburg. Für das Duell mit der TSG soll der Erfolgsstil aus dem Leverkusen-Spiel als Blaupause dienen. Und Ruthenbecks wichtigste Aufgabe ist es, das darauffolgende direkte Kräftemessen mit Mainz aus den Köpfen der FC-Profis fernzuhalten. Denn im Jagdfieber sind die Kölner seit dem Triumph über Bayer ohnehin - jetzt ist bei den potenziellen Raubkatzen erst einmal ein kontrollierter Killer-Instinkt gefragt.

Das Lebensgefühl der Protagonisten am Geißbockheim gleicht momentan dem von Schiffbrüchigen auf einer entlegenen Insel: Die herbstliche Havarie haben sie irgendwie überstanden, die endgültige Rettung käme nun einem echten Wunder gleich. "Unser Vorteil ist, dass wir die schlimmsten Sachen schon hinter uns haben", betont Innenverteidiger Dominique Heintz. Und der Chefübungsleiter präpariert dazu genüsslich die Psycho-Pfeile gegen die anvisierten Widersacher.

"Bei uns werden die Nerven keine Rolle spielen, im Grunde waren wir ja schon abgestiegen. Da kann es eher passieren, dass die Mainzer und Wolfsburger plötzlich merken, was sie zu verlieren haben", sagt Ruthenbeck, der nicht zuletzt auch Mannschaftsausflüge wie jenen kürzlich nach Düsseldorf in die mentale Waagschale wirft.

"Wenn du dich mit einem Verein identifizierst, gibst du mehr, als wenn du mit den Gedanken schon woanders bist", erklärt der 45-Jährige. "Deshalb wird der Zusammenhalt vielleicht der Punkt sein, der am Ende den Ausschlag dafür gegeben hat, dass wir den Klassenerhalt geschafft haben."

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Nur noch sieben Spiele also - und die TSG kann diese schwierige Runde trotz des großen personellen Aderlasses und Phasen mit mehr Tiefen als Höhen, schwierigen Erfahrungen und berechtigter Kritik doch noch zu einem guten Ende bringen. Obwohl sich zum Jahreswechsel nach Sebastian Rudy und Niklas Süle in Sandro Wagner der dritte Nationalspieler zum FC Bayern verabschiedete, auch Serge Gnabry im Sommer zum Rekordmeister wechseln wird und Mark Uth zum FC Schalke geht. All diese Personaldebatten auch um den jungen Trainer Julian Nagelsmann gingen nicht spurlos an Mannschaft, Verein und Trainer vorbei, das Versinken im grauen Liga-Mittelmaß schien nach einer Serie von nur einem Sieg in acht Spielen zementiert. Das 1:1 vor vier Wochen gegen Freiburg wirkte wie ein Sinnbild für die ganze Saison: Irgendwie schien die Luft raus.

Doch seitdem der Trainer mit seinem Vertrauten und Videoanalysten Benjamin Glück anschließend bei Maracuja-Schorle in den Sinsheimer Thermen an der Strategie für die Restsaison feilte, ist wieder Feuer im Kessel. Spieler wie Mittelfeldtalent Nadiem Amiri oder Abwehrchef Kevin Vogt befreien sich aus ihren Tiefs, so wie das Stürmer Andrej Kramaric nach einer schwachen Vorrunde längst geschafft hat. Sieben seiner neun Saisontreffer gelangen dem unberechenbaren Dribbler in den letzten sieben Spielen. Nagelsmann sagt: "Grundsätzlich zeigte Andrej in den vergangenen Wochen eine Qualität, auf die ich nicht freiwillig verzichten möchte." Doch der 26-Jährige befand sich mit der kroatischen Nationalmannschaft in den USA und bestritt am Mittwoch noch ein Spiel gegen Mexiko (1:0). Erst am Donnerstagnachmittag traf Kramaric wieder in Hoffenheim ein. Ob er fit für einen Startelfeinsatz gegen Köln ist, will Nagelsmann nach einem "tiefen Blick" in Kramarics Augen herausfinden. Grundsätzlich ärgert sich der Trainer über die Terminierung der Länderspiele, er sagt, diese Regelung sei eine "absolute Katastrophe". Wäre das letzte von zwei Testspielen der Ländermannschaften am Samstag, dann könnten die Nationalspieler am Sonntag bei ihren Familien sein und am Montag wieder bei ihren Klubs und sich eine Woche auf das nächste Pflichtspiel vorbereiten, klagt Nagelsmann. Die kommenden Spiele in der Liga, wie im Fall der TSG nun gegen Köln, hätten schließlich eine ganz andere Bedeutung als irgendein Test gegen Panama, kritisiert der 30-Jährige. Immerhin heiratete Nagelsmann in der Länderspielpause. Auch als Ehemann verstellt sich der junge Mann nicht, wenn er das einmal tue, höre er auf, betonte er nach seiner Kritik.

Außerdem widersprach er seinem Berater Marc Kosicke, der jüngst erklärte hatte, er könne sich vorstellen, dass Nagelsmann nach seiner Zeit in Hoffenheim - die mindestens bis 2019 gehe - eine Pause einlege. Nagelsmann hingegen stellte klar: "Ich denke nicht über ein Sabbatical nach." Und: Er habe mit seinem Berater nie über dieses Thema geredet. Zunächst zählt ohnehin das Spiel gegen Köln, in dem Nagelsman auf Ermin Bicakcic verzichten muss - der Abwehrspieler verletzte sich im Länderspieleinsatz für Bosnien-Herzegowina an den Adduktoren.

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