Alexander Rosen im Interview

"Sorry, aber wir sind erfolgreich wie niemals zuvor"

Der 1899-Macher über die Klubphilosophie und überzogene Kritik - Sein Wunsch ist eine "bessere Rückrunde auf allen Ebenen"

17.01.2018 UPDATE: 19.01.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 3 Sekunden

Verbale Doppelpässe: Manager Alexander Rosen (l.) im Gespräch mit Joachim Klaehn in Zuzenhausen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Alexander Rosen (38) ist der jüngste Bundesliga-Manager und ein sehr reflektierter, verbindlicher Typ. Die RNZ traf ihn im Trainingszentrum.

RNZ: Herr Rosen, die TSG wurde Vierter in der letzten Saison und Dritter in der Jahrestabelle 2017. Dennoch herrschen zwiespältige Gefühle, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. Wie lässt sich das Feuer 2018 neu entfachen?

Alexander Rosen: Hier in der Mannschaft und im Klub muss überhaupt nichts neu entfacht werden. Unsere Stimmung ist gut, die Jungs brennen. Ich spüre ganz viel Freude, Leidenschaft und Ehrgeiz und das hat man auch bei unserem ersten Auftritt in Bremen gesehen. Ich bin gelinde gesagt etwas verwundert, was manche Leute erwarten. Wir waren nicht nur im Kalenderjahr 2017 sehr erfolgreich, sondern haben auch die Jahrestabelle 2016 in der Bundesliga als Vierter abgeschlossen. Wir befinden uns also in einer langen, kontinuierlichen Phase des Erfolges mit im Verhältnis dazu unterdurchschnittlichen finanziellen Mitteln. Was ist die Erwartung? Dass wir jetzt Zweiter werden mit einem Etat von 45 Millionen Euro? Das kann man nicht als realistisches Ziel vorgeben.

Zauberwort Erwartungshorizont …

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Was mich noch mehr wundert, ist diese unerträgliche Jammerhaltung und einseitige Berichterstattung, nach dem Motto "denen rennen ja die ganzen Spieler weg". Der Begriff ‚Alternative Fakten‘ wurde soeben zum Unwort des Jahres gekürt. In Teilen ist die aktuelle Berichterstattung einiger Medien über die TSG ein passendes Beispiel dafür. Da arbeiten sich Journalisten seit Monaten an halbgaren Gerüchten und Mutmaßungen ab und schaffen alternative Fakten: Der Trainer wurde zum Start als ‚Schnapsidee’ tituliert und wenig später zum Top-Star erhoben. Seitdem ist er praktisch weg, unsere Topspieler werden jeden Tag zu einem anderen Klub geschrieben. Ob das aus Unwissenheit oder mit Vorsatz geschieht, vermag ich nicht zu beurteilen. Und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, was besser ist, aber bei uns hat niemand diese Angst. Warum auch!? Sorry, aber wir sind erfolgreich wie niemals zuvor, haben in den letzten fünf Jahren mehr Spieler aus unserer Akademie in den Profikader integriert als jeder andere Bundesligist und sind im gleichen Bemessungszeitraum der erfolgreichste Klub im Hinblick auf die Transfererträge. Das sind herausragende und nicht selbstverständliche Leistungen, aber man kann daraus bei unserem Mitteleinsatz keinen permanenten Anspruch ableiten. Aber dennoch kann ich jedem versprechen, dass wir maximal ehrgeizig bleiben. Ich kann mit Schwarzmalerei und Rumgeheule allerdings sehr wenig anfangen.

Nervt Sie das also?

Wir sind hier sehr gut unterwegs. Hier arbeitet ein Team, das diese Erfolgsgeschichte unbedingt fortsetzen möchte. Es gibt aber ökonomische Grenzen, klare Vorgaben und eine Klubphilosophie, die jeder, der bei der TSG arbeitet, verinnerlichen und mittragen muss. Nur so kann hier langfristig Bundesligafußball in der Region gewährleistet werden. Natürlich versuchen wir diese Grenzen nach oben zu verschieben, aber der Kampf gegen die Wettbewerber ist sehr anspruchsvoll.

Sie haben mal gesagt: "Ein Typ wie Sandro hat uns gefehlt." Warum hat Hoffenheim Wagner zum FC Bayern ziehen lassen?

Die Situation, die um Sandro Wagner entstanden ist, gibt es im Fußball vielleicht bei einem von 500 Fällen. Sandro kam auf uns zu und aufgrund seiner familiären Situation, seines Alters und der dahinterstehenden Transferentschädigung war das ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Vorgang. Wir haben dann unsere Stürmerpositionen bewertet - mit Kramaric, Gnabry, Uth und Szalai stehen vier gute Leute im Kader und so haben wir einem Transfer zugestimmt. Wagner ist übrigens der teuerste Transfer eines deutschen Spielers über 30 Jahren in der Historie - ein durchaus bemerkenswerter Umstand.

Und der Typus-Aspekt?

Es ist ja nicht mehr so wie am Anfang, dass im positiven Sinne fast nur der Wagner ‚Theater‘ macht. Wir haben zum Beispiel Spieler wie Kevin Vogt oder Benjamin Hübner, die sich richtig gut entwickelt haben und eine vergleichbare Rolle auf dem Platz einnehmen können. Starke Typen, die zu echten Spielerpersönlichkeiten gereift sind - sie stehen für Mentalität pur.

Passiert bei der TSG noch etwas bis zum 31. Januar auf dem Transfermarkt?

Wir sehen uns auf allen Ebenen gut aufgestellt und einige Spieler haben im Vergleich zur Hinrunde sicher noch Luft nach oben. Sollten wir in einer Art Vorgriff auf die neue Saison noch einen Spieler verpflichten können, dann sind wir bereit zu agieren. Ich möchte nicht kategorisch ausschließen, dass sich noch etwas tut.

Sie handeln perspektivisch. Philipp Ochs wurde an den VfL Bochum verliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Die drei A-Junioren David Otto, Christoph Baumgartner und Alfons Amade haben Profiverträge erhalten. Zahlt sich mit dem Nachwuchs Beharrlichkeit aus?

Ein klares Ja. Eine gezielte, individuelle Karriereplanung mit jungen Spielern, Vertrauen und viel Mut zahlen sich aus. Wir geben jedes Jahr zahlreichen Talenten die Möglichkeit als Herausforderer anzugreifen und sich weiterzuentwickeln. Am Ende ist es dann eine Frage der Qualität auf unterschiedlichsten Ebenen, aber die Grundvoraussetzung ist, dass die Jungs eine Chance bekommen.

Dennis Geiger steht idealtypisch für diesen Weg.

Richtig. Ein wunderbarer gemeinsamer Weg, der nicht von Aufgeregtheit, sondern von viel Vertrauen geprägt war. Die Entwicklung von Dennis ist außergewöhnlich und er ist als Jahrgang 98 offiziell immer noch in seinem ersten Seniorenjahr.

Was macht Geiger so besonders?

Dennis scheint überhaupt keine Nerven zu haben, er brennt vor Ehrgeiz und verfügt über eine ausgeprägte Siegermentalität. Toll, dass wir uns langfristig auf einen weiteren gemeinsamen Weg mit ihm geeinigt haben.

Existiert ein Zusammenhang zwischen Etattabelle und tatsächlicher Tabelle?

In den letzten fünf Jahren vor der vergangenen Spielzeit schon - fast 1:1. Jetzt kommt mit Leipzig ein weiterer starker Konkurrent hinzu, so dass wir von den Top sieben sprechen müssen. In der letzten Saison sind mit Schalke, Leverkusen, Gladbach und Wolfsburg vier Klubs international weggebrochen - und Hoffenheim, Köln und Hertha haben die Gunst der Stunde genutzt. Wir sind Newcomer in Europa und befinden uns dabei nicht im Abstiegskampf wie viele andere Klubs zuvor, sondern sind auf Schlagdistanz zur Spitze - auch das ist sehr positiv zu bewerten.

Letztes Jahr gab es in Sachen Saisonziel einen geheimen Zettel von Julian Nagelsmann, diesmal soll es einen Zettel der TSG-Mannschaft geben. Was ist mit dem Zettel des Managers?

(Lacht) Der Manager ist auch ehrgeizig. Er liebt es auch, zu gewinnen. Meine Ziele habe ich klar vor Augen, ich habe mir keinen Zettel geschrieben. In der Vorrunde wurden wir Siebter, hatten einige Verletzte und zum ersten Mal durch die internationale Teilnahme eine Hochbelastung. Ich wünsche mir eine bessere Rückrunde auf allen Ebenen. Das ist ein ambitioniertes Ziel, doch ich weiß: Wir haben noch mehr drauf, da ist noch mehr drin.

Also mindestens 53 Punkte und Platz sechs …

(Lacht) Da lege ich mich nicht fest.

Vom vierten Rang und der Direktqualifikation für die Champions League reden wir jetzt lieber nicht, oder?

Nein.

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