Hoffenheim will "noch mehr Herzblut-Fans gewinnen"

Peter Rettig, Vorsitzender der Geschäftsführtung, sieht Hoffenheim als Entwicklungsverein und will nächste Saison raus aus der Verlustzone.

27.02.2015 UPDATE: 28.02.2015 06:00 Uhr 3 Minuten, 13 Sekunden

"Konsolidieren und investieren": TSG-Geschäftsführer Peter Rettig. Foto: APF

Von Roland Karle

Zuzenhausen. Peter Rettig (52) lenkt seit Oktober 2013 die Geschicke der TSG Hoffenheim. Der Vorsitzende der Geschäftsführung, zuvor fast 20 Jahre lang bei Coca-Cola und danach als selbstständiger Berater mit Schwerpunkt Profi-Fußball tätig, spricht im RNZ-Interview über wirtschaftliche Defizite und erforderliche Spielerverkäufe, Lehren aus der Vergangenheit und Privilegien durch Dietmar Hopp.

Herr Rettig, Sie sind schon immer Fußballfan, arbeiteten als Manager aber meist außerhalb des Fußballs. Ist das ein Nachteil?

Im Gegenteil: Die Versuchung, sich ins Sportliche einzumischen, ist sicher größer bei jemandem, der zum Beispiel selbst mal Fußball-Profi war. Diesen Drang verspüre ich nicht. Meine Aufgabe ist es, die bestmöglichen Voraussetzungen für sportlichen Erfolg zu schaffen und gleichzeitig die TSG 1899 Hoffenheim insgesamt voranzubringen.

Sie könnten bald in die Zwickmühle geraten. Werden Sie die begehrten Roberto Firmino und Kevin Volland halten - oder eben verkaufen?

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Wir müssen intelligente Entscheidungen treffen, wenn wir in der Bundesliga langfristig bestehen wollen. Jugendförderung und Transferüberschüsse sind für uns wichtige Faktoren. Es wäre allerdings fatal, die Qualität im Kader nicht hoch zu halten. Und wichtig ist es auch, die Ambitionen der Spieler zu berücksichtigen. Hoffenheim versteht sich aber als Entwicklungsverein, der eigene Fußballer veredelt und irgendwann teuer transferieren muss.

Hoffenheim ist dicht dran an den internationalen Plätzen. Sollten Sie da nicht ehrgeiziger sein?

Wir sind sogar sehr ehrgeizig, aber auch realistisch. In der Liga geht es diese Saison sehr eng zu. Wenn wir uns sportlich am Ende für Europa qualifizieren, dann freuen wir uns natürlich darüber. Aber von der Struktur und Größe her ist die TSG kein Klub, der regelmäßig im internationalen Fußball vertreten sein wird und sich dies auch nicht zum Ziel setzt.

Scheuen Sie das Risiko, weil noch zu viele Altlasten den Verein wirtschaftlich belasten?

Der Kader umfasste einmal 47 Profis und wir wären fast abgestiegen. Daran haben wir immer noch zu knabbern, werden deshalb in dieser Saison nochmals operative Verluste machen. Wir mussten konsolidieren, aber gleichzeitig auch investieren, damit sich die Mannschaft sportlich weiterentwickelt. Unser Ziel ist, in der Saison 2015/16 schwarze Zahlen zu schreiben.

Klubs wie Freiburg oder Mainz hätten eine solche Extremsituation finanziell nicht überlebt. Bei Hoffenheim ist das anders, weil Dietmar Hopp den Klub mit ausreichend Eigenkapital ausgestattet hat. Sprich: Die TSG kann sich auch weiterhin teure Fehler leisten?

Natürlich ist es ein Privileg, eine solche Kapitaldecke und einen solchen Gesellschafter zu haben. Aber Dietmar Hopp fordert zu Recht, dass sich der Verein wirtschaftlich selbst tragen muss. Wir sind auf Kurs. Es ist mein Job gemeinsam mit den anderen Verantwortlichen im Verein, die TSG zukunftsfähig zu machen.

Welche Fehler der Vergangenheit gilt es unbedingt zu vermeiden?

Ein Profiklub ist ein Wirtschaftsunternehmen und das arbeitet dann erfolgreich, wenn es professionelle Strukturen und Prozesse hat, sowie die richtigen Leute an der richtigen Stelle. Es wurden in der Vergangenheit nur ganz wenige falsche Personalentscheidungen getroffen, aber leider auf einigen ganz wichtigen Positionen.

Zum Beispiel?

Markus Babbel zum Trainer und Sportdirektor in Personalunion zu machen, war sicherlich ein Fehler. Das darf nicht sein bei zwei so elementar wichtigen Positionen. Auch die Tatsache, dass es zeitweise drei gleichberechtigte Geschäftsführer gab, hat Abläufe und Entscheidungsprozesse erschwert. Bei schnell wachsenden und dynamischen Organisationen ist es aber völlig normal, dass Dinge auch mal aus dem Ruder laufen. Und im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer.

Die TSG spielt in einem der kleinsten Stadien der Bundesliga, aber anders als in den ersten Jahren ist es selten ausverkauft. Fehlt es an Begeisterung?

Ganz sicher nicht. Wir haben in dieser Saison bislang eine Stadionauslastung von rund 86 Prozent, das ist ein prima Wert. Ein Vergleich mit den euphorischen Anfangszeiten hinkt: Hoffenheim spielte als Aufsteiger einen unglaublichen Fußball, wurde Herbstmeister, das war außergewöhnlich.

Warum hat es nicht geklappt, großräumig Sympathien zu konservieren?

Die TSG spielt erst im siebten Jahr in der Bundesliga. Die Mehrheit der Menschen in der Region ist mit anderen Klubs aufgewachsen. Die Sympathie für einen Bundesliga-Verein, die Fanbasis und eine Fankultur müssen sich entwickeln. Wir wissen aus der Marktforschung, dass sich unter den 700 000 Fußball-Interessierten im östlichen Rhein-Neckar-Raum schon 100 000 als "Hoffe"-Fans bezeichnen. Rund 7 000 sind sogenannte Herzblut-Fans, also solche, die immer zu den Heimspielen kommen, egal ob’s schneit oder wie es gerade sportlich läuft.

Das reicht Ihnen?

Natürlich nicht, wir wollen die Fanbasis insgesamt und die Anzahl der Herzblut-Fans Schritt für Schritt ausbauen. Derzeit ist es so, dass die Rhein-Neckar-Arena gut gefüllt ist, wenn schöner, erfolgreicher Fußball gespielt wird oder die Top-Klubs zu Gast sind. Es muss auch unser Ziel sein, weniger abhängig von kurzfristigen sportlichen Ergebnissen oder der Attraktivität des Gegners zu werden. Dafür gilt es eine stärkere emotionale Bindung aufzubauen, die mehr Nähe und Loyalität schafft.

Wie gut hilft dabei der von Ihnen gestartete "Hoffe-Express"?

Dadurch sind wir in der gesamten Region präsenter. Im ersten Jahr haben wir mit unserem Fanmobil 90 Events absolviert und 20 Schulen besucht. Hinzukommen die Aktivitäten am Spieltag vor der Rhein-Neckar-Arena. Durch den "Hoffe-Express" schaffen wir viele zusätzliche Kontakte und machen die TSG erlebbarer. Dieses Jahr werden wir noch präsenter sein, vor allem an den Schulen.

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