Bastion Rhein-Neckar-Arena

Mit dem Gladbach-Sieg hat Hoffenheim das Europa-Ticket so gut wie gelöst

Nach dem spektakulären 5:3 gegen Borussia Mönchengladbach - Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena hat sich zur Bastion entwickelt

17.04.2017 UPDATE: 18.04.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Auftakt eines wunderbaren Tor-Spektakels: Adam Szalai (ganz l.) staubt zum 1:0 ab. Torhüter Yann Sommer hat hier keine Chance und musste weitere vier Mal hinter sich greifen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Hinterher hagelte es Lobeshymnen. Acht-Tore-Spektakel - wunderbarer Wahnsinn - Unterhaltungs-Gipfel - irrer Kick - Offensive pur - Tag des offenen Tores. Sogar die beiden Trainer, ob in der Rolle des Siegers oder Verlierers, berauschten sich an einem österlichen Fußball-Festtag, der orgiastische Züge trug.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Gute Vorstellung - trotz dreier Gegentore. Ärgerte sich maßlos, dass Schiri Dingert das Handspiel von Hofmann vor dem 2:2 übersah.

Süle: Mister Zuverlässig. In Laufduellen und im Zweikampf

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Einzelkritik

Baumann: Gute Vorstellung - trotz dreier Gegentore. Ärgerte sich maßlos, dass Schiri Dingert das Handspiel von Hofmann vor dem 2:2 übersah.

Süle: Mister Zuverlässig. In Laufduellen und im Zweikampf ein Trumpf-Ass.

Vogt: Präzise Pässe im Aufbauspiel. Etwas unglückliche Aktionen vor dem 2:1 und 4:3. Das erste Mal duckte er sich weg, das zweite Mal rutschte er aus.

Hübner: Sehr präsent gegen Hahn. Holte sich die zehnte Gelbe Karte ab - muss deshalb am Freitag in Köln pausieren.

Toljan: Schnell, aber insgesamt zu viele Stockfehler und mäßige Flanken.

Rudy: Einer der Auffälligsten im ersten Durchgang. Balleroberer, Regisseur, Assistgeber.

Zuber: Lauf- und einsatzfreudig. Mitbeteiligt am 2:0 durch einen klugen öffnenden Pass auf Rudy.

Demirbay: Gefährlicher Freistoßschütze. Toppte seine Leistung durch seine beiden Tore.

Kramaric: Ständiger Unruheherd. Ein Lattenknaller, ein technisch versierter Lupfer zum 5:3 von Demirbay.

Szalai: Diesmal "Adam Riese". Früher Doppelpack. Tat auch sonst viel fürs Kollektiv. Kompliment!

Wagner: Licht und Schatten wechselten sich beim "Gladiator" ab.

Uth: Monster-Joker! Sein Fernschuss zum 4:2 war vom Allerfeinsten.

Amiri: Konnte kaum Akzente setzen. Eher hektisch und fehlerhaft.

Bicakcic: Kam spät - und durfte beim orkanartigen Jubel (89.) dabei sein. jog

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"Das war ein unfassbar attraktives Spiel", sagte Cheftrainer Julian Nagelsmann nach dem ereignisreichen 5:3 (2:2) seiner TSG 1899 Hoffenheim gegen Borussia Mönchengladbach.

Dieter Hecking ordnete die 94 Minuten vom Samstag ähnlich ein: "Das war Hochgeschwindigkeits-Fußball und offenes Visier von beiden Seiten. Ein toller Nachmittag. Es ist das, was man in der Bundesliga sehen möchte."

Die "Nagelsmänner" verhalten sich gewissermaßen seit Monaten wie Hundewelpen oder Jungkaninchen: Sie wollen spielen, spielen und spielen! Und ihre Neugierde scheint grenzenlos zu sein.

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Die Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena hat sich inzwischen zu einer Bastion entwickelt. Keines der bislang 15 saisonalen Heimspiele (zehn Dreier, fünf Unentschieden) hat "Hoffe" verloren - mit dem sechsten Erfolg in Serie haben die Kraichgauer gar den Klubrekord aus der Erstliga-Premierensaison 2008/2009 eingestellt.

Zuletzt hatte Nagelsmann mehrfach betont, dass er an der eingesetzten Dynamik nichts ändern möchte. Im Gegenteil. "Ich mag es nicht, wenn man in guten Zeiten etwas bremst", so der Architekt des nach RasenBallsport Leipzig größten Überraschungsteams.

Die 30.150 Zuschauer in der erneut ausverkauften Arena wissen das mittlerweile zu goutieren. Die stürmischen Darbietungen der Hoffenheimer lassen das 60 Millionen Euro teure Bauwerk - peu à peu - zu einem badischen "Spaßtempel" werden.

"Gegen Hoffe kann man mal verlieren" und "Europapokal, Europapokal" sangen die Fans freudetrunken (nicht nur) in der Süd- bzw. Bierkurve. Der Dorfklub marschiert und marschiert.

Auch die wilden Gladbacher "Fohlen" galoppierten Rudy und Co. nicht auf und davon. Bei 14 Punkten Vorsprung auf den Rangsiebten 1. FC Köln, und fünf ausstehenden Partien (Köln, Frankfurt, Dortmund, Bremen und Augsburg) ist dem Fast-Absteiger von 2015/16 die historische Europacup-Teilnahme kaum mehr zu nehmen.

Direkteinzug in die Königsklasse oder Champions-League-Qualifikation? Das ist "nur" noch die Frage.

Gerade die jüngsten Erfolgserlebnisse gegen Leverkusen, Hertha, Bayern und jetzt Gladbach illustrieren, dass "Hoffe" reif für den internationalen Quantensprung ist. "Natürlich träumen wir alle davon", sagte Kerem Demirbay zum Thema, womöglich bald Topklubs aus Spanien, England oder Italien in der nordbadischen Provinz begrüßen zu dürfen.

Dagegen spricht so gut wie nichts mehr, wenn die TSG-Schützlinge mit den gleichen Tugenden wie gegen Gladbach ans Tageswerk gehen.

Adam Szalai (9., 24.), Demirbay (58., 89.) und Mark Uth (75.) netzten für die Hausherren ein, die sich nicht durch die Borussen-Treffer von Jannik Vestergaard (31.), Lars Stindl (35.) und Mahmoud Dahoud (78.) aus der Fassung bringen ließen.

Hintergrund

Stimmen zum Spiel

"Wir waren nicht zwingend zwei Tore besser - wir sind der etwas glückliche Sieger." - Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann nach dem 5:3 gegen Borussia Mönchengladbach.

"Wenn die Spieler das Gefühl haben, du machst sie

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Stimmen zum Spiel

"Wir waren nicht zwingend zwei Tore besser - wir sind der etwas glückliche Sieger." - Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann nach dem 5:3 gegen Borussia Mönchengladbach.

"Wenn die Spieler das Gefühl haben, du machst sie besser, dann hast du viel an Autorität gewonnen." - Nagelsmann über seine Herangehensweise als junger Trainer im "Aktuellen Sportstudio" des ZDF.

"Der BVB hat schon eine sehr, sehr gute Truppe. Ich glaube, die sind noch einen Tick stärker als wir. Wir werden aber alles geben, um Paroli bieten zu können." - Nagelsmann zur Zockermentalität von Hoffenheim und Konkurrent Borussia Dortmund.

"Ich nehme den Glückwunsch zum attraktivsten Manager der Liga an." - TSG-Manager Alexander Rosen spaßig auf die Frage, ob er die Glückwünsche zur ersten Europacup-Teilnahme der Klubgeschichte bereits annehme.

"Wir haben sehr viel Qualität. Bei uns trifft immer ein anderer." - Doppeltorschütze Adam Szalai.

"Die tolle Saison der TSG wird in der Champions League gipfeln. Vielleicht können wir mit einem Sieg gegen Dortmund ein bisschen helfen, denn wir wollen auch nach Europa." - Gladbachs Trainer Dieter Hecking.

"Wir haben gezeigt, dass wir mit Spitzenteams wie Hoffenheim auf Augenhöhe sind. Aber fünf Gegentore sind natürlich zu viel." - "Fohlen"-Kapitän Lars Stindl. jog/alb

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Selbst die Patzer des Schiedsrichter-Gespanns um Christian Dingert vermochten diese Rasenparty nicht zu verderben. Das 1:0 von Szalai war knapp Abseits, dem 2:2 ging ein Handspiel von Hofmann voraus, Vestergaard fällte Kramaric elfmeterwürdig (43.), und Dahoud hätte sich beim Brutalo-Foul gegen Demirbay (63.) nicht über eine Rote Karte beschweren brauchen.

Dieter Hecking sagte nach all den Aufregern mit einer Prise Humor: "Für den Schiedsrichter war das unglaublich schwer. So schnell konnte er gar nicht hin- und herlaufen. Bei dem Tempo muss man Fehlentscheidungen auch mal akzeptieren."

Nagelsmann erfreute sich lieber an der couragierten Spielweise seiner Elf, die nach dem 2:2 und 4:3 unbeirrt das Gaspedal weiter durchdrückte.

Der 29-Jährige fuhr am Abend noch ins ZDF-Sportstudio und blieb sich dort treu. Warum er denn als Erster aus dem Kabinentrakt kam und mit nachdenklicher Miene alleine auf der Trainerbank saß, wurde er von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein (51) gefragt. "Ich habe noch einmal die Worte reflektiert, die ich in der Pause sagte, und überlegt, ob ich nicht Vollblödsinn geredet hab’", so Nagelsmann in seiner typisch offenen Art.

Abgesehen von der Erkrankung einer "Stimmbandrandkantenverdickung" erfuhren Nagelsmann-Kenner wenig Neues. Außenstehende freilich können erahnen, warum Nagelsmann mit seinen "Zockern" die Liga gehörig aufmischt. Die Anatomie des TSG-Erfolgs resultiert aus einem klaren Plan. Gepaart mit Selbstbewusstsein, Lockerheit und Bodenhaftung.

Den Lausbuben aus Hoffenheim ist fast alles zuzutrauen. Ein "Endspiel" um Rang drei am 6. Mai beim BVB liegt buchstäblich in der Luft. Es würde zur Geschichte der TSG passen. Charakter und Spielfreude haben sowohl "Hoffe" als auch die "andere" Borussia zuhauf.

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