1899-Manager Rosen

"Hier fliegt keiner durch die Decke!"

Auch in Sphären des Fußball-Geldadels will "Hoffes" Macher Vernunft walten lassen

15.05.2018 UPDATE: 16.05.2018 10:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden

Alexander Rosen. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Der Termin am Dienstagvormittag wurde zu einem Streifzug kreuz und quer durchs große Fußball-Business. Solche Gelegenheiten mag Alexander Rosen (39), seit 2. April 2013 Direktor Profifußball bei der TSG 1899 Hoffenheim, eigentlich ganz gerne. Auch in den diversen Trainingslagern der Kraichgauer pflegt er gewöhnlich die Kultur, mal den einen oder anderen Blick hinter die Kulissen zuzulassen.

Das hilft ihm dabei, auf glaubwürdige und fachlich-sachliche Art und Weise seine Kernbotschaften an die Öffentlichkeit zu bringen, und es hat eben gleichermaßen den Nebeneffekt, dass die Kolleginnen und Kollegen von Fernsehen, Radio und Print manches delikate Detail noch besser in ihr Koordinatensystem als Berufskritiker einordnen können.

Belfodil unterschreibt bis 2022

Das ist schlau vom studierten Sportökonomen - und Rosen, da besteht keinerlei Zweifel, ist ein kluger Kopf. Einer, der genau weiß, was er mit wem wann und wie kommuniziert. Ein akribischer Arbeiter, ein Stratege, ein Analytiker. Und gewiss kein Scheckbuch-Manager.

Auch interessant
1899 Hoffenheim: In Champagner-Laune
Transfer: Leonardo Bittencourt wechselt zu 1899 Hoffenheim
TSG 1899 Hoffenheim: Das fünfte Wunder von Hoffenheim
TSG 1899 Hoffenheim: Nagelsmann - "Etwas absolut Historisches"
TSG 1899 Hoffenheim: Fanmarsch wurde zu einem Triumphzug
Ansage von Hopp: "Nagelsmann kann auch mit 40 noch große Vereine trainieren"

Nach dem abschließenden 3:1 über Borussia Dortmund und der erreichten Champions-League-Qualifikation von "Hoffe" sei das Telefon am Montag nicht mehr still gestanden. Eine Erfolgsstory wie die des Dorfvereins übt magnetische Anziehungskräfte aus. Für Profis sowie für deren emsige Berater. "Es ist mittlerweile auch international bekannt, dass wir hier ein optimales Entwicklungsumfeld bieten können", sagte Rosen voller Selbstbewusstsein.

Längst haben sie im Geschäftsstellen- und Trainingszentrum verinnerlicht, wo der Hebel anzusetzen ist, um die Eigenheiten dieses speziellen Metiers mit den kommerziellen Auswüchsen in den Griff zu kriegen. "Hoffe" zahlt vergleichsweise keine exorbitanten Gehälter mehr wie in den Anfangsjahren nach dem Erstliga-Aufstieg 2008, und plant keinerlei größenwahnsinnige Aktionen, nur weil sie nun in der Gesellschaft des europäischen Fußball-Geldadels mitspielen werden.

Nein, die TSG will trotz Erreichen der lukrativen Gruppenphase in der Königsklasse Vernunft walten lassen. "Wir bekennen uns zu einem nachhaltigen Wachstum. Wir werden weiterhin sinnvoll und mit Augenmaß wirtschaften", so Rosen betont realistisch, der mit Mehreinnahmen in Höhe von rund 20 Millionen Euro durch die Präsenz in der "Champagner-Liga" kalkuliert.

Also wird Hoffenheim in neuen Sphären nicht vom Credo einer moderaten Transferpolitik abrücken, wenngleich man, wie der Manager offen verriet, in den den letzten drei Jahren den Lizenzspieleretat "von 40 auf 50 Millionen Euro angehoben" habe. Das entspricht immerhin einer Steigerung von 20 Prozent.

Nach den schmerzlichen Abgängen von Mark Uth (Schalke 04) und Serge Gnabry (FC Bayern München, Ende der Leihe) sind die ersten Transfers eingetütet. Auf den Deutsch-Brasilianer Leonardo Bittencourt (vom 1. FC Köln, Vertrag bis 2023) folgte am Dienstagnachmittag die Bekanntgabe des Wechsels von Ishak Belfodil (26) von Standard Lüttich. Der algerische Nationalstürmer absolvierte den obligatorischen Medizincheck in Heidelberg und Zuzenhausen und soll die "Variabilität in den Offensivpositionen" (Rosen) erhöhen.

Belfodil bringt Physis (1,91 Meter) und Maximalgeschwindigkeit auf den Rasen und hat sich internationales Rüstzeug bei seinen Stationen Parma Calcio, Inter Mailand, FC Bologna und Lüttich geholt. Der Angreifer war zuletzt von den Belgiern an Werder Bremen ausgeliehen. "Hoffe" hat Belfodil bis 2022 an sich gebunden.

Nach RNZ-Informationen soll darüber hinaus mit dem Kameruner Karl Toko Ekambi (25) vom SCO Angers weitgehend Handelseinigkeit herrschen. Für den beweglichen Mittelstürmer wird freilich eine Ablösesumme von geschätzt 15 Millionen Euro fällig, denn Ekambi besitzt in der Stadt mit dem Lilienwappen noch einen Kontrakt bis 2020. Mit Bittencourt, Belfodil und Ekambi hätte die TSG ihre Reihen an vorderster Front früh geschlossen.

Zwischen den Zeilen ließ sich bei Rosens Ausführungen ablesen: Der Torjäger steht ganz oben auf dem Wunschzettel der "Nagelsmänner", und verkörpert jene Kategorie von begehrten Akteuren, die "im Regal höher" anzusiedeln sind, wie sich Rosen zum Thema Handlungsspielräume äußerte.

Wie dem auch sei: Die Hoffenheimer Kadergröße von 24 bis 26 Feldspielern plus drei Torhütern soll trotz der historischen Premiere in der Champions League nicht künstlich erweitert werden. Alexander Rosen verwies in diesem Kontext wiederholt auf einen relevanten Teilaspekt: "Wir dürfen niemals unseren internen Transfermarkt vergessen." Ein zentrales Signal an all jene, die über die eigene Nachwuchsakademie und die U 23 potenziell aufrücken. Rosen und vor allem auch Cheftrainer Julian Nagelsmann machen unverändert den sogenannten Herausforderern Mut.

"Wir haben 14,15 Stammspieler, die sind einmal Dritter und einmal Vierter geworden", erinnerte Rosen an den Qualitätsnachweis von Vogt und Co., die allesamt vor Ehrgeiz brennen. Mehr denn je. Rosen unmissverständlich: "Wir wollen nicht die Hymne hören, ein bisschen mitspielen und dann nach Hause fahren."

Hoffenheim möchte auch diesen hochwertigen Wettbewerb annehmen und das Maximale herausholen. Die letztjährige, unbefriedigend verlaufende Teilnahme in der Europa League sieht Rosen keineswegs als Hypothek, sondern vielmehr als Stimulanz. "Der Erfahrungsschatz des Erlebten gibt uns Ruhe und Kraft", konstatierte Rosen.

Natürlich vertrauen sie im Kraichgau auf die außergewöhnlichen Fähigkeiten ihres Trainers, "Julian ist in seinem Bereich ein Genie", wie Rosen es ausdrucksstark formulierte. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass Nagelsmann zu 100 Prozent bis 2019 bleibt. Allen Entscheidern dürfte freilich klar sein: Die Gerüchteküche wird bald noch mehr brodeln, die Begehrlichkeiten der anderen werden in der Königsklasse überproportional zunehmen. Das gehört zum endlosen Horizont des Profifußballs. Rosen verspricht: "Hier fliegt keiner durch die Decke!" Hoffen wir’s für die TSG ...

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.