1899 Hoffenheim

Kramaric - der "Karajan" im Angriff

"Hoffes" Stürmer Andrej Kramaric zeigt sich von seiner emotionalen Seite - Am Samstag bei der "Alten Dame" Hertha BSC Berlin

24.10.2019 UPDATE: 25.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Geballtes Selbstvertrauen: Hoffenheims Sturm-Gespann Andrej Kramaric (l.) und Ihlas Bebou (r.). Nun geht es nach Berlin. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Comebacker Andrej Kramaric (28) ist kein Mann der lauten Töne, sondern ein Fußballprofi, der das Koordinatensystem für individuelle wie kollektive Leistungsaspekte ziemlich gut kennt. Der kroatische Vize-Weltmeister von 2018 nahm sich am Donnerstag nach der turnusmäßigen Pressekonferenz Zeit, um den Medien in einer lockeren Runde Rede und Antwort zu stehen. Deutsch versteht der gebürtige Zagreber inzwischen recht gut, doch er favorisiert es nach wie vor, auf Englisch zu antworten. Die Kernthemen sind ohnehin klar: Seine erzwungene Aus- und Leidenszeit, die Wahrnehmung der bisherigen Hochs und Tiefs der Mannschaft, die Gründe dafür - und nach der Knieoperation Ende August und Wochen des gezielten Aufbautrainings eben die traumhaft verlaufende Rückkehr beim 2:0 (0:0) vergangenen Sonntag gegen den FC Schalke 04.

Erstes Spiel, erstes Tor, besser geht es nicht, oder!? "Das war ein ganz besonderer Moment für mich", gibt Kramaric unumwunden zu, wenngleich er "noch längst nicht bei 100 Prozent" sei, stattdessen von Training zu Training, von Wettkampf zu Wettkampf denke. Am Samstag (15.30 Uhr/Sky) steht der TSG 1899 Hoffenheim die nächste Herausforderung bevor, der Kraichgauklub reist in die Hauptstadt zu Hertha BSC Berlin, und da soll der Trend Freund bleiben. "Ich erwarte ein intensives Spiel", meinte Cheftrainer Alfred Schreuder, "meine Mannschaft ist hellwach. Die Siege zuletzt geben uns einen Push, wir strahlen etwas mehr Sicherheit aus."

Dafür sorgt maßgeblich das Mitwirken von Starstürmer und TSG-Rekordtorschütze Kramaric. "Andrej hat es direkt gegen Schalke gezeigt - wir sind glücklich damit", so Schreuder über seinen "Karajan" im Angriff, durch dessen Dirigenten-Attitüde gerade ein Tempospieler wie Ihlas Bebou profitieren kann.

Im Gegensatz zu Kerem Demirbay, Nadiem Amiri, Nico Schulz oder Joelinton, die allesamt "Hoffe" im Sommer verließen, hielt Kramaric (Vertrag bis 2022) dem Dorfverein mit seinen Protagonisten aus insgesamt 14 Nationen die Treue. War also ein Wechsel, vor einer Spielzeit ohne Champions oder Europa League wie zweimal unter Julian Nagelsmann, keine Option? "Ich liebe diesen Klub", sagte Kramaric mit ungewöhnlicher Emotionalität, "um ehrlich zu sein: Ich habe mein Leben hier gefunden, ich genieße das." Auch wenn er eines Tages zu einem anderen Verein gehen sollte, er verspüre "keinen Druck". Eine gewisse Dankbarkeit dürfte hierbei Einflussfaktor sein: Kramaric wurde in Hoffenheim zu dem, was er heute ist. Und nicht etwa in der Premier League bei Leicester City.

Er lässt durchblicken, dass er als "Zuschauer und Fan der TSG" schwierige Phasen zu meistern hatte. Seine permanenten Knieschmerzen wurden zur Qual. Ende August ließ sich Kramaric von Sasa Jankovic, dem Teamarzt der kroatischen Nationalmannschaft, operieren. "Ich dachte, es geht weg wie jede andere Verletzung", erzählte Kramaric, "ich konnte aber nur Tischtennis und Computerspiele machen, aber eben nicht Fußball." "Hoffes" Nummer 27 sprach erstmals von einem "Baby-Knie", ergo über Instabilität und strukturelle Schäden. "Die OP war der einzige Weg. Ich habe meinen Ärzten vertraut", so die wichtigste Offensivkraft im TSG-Gefüge. Ein Mentalcoach habe er nicht benötigt, "ich bin klar im Kopf gewesen."

Warum die Rädchen bis zum sechsten Spieltag meist nicht so richtig ineinandergriffen, liegt für Kramaric auf der Hand. Seine "Außenansicht": "Ganz ehrlich, wir vermissen hier einige Spieler, die sich anderen Klubs angeschlossen haben." Hinzu kämen die Neuzugänge, die es zu integrieren gelte, und auch die vielen Verletzten, inklusive der letztjährigen "Goalgetter" Kramaric und Ishak Belfodil. Letzterer wurde zu Wochenbeginn beim Kniespezialisten Professor Dr. Christian Fink in Hochrum bei Innsbruck operiert. Auch die deutschen Nationalspieler Leroy Sané und Niklas Süle bevorzug(t)en den Kreuzbandkünstler, der sich sportartenübergreifend einen exzellenten Ruf erarbeitet hat.

"Wir haben nicht immer die Balance gehabt", analysierte Kramaric das Liga-Pflichtprogramm, "wir kriegen das aber in den nächsten Spielen hin." Er hofft darauf, dem Team "mehr Energie und mehr Erfahrung" geben zu können. Wie gegen die Königsblauen ist das auch bei der "Alten Dame" Hertha vonnöten. Die Berliner holten an den letzten vier Spieltagen zehn Zähler. Kramaric mahnte vor dem Gastauftritt im Olympiastadion: "Das ist Bundesliga - du kannst jeden schlagen, aber auch gegen jeden verlieren." Der Comebacker Andrej Kramaric ist kein Träumer, sondern Realist.

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