1899 Hoffenheim

In Champagner-Laune

Wie die TSG 1899 Hoffenheim den Einzug in die Königsklasse feierte und sich personell dafür aufstellen will

14.05.2018 UPDATE: 15.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 18 Sekunden

Als die Königsklasse erreicht war, gab es kein Halten mehr: Fans der TSG 1899 Hoffenheim stürmten am Samstag friedlich den Platz, um mit ihren Helden zu feiern. Foto: Beck

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Keine Frage, zur historischen Saison, die 1899 Hoffenheim am Samstag nach dem 3:1 gegen Borussia Dortmund sogar auf Rang drei abschloss, gehörte auch eine historische Sause. In der Kabine ging’s los, wenig später auf dem Rasen weiter. Vor der Südkurve ließen sich Trainer, Mannschaft und Betreuerstab feiern. Nadiem Amiri stieg auf den Zaun, sang ",Hoffe’ ist der geilste Klub der Welt." Dann übernahm Chefcoach Julian Nagelsmann höchstpersönlich: "Champions League, Champions League."

Den Abend - oder besser gesagt: die Nacht - verbrachten die künftigen Königsklassen-Teilnehmer dann in Heidelberg in Bahnhofsnähe über den Dächern der Stadt. Ermin Bicakcic und Adam Szalai seien "stimmungstechnisch ganz vorne dabei", verriet Benjamin Hübner noch im Stadion, wer beim Feiern vermutlich den Ton angeben werde. Doch auch Julian Nagelsmann kann Party: Wie die Bild berichtet, war erst nach halb vier in der Nacht Schluss für den 30-Jährigen. Zusammen mit seinem Videoanalysten Benjamin Glück verließ er per Taxi die Feier. Schon auf der Pressekonferenz hatte er angekündigt, sein engster Vertrauter bei der TSG sei eher der Partybeauftragte der beiden und bei ihm werde Nagelsmann dann auch übernachten. Die Bitte an Glück gab’s dazu: "Fahr schon mal heim und bezieh das Bett."

Hintergrund

Ein Kommentar von Joachim Klaehn

Wir blättern zurück: Am 17. Februar und 23. Spieltag hatte die TSG Hoffenheim mit 1:2 bei Schalke 04 verloren. Neunter waren die "Nagelsmänner". Mittelmaß. Beim darauffolgenden 1:1 im Badenderby gegen den SC Freiburg

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Ein Kommentar von Joachim Klaehn

Wir blättern zurück: Am 17. Februar und 23. Spieltag hatte die TSG Hoffenheim mit 1:2 bei Schalke 04 verloren. Neunter waren die "Nagelsmänner". Mittelmaß. Beim darauffolgenden 1:1 im Badenderby gegen den SC Freiburg pfiffen sogar die Fans auf ihre Lieblinge, rund um den Klub rumorte es gewaltig. Die ungelöste Flick-Affäre beschäftigte die Entscheider - und der unschöne interne Machtkampf lähmte die Kraichgauer. Auf "Hoffe" setzte keiner mehr so richtig. Warum auch!? Stoff für Zoff.

Doch dann folgte ein unglaubliches Husarenstück. Elf Spiele waren es seit dem tristen Ausflug ins Revier, sieben Siege, drei Unentschieden, eine Niederlage - das Torverhältnis wurde von Null auf plus 18 hochgeschraubt. Und dies trotz einer Verletzungsserie auf der Zielgeraden - chapeau!

Solch eine Wende, ja Kurskorrektur kriegen nur außergewöhnliche Trainer mit einem kompetenten Funktionsteam im Rücken hin. Julian Nagelsmann kann noch kein ganz Großer sein - der Hype um ihn wirkte zuweilen unangemessen -, doch er ist ein sehr, sehr guter Fußballlehrer. Mit klaren Vorstellungen, Vorgaben und Spielregeln. Nagelsmann bevorzugt formationsübergreifende Prinzipien, versucht stets die wichtigen Räume mit den richtigen Akteuren zu besetzen, beweist Mut, reagiert fix, wenn es taktisch mal nicht so läuft wie geplant und macht Spieler besser.

Gewiss: Ohne Gesellschafter Dietmar Hopp gäbe es die TSG nicht in ihrer heutigen Form. Kein hochwertiges Bundesliga-Team, kein schmuckes Stadion, keine passende Infrastruktur, kein fein ausgetüfteltes Nachwuchsfördersystem. Freilich: Ohne Nagelsmann und den akribischen Personalplaner Alexander Rosen gäbe es hier in der Region auch keine Champions League. Sie haben den Laden gerettet, aufgeräumt wie seinerzeit unter Markus Gisdol, und auf das nächste Level gehoben, so dass sich nun auch "Hoffe"-Boss Hopp ein T-Shirt mit dem modernen Schriftzug "Königsklasse" überstreifen durfte.

Am 18. Mai jährt sich Hoffenheims kometenhafter Aufstieg in Deutschlands Beletage zum zehnten Mal. Nach einem 5:0 gegen Greuther Fürth im Abschlussmatch war der Durchmarsch perfekt. Auch damals gab’s Bierduschen, Jubel-Orgien, ekstatische Gefühle. Ein Dorf stand Kopf! Seither ist viel passiert. Die Entwicklung spricht, trotz mitunter heftiger Turbulenzen, für ein gut durchdachtes Fußballprojekt. Wie schon 2017 feierten die "Nagelsmänner" im "Level 12" der Print Media Academy Heidelberg. Mit Schloss-Blick. Und königlichen Aussichten für 2018/19 ...

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Bereits am Sonntag trat Nagelsmann dann seinen Urlaub an. "Verschiedene Destinationen" wolle er anfahren, immer mit einem Flughafen in der Nähe. Denn Nagelsmann rechnet fest damit, mehrere Urlaubsunterbrechungen einlegen zu müssen: "Ich werde hoffentlich noch den einen oder anderen Spieler zu Gesicht bekommen, bevor er hier unterschreibt."

Die Kaderplanungen laufen längst auf Hochtouren. Gestern Abend wurde mit dem ehemaligen Kölner Leonardo Bittencourt bereits der erste Neuzugang verkündet (siehe Artikel unten). Dass es nun tatsächlich geklappt hat mit der Qualifikation für die Champagner-Liga, sei freilich ein großes finanzielles Thema, so Nagelsmann, beeinflusse die Transferpolitik aber nicht entscheidend. "Wir greifen deswegen nicht ins Champions-League-Spieler-Regal", sagte der TSG-Trainer: Einen Spieler, der "mit Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi um die Krone mitschießt" werde man sicher nicht im Kraichgau begrüßen dürfen.

Muss man aber vielleicht auch gar nicht. Denn die beste Saison der Vereinsgeschichte hat einmal mehr unter Beweis gestellt, dass Nagelsmann in Kombination mit Manager Alexander Rosen ein Händchen dafür hat, Spieler mit großem Potenzial ausfindig zu machen - und dann auch weiterzuentwickeln. Für Dietmar Hopp ist Nagelsmann das Pfund, mit dem Hoffenheim wuchern kann: "Er kann begeistern, hat hohe Fachkompetenz und auch Anziehungskraft für interessante Spieler, die nicht unbedingt aufs Geld schauen, sondern darauf, unter ihm den nächsten Schritt zu machen", sagte der TSG-Gesellschafter gegenüber dem kicker.

"Hoffes" Neue scheinen zwar immer etwas Anlaufzeit zu brauchen, doch gerade die Rückrundenleistungen von Bayern-Leihgabe Serge Gnabry, Mittelfeldstratege Florian Grillitsch und Außenbahnsprinter Nico Schulz haben den furiosen Endspurt mitermöglicht. Hätte sich Gnabry nicht verletzt, wäre er wohl ein heißer Kandidat für Joachim Löws WM-Kader gewesen. Und auch Schulz darf sich dank seiner Galaauftritte Hoffnungen machen, einen Anruf des Bundestrainers zu bekommen. Bislang habe es keinen Kontakt gegeben, berichtete der 25 Jahre alte Linksfuß am Samstag: "Aber mein Handy ist an." Der Urlaub sei gebucht, freilich mit Reiserücktrittsversicherung. Schulz grinsend: "Ich bin doch kein Amateur."

Auf jeden Fall mit in Russland dabei sein wird der Kroate Andrej Kramaric. Der 26-jährige Torjäger wurde gestern von Nationaltrainer Zlatko Dalic ins Aufgebot berufen. Wer in der neuen Saison sein Sturmpartner bei der TSG wird, ist noch offen. Im Angriff besteht nach den Abgängen von Gnabry, Mark Uth und Sandro Wagner, der im Winter nach München gegangen war, trotz Offensivspieler Bittencourt weiter Handlungsbedarf. Angeblich soll der 25-jährige Kameruner Karl Toko Ekambi vom französischen Erstligisten SCO Angers ganz oben auf dem Wunschzettel stehen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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