"Namen öffnet keine Tür"

Hoffenheim-Trainer Sebastian Hoeneß über Familie, Karriere und die TSG

Der neue Coach im exklusiven RNZ-Gespräch: "Ihr werdet mich kennenlernen, versprochen."

23.09.2020 UPDATE: 25.09.2020 06:00 Uhr 6 Minuten, 5 Sekunden
Sebastian Hoeneß (l.) im Gespräch mit RNZ-Sportredakteur Nikolas Beck. Foto: privat

Von Nikolas Beck

Zuzenhausen. Sebastian Hoeneß ist ein Trainer-Novize in der Bundesliga. Im Rampenlicht steht der Sohn von Ex-Nationalspieler Dieter und Neffe von Uli Hoeneß aber aufgrund seines Nachnamens schon sein Leben lang. Nachdem er auf Anhieb die Drittliga-Meisterschaft mit Bayern München II feiern konnte, zog es den 38-Jährigen zur TSG Hoffenheim. Mit Frau und Tochter wohnt er in Heidelberg und für die RNZ nahm er sich Zeit für ein ausführliches Exklusiv-Interview.

Sebastian Hoeneß, die Bundesliga und Hoffenheim-Fans ganz besonders wollen Sie als Typen kennenlernen. Zwei Ihrer Vorgänger hatten Beinamen: Huub Stevens war als "Knurrer von Kerkrade" und Julian Nagelsmann als "Entert(r)ainer" bekannt. Welchen würden Sie sich selbst geben?

(lacht) Das ist Eure Aufgabe, da werdet Ihr sicherlich kreativ und einen Namen finden. Ich finde es schwierig, über sich selbst zu sprechen. Ich bin, wie ich bin. Und Ihr werdet mich kennenlernen, versprochen.

Kennengelernt hat man Sie zumindest in den ersten beiden Spielen an der Seitenlinie als eher ruhigen Typen mit sachlicher Ansprache.

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Ich bin jetzt keiner der an der Seitenlinie 90 Minuten jede Aktion lautstark kommentiert. Aber gerade im Pokal in Chemnitz, als wir vor der Verlängerung einen Kreis gebildet haben, da war’s sicher nicht ruhig und sachlich, sondern sehr emotional. Ich denke, die Mischung macht’s, und dafür ist Persönlichkeit und Authentizität ganz wichtig. Denn jede Situation erfordert ein individuelles Coaching-Verhalten. Mal impulsiver, ein anderes Mal ruhiger einwirkend. Am Ende geht es jedoch vor allem darum, zu analysieren und Entscheidungen zu treffen – dafür braucht man eine gewisse Ruhe.

Was bringt Sie dennoch so richtig auf die Palme?

Es gibt ein paar Dinge, die man einfach voraussetzt. Das sind grundsätzliche Werte. Unsportlichkeiten im Spiel mag ich nicht. Das bedeutet aber nicht gleich, dass ich vor Wut auf den Platz rennen muss. Und auch bei uns untereinander im Training geht es um eine gewisse Leistungsbereitschaft, um Respekt. Das sind Themen, bei denen es keine Kompromisse gibt. Das erwarte ich einfach, sowohl von uns im Training als auch im Spiel vom Gegner, dem gegnerischen Trainer oder dem Schiedsrichter.

Stichwort Respekt: Sie tragen einen Namen, der in Fußball-Deutschland polarisiert wie kein anderer. Bald wird wieder vor Fans gespielt. Befürchten Sie Schmähungen, nur weil Sie Hoeneß heißen?

Grundsätzlich freut mich die Aussicht auf Zuschauer, weil unser Sport von Emotionen lebt. Daher mache ich mir diesbezüglich keine negativen Gedanken. Es wird aber sicher auch schon mal auf einem Plakat mein Name stehen. Das habe ich schon erlebt. Wenn es in einem gewissen Rahmen bleibt, muss man das aushalten.

Auch medial ist Ihre Familiengeschichte ein dominantes Thema, oft ist zu hören, dass auf Ihnen ein besonderer Druck lastet. Wie nehmen Sie diesen wahr?

Ich kenne es nicht anders. Ich kenne auch keine alternative Berichterstattung über meine Person. Das sind aber Dinge, die ich nicht verändern kann. Ich brauche meine Energie für die Aufgabe hier und mache mir darüber nicht mehr viele Gedanken. Ich versuche mich deswegen nicht zu verstellen oder zu verändern. Und bislang bin ich damit sehr gut gefahren.

Es erscheint naheliegend, dass der Name Hoeneß im Fußball Türen öffnen kann. Ihr Onkel Uli wollte allerdings zunächst gar nicht, dass Sie in München arbeiten. Auch die Fans sahen Ihre Verpflichtung kritisch, fürchteten Vetternwirtschaft. War der Name in Ihrer bisherigen Trainerkarriere also doch eher eine Bürde?

Ich glaube überhaupt nicht daran, dass durch den Namen irgendeine Tür geöffnet wird. Entscheidungsträger auf dieser Ebene bewerten deine Arbeit sowie den Menschen und lassen sich von so etwas weder in die eine noch in die andere Richtung beeinflussen.

Also ist das für viele ein Riesen-Thema, aber für Sie überhaupt keins?

Natürlich ist das für mich kein Thema. Trotzdem ist mir klar, dass es medial eins ist, mit dem gearbeitet wird. Aber ich wünsche mir, dass daneben auch über meine Arbeit gesprochen wird. Ich frage mich auch immer wieder, ob das nicht inzwischen schon alles mal geschrieben und erzählt worden ist, ob das die Leser oder die Zuschauer überhaupt noch interessiert. Aber ich weiß natürlich auch, dass das meine ganz subjektive Perspektive ist. (lacht)

Gab es für den jungen Sebastian im Hause Hoeneß überhaupt eine andere Wahl als Fußball zu spielen?

Eine andere Wahl gab es sicher, weil meine Eltern immer ganz entspannt waren und sagten, ich soll das machen, worauf ich Lust habe. Wenn man automatisch mit dem Fußball konfrontiert wird, im Stadion sitzt und Fußballspiele sieht, dann liegt das aber natürlich nahe. Eine Prägung durch die Familie erfährt jedes Kind. Fakt ist: Ich wurde irgendwann mit dem Fußball-Virus infiziert – und bin dann auch nicht mehr davon losgekommen.

Dennoch mussten Sie irgendwann realisieren, dass Ihnen der große Durchbruch verwehrt bleiben wird. Ihre aktive Karriere haben Sie bereits mit 28 Jahren beendet. War das Ihr bitterster Moment?

Das war eher ein Prozess. Die bitteren Momente hatte ich eigentlich davor, bei meinen Verletzungen. Schon in meiner Zeit in Stuttgart war es aufgrund einer Leistenverletzung lange nicht klar, wie es weitergeht. Später kam auch noch eine schwere Knieverletzung dazu. Als ich dann als Spieler zur TSG wechselte, wollte ich den Sprung schaffen, musste aber realisieren, dass ich es nicht in die Mannschaft packe. Dann war klar: Ich gehe zurück nach Berlin, werde studieren und Trainerscheine machen. Zunächst habe ich noch weitergespielt, doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich gesagt habe: Okay, dann soll es eben ein neuer Weg als Trainer sein.

Ein Weg, den Ihr ehemaliger Coach in Hoffenheim, Ralf Rangnick, entscheidend beeinflusst hat.

Das stimmt. Wir haben ein Jahr lang zusammengearbeitet und ich glaube, dass er mich als Mensch und als Spieler geschätzt hat. Wir blieben jedenfalls auch danach weiterhin in Kontakt. Als er die Aufgabe bei RB übernommen hatte, war er auf der Suche nach Trainern und Leuten, denen er zugetraut hat, an diesem Projekt mitzuarbeiten, und hat mich dazu geholt.

Bundesligatrainer zu werden, das kann man wollen, aber nur schwer planen. Was war damals Ihr Plan B?

Das mag sich blöd anhören, aber ich musste nicht so viel über einen Plan B nachdenken. Es ging immer sukzessive einen Schritt weiter. Begonnen als Trainer von Hertha Zehlendorf in der U19-Bundesliga, über RB Leipzig zu Bayern München. Dadurch, dass sich immer neue Perspektiven ergeben haben, musste ich mir darüber nicht so viele Gedanken machen.

Nun sind Sie Chefcoach der TSG Hoffenheim. Kam der Anruf für Sie aus heiterem Himmel?

Aufgrund unserer erfolgreichen Rückrunde in der 3. Liga kam schon ein bisschen Bewegung rein. Aber natürlich hat mich der Anruf von Alex sehr gefreut. So etwas ist zum einen eine Bestätigung deiner Arbeit, zum anderen einfach eine ganz spannende Aufgabe. Ich habe selbst eine TSG-Vergangenheit und den Klub über Jahre hinweg verfolgt. Also haben wir uns einfach zu einem Gespräch verabredet und schnell festgestellt, dass wir ähnlich denken über Fußball, ganz ähnliche Ansätze haben und es auch zwischenmenschlich gut passen könnte. Übrigens auch mit den Geschäftsführern der TSG, die bei dem Gespräch dabei waren.

Also war die Entscheidung schnell gefallen?

Natürlich macht man sich schon vorher Gedanken: Was finde ich da für einen Klub vor, was will ich, und wo stehe ich gerade? Da hat viel gepasst, aber selbstverständlich war das Gespräch dann ganz entscheidend, weil es ja auch ein Gefühl beeinflusst. Das war von meiner Seite aus positiv – und anscheinend auch von der anderen.

Nach etwa anderthalb Monaten: Zu was für einem Klub sind Sie denn nun gekommen?

Die TSG ist für mich ein ambitionierter Klub, der sich Jahr für Jahr stabilisiert und sehr schnell in der Bundesliga akklimatisiert hat. In den vergangenen Jahren konnte er immer mal wieder oben reinstoßen. Trotzdem kann man sich selbst gut einordnen. Ich sehe hier keinen Größenwahn, sondern einfach eine sehr gute Mischung und klare Philosophie. Ich denke, die ist auch der Grund für die Erfolge, die zuletzt gefeiert wurden.

Die TSG hat sich bislang auf dem Transfermarkt zurückgehalten. Das ist relativ ungewöhnlich, wenn ein neuer Trainer mit eigenen Wünschen und Vorstellungen kommt.

Wie sind denn meine Wünsche? (lacht) Das würde ja bedeuten, dass ich meine Vorstellungen bisher nicht durchsetzen konnte.

Oder dass die Spielertypen einfach schon perfekt passen.

Genau. Ich habe einen Kader vorgefunden, der sowohl in der Breite als auch in der Spitze gut besetzt ist. Das heißt allerdings nicht, dass wir nicht im ständigen Austausch sind und angeregt diskutieren.

Apropos Transfermarkt: In der Gesellschaft werden die hohen Gehälter und bisweilen astronomischen Ablösesummen immer kritischer beäugt. Muss regulierend eingegriffen werden?

Ich sehe bereits eine Regulierung, die zugegebenermaßen eher mit der Corona-Krise zu tun hat. Bei all dem Negativen, das solch eine Pandemie mitbringt, kann sie durchaus dazu führen, manche Dinge wieder richtig einzuordnen. Der Fußball muss für Zuschauer nachvollziehbar bleiben. Trotzdem lebt er von seinen außergewöhnlichen Sportlern, von den Spielern, wegen denen die Fans auch ins Stadion gehen. Die absoluten Leistungsträger müssen auch gut bezahlt werden, ohne dass die Branche von der Gesellschaft entkoppelt wird. Das Bewusstsein muss da sein, dass der eine ohne den anderen nicht kann.

Zum Ende würde ich Sie bitten, folgende drei Sätze zu vervollständigen: So richtig abschalten vom Fußball kann ich ...

... mit meiner Familie.

Die TSG Hoffenheim ist für mich ...

... (überlegt) große Freude und große Herausforderung zugleich.

Nach dem 34. Spieltag möchte ich ...

... auf eine erfolgreiche Saison zurückblicken.

Wann wäre das erreicht?

Das waren schon drei Sätze. (grinst) Ernsthaft, das ist tatsächlich zu weit weg. Ob die Spielzeit erfolgreich war oder nicht, darüber können wir uns dann nach dem 34. Spieltag unterhalten. Natürlich sind wir ambitioniert und haben unsere Ziele. Die helfen aber selten, wenn sie öffentlich gemacht werden.

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