Gisdol: "Kuranyi hat richtig Lust auf die TSG"

Hoffenheims Cheftrainer Markus Gisdol ist im RNZ-Interview überzeugt davon, dass der Routinier eine Bereicherung für sein junges Bundesliga-Team darstellt

26.07.2015 UPDATE: 27.07.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 24 Sekunden

Hofft aufs Ballgefühl und die richtige Balance in seiner neu zusammengestellten Hoffenheimer Mannschaft: Trainer und Analytiker Markus Gisdol. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Lilleström/Heidelberg. Markus Gisdol, der 45-jährige Cheftrainer der TSG 1899 Hoffenheim, ist gut drauf. Der Schwabe brennt vor Ehrgeiz und freut sich auf die am 15. August (Samstag, 15.30 Uhr) bei Bayer Leverkusen beginnende Bundesliga-Saison. Nach zahlreichen Wechseln habe "Hoffe" im Hinblick auf die achte Erstliga-Spielzeit wieder "einen sehr interessanten Kader beisammen."

Für Aufsehen sorgte der Kraichgauklub vor diesem Wochenende mit der Verpflichtung von Routinier Kevin Kuranyi (33). Voraussichtlich am kommenden Freitag, also kurz nach der Rückkehr aus dem Trainingslager in Lilleström/Norwegen, wird der Mann aus Moskau der hiesigen Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die Vorfreude ist bei ihm riesig. "Hallo Bundesliga. Da bin ich wieder. 1899 Hoffenheim, ich freue mich!!!", schrieb Kuranyi und postete dazu ein Selfie mit einem breiten Lächeln.

Im RNZ-Exklusivinterview mit Gisdol geht es um den Stand der TSG-Vorbereitung, aber eben maßgeblich auch um die Personalie Kuranyi und die neue Ausrichtung der Hoffenheimer.

Herr Gisdol, wäre eine norwegische Hütte umgeben von Natur bei Gelegenheit was für Sie, um vom schnelllebigen Bundesliga-Geschäft abzuschalten und im Wortsinne zu entschleunigen?

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Wenn ich entspannen möchte, ist der Ort zweitrangig, am wichtigsten ist mir dann, dass meine Familie um mich herum ist. Norwegen ist zweifellos ein einziges Naturerlebnis, aber ich sehe das hier eher aus dem Blickwinkel des Trainers und unserer Vorbereitung. Alle Beteiligten können sich perfekt auf ihre Aufgaben konzentrieren.

Welche Rahmen- und Trainingsbedingungen finden Sie in Lilleström mit dem 53-köpfigen Hoffenheimer Tross vor?

Wir nutzen das Trainingsgelände des Erstligisten Lilleström SK, das uns sehr gute Bedingungen für die tägliche Trainingsarbeit bietet. Das Teamhotel ist klasse, sehr ruhig gelegen, mitten im Grünen. Und mit Lilleström und Leeds United hatten wir hervorragende Testspielgegner. Auch das noch anstehende Spiel am Dienstag gegen den Zweitligisten aus Fredrikstad sehe ich als weitere, wertvolle Standortbestimmung. Alles in allem ist das hier ein hervorragender Ort für eine konzentrierte Vorbereitung auf die neue Saison.

Woran wird konkret gearbeitet?

In der ersten Phase der Vorbereitung ging es vorrangig um die Grundlagen im Ausdauerbereich. Das war vor allem die Überschrift für das Trainingslager im Westerwald. Mittlerweile arbeiten wir vermehrt im taktischen Bereich. Wir wollen und müssen vor allem den neuen Spielern die entscheidende "Injektion" TSG-Fußball setzen, damit sie ab dem Saisonstart im August in der Lage sind, unsere Art und Weise des Spiels bestmöglich umzusetzen.

Warum ist es so wichtig für Sie, dass die Mannschaft mal so ziemlich weg von allem ist, also auch von den Fans und den medialen Berufsfragestellern?

Unsere Wahl des Standorts fiel aus ganz pragmatischen Gründen. Das ging gegen niemanden, sondern war ein Ergebnis aus den von uns formulierten Wünschen für eine optimale Vorbereitung und der sportlichen Vergangenheit unseres Managers Alexander Rosen. Über seine Drähte ergab sich diese Möglichkeit hier. Für mich stehen dabei aber an erster Stelle die perfekten Trainings- und Regenerations-Bedingungen. Die haben wir und darüber bin ich froh, genauso froh übrigens wie über jeden TSG-Fan, der hierhin mitgekommen ist. Diesen Aufwand, den die Leute auf sich genommen haben, wissen wir sehr zu schätzen.

Sven Schipplock hat zum HSV gewechselt. Welchen Typus von Spieler verlieren Sie da?

Sven hat sich in den vergangenen Jahren immer in den Dienst der Mannschaft gestellt. Ich habe lange mit ihm gesprochen und hätte ihn gerne weiter im Trikot der TSG gesehen. Aber er wollte diesen Schritt gehen und diese neue Herausforderung unbedingt angehen. So hat er es auch beim Abschied der Mannschaft gesagt.

Überraschend hat die TSG am Freitagabend Kevin Kuranyi verpflichtet. Welcher Plan steckt hinter dieser spektakulären Verpflichtung?

Es gab immer Überlegungen, noch etwas für das Sturmzentrum zu tun. Durch die Entwicklung mit Sven Schipplock hat sich dieser Gedanke schnell konkretisiert. Wir haben in intensiven Gesprächen mit Kevin Kuranyi gemerkt, dass er richtig Lust auf die TSG hat. Er ist hochmotiviert und will sich nochmal in der Bundesliga beweisen. Kevin ist laufstark, torgefährlich und identifiziert sich uneingeschränkt mit unserer Spielidee. Ich bin überzeugt, dass er eine Bereicherung für unsere Mannschaft sein wird.

Könnte die Personalie Kuranyi nicht als Abkehr vom eingeschlagenen Weg interpretiert werden?

Überhaupt nicht. Wir haben nicht nur einen sehr interessanten Kader beisammen, sondern auch - wieder einmal - einen der jüngsten der gesamten Bundesliga, mit vielversprechenden Nachwuchsspielern aus der eigenen Akademie. Speziell diese jungen Profis können von Kevins Erfahrung und Professionalität stark profitieren.

Welche Rolle trauen Sie Adam Szalai zu? Der Tenor der TSG-Fans ist doch der: Man hätte lieber Szalai als Schipplock transferieren sollen ...

Ich kenne diesen Tenor nicht, habe die Umstände des Transfers von Sven Schipplock bereits genannt und möchte deshalb nur auf den ersten Teil der Frage eingehen. Die Konkurrenzsituation, sei es im Sturm oder aber auch in anderen Mannschaftsteilen, kann und soll bei jedem einzelnen neue Kräfte freisetzen. Ziel ist es grundsätzlich, alle unsere Spieler kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Ist es denkbar, dass bis Schließung des Transferfensters noch mal bei der TSG personell nachgerüstet wird? Und wenn ja, in welchem Mannschaftsteil?

Ich bin aktuell sehr zufrieden mit unserer Kaderzusammenstellung. Es kann durchaus sein, dass wir keine Veränderungen mehr erleben werden. Wir werden aber weiter ganz in Ruhe, aber aufmerksam den Markt beobachten.

Kuranyi wird erst nach dem Trainingslager zum Team stoßen. Haben die anderen Neuzugänge, die schon mit dabei sind, die Hoffenheimer Spielidee denn schon verinnerlicht?

Dazu ist es nach vier Wochen Vorbereitung sicher etwas zu früh. Die Spielerbekommen die Zeit, die sie brauchen, um sich an das neue Umfeld und unsere Art des Fußballs zu gewöhnen. Aber wir achten bei der Auswahl neuer Spieler grundsätzlich sehr genau darauf, dass sie zu unserer Spielidee passen. Das beschleunigt den Anpassungsprozess.

Im kicker hat Kevin Volland mehr Reizklima im Team eingefordert. Im letzten Jahr habe es an Streitkultur, Jetzt-erst-recht-Mentalität und Konstanz gefehlt. Hat Volland hier Recht, und wenn ja, wie lassen sich solche Prozesse ändern?

Es gehört zu unserem Plan, die Eigenverantwortung der Spieler zu fördern und zu fordern. Der personelle Umbruch bringt mit sich, dass sich neue Strukturen und auch neue Hierarchien herausbilden. Wir haben viele langjährige Spieler verloren, aber das bedeutet für alle anderen, sich neu behaupten zu können. Auf diese Impulse setzen wir.

Wie viel Aussagekraft steckt überhaupt hinter den beiden Testspielen gegen Lilleström (1:1) und Leeds (2:1)?

Der Sieg am Samstag gegen Leeds hat schon gut getan. Aber die Ergebnisse sind nicht das Wichtigste. Es geht darum, dass wir unsere Trainingsinhalte im Spiel wiederfinden und möglichst auch umsetzen. Nur so sehen wir, auf welchem Stand wir uns aktuell befinden. Wichtig dabei ist, dass das Niveau der Gegner hoch ist, je näher es auf das erste Pflichtspiel zugeht. Die Tests gegen Lilleström, die seit Monaten im Ligabetrieb sind, und gegen Leeds waren vor diesem Hintergrund sehr wertvoll.

In Westerburg sind Sie mit einigen wenigen Medienvertretern in die Eistonne gestiegen. Mit Verlaub: Es ist ein kleines Signal. Erleben wir kommende Saison einen "offeneren" Gisdol?

(Lacht) Das hat wirklich Spaß gemacht. An diesem Tag waren es weit über 30 Grad. Da hat uns allen, den Journalisten und mir, eine Abkühlung nach einem heißen Arbeitstag wirklich gut getan.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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