Die TSG versemmelt alle guten Vorsätze in 90 Minuten

Hoffenheim erleidet mit dem 0:4 beim 1. FC Nürnberg einen brutalen Rückschlag und gerät in Abstiegsgefahr

27.01.2014 UPDATE: 27.01.2014 05:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Frustrierte Verlierer: Roberto Firmino, Niklas Süle, Jannik Vestergaard und Anthony Modeste (von links). Foto: dpa
Von Frank Enzenauer

Nürnberg. Die Hoffenheimer machen sich im Bundesligaland beliebt - sie helfen den Schwachen und Bedürftigen, sie spielen den barmherzigen Samariter. Den Tabellenletzten Braunschweig bescherten sie kurz vor Weihnachten mit drei Punkten, am Samstag schenkten sie Nürnberg den ersten Saisonsieg. "Anschubfinanzierung für die Nürnberger", nannte Markus Gisdol das sonderbare 4:0 (2:0). Der Trainer der TSG 1899 Hoffenheim war schmallippig. Frustriert wirkte er. Verärgert. Zutiefst enttäuscht. Und hatte Mühe, seinen Zorn zu unterdrücken. Er fühlte sich wie ein engagierter Lehrer, dem seine Schüler plötzlich nicht mehr folgen. "Ich hatte die Mannschaft eindringlich davor gewarnt, die Leistungen und Ergebnisse der Vorbereitung nicht überzubewerten", grantelte Gisdol nach dem Schockkick und vermutete "falsche Signale" durch vier Siege in vier Testspielen mit nur einem Gegentreffer vor dem Liga-Rückrundenstart.

Auch Hoffenheims Profifußball-Leiter Alexander Rosen wollte schlimme Selbstzufriedenheit nicht ausschließen. "Vielleicht hat die sehr gute Vorbereitung den einen oder anderen nachlässig gemacht", formulierte er vorsichtig. Widerspruch kam von Eugen Polanski: "Wir wissen doch alle, dass Vorbereitung für den Arsch ist", sagte der erfahrene Mittelfeldspieler salopp-drastisch. Immerhin: Beschönigen wollten die Verlierer nichts, auch keine kruden Ausreden erfinden. "Beschämend! Mit ein bisschen Fußball kannst du in der Bundesliga nicht bestehen. Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen", sagte Polanski.

"Gravierende Fehler, hinten wie vorne", erkannte Stürmer Sven Schipplock und gab somit kollektives Versagen zu. "Nürnberg war viel entschlossener - in den Zweikämpfen, vor dem Tor", wunderte sich Trainer Gisdol über den brutalstmöglichen Rückschlag.

Alle guten Vorsätze und Pläne für das Neue Jahr wurden in neunzig Minuten versemmelt. Statt die Balance zwischen Offensivlust und klugem Defensivverhalten herzustellen sowie Stabilität zu erreichen, verloren die Hoffenheimer das Gleichgewicht, torkelten über den Platz und stürzten in die Gefahrenzone. Der Trend ist besorgniserregend: In den letzten acht Pflichtpartien gelang lediglich ein Sieg. "Hoffe" ist jetzt nur noch zwei Punkte vom Relegationsrang 16 entfernt.

"Ich mag das Wort 'Abstiegskampf' gar nicht - aber es ist unheimlich eng da unten", sagte Profifußball-Leiter Rosen, der Noteinkäufe bis zum Transferschluss am 31. Januar prinzipiell ausschloss. Gleichwohl wäre eine Verstärkung für die Wackelabwehr sinnvoll - zumal sich Linksverteidiger Fabian Johnson in Nürnberg einen Bruch der rechten Mittelhand zuzog. Der US-Nationalspieler wird heute in Heidelberg operiert und fällt mehrere Wochen aus.

Am schwarzen, kalten Samstag war auch von der viel gepriesenen Hoffenheimer Angriffskunst nichts zu sehen; bei Überzahlaktionen in der Anfangsphase fehlten Zielstrebigkeit und Konzentration. Und schier wehrlos blieben die Weißen, nachdem Timothy Chandler mit einem Verzweiflungsschuss, abgefälscht von Jannik Vestergaard, das 1:0 in der 24. Spielminute geglückt war. Zum Haareraufen das 2:0 (42.), als Innenverteidiger Niklas Süle mit einer Kopfballvorlage Josip Drmic erfreute, ohne großen Widerstand konnte gleich nach der Pause Daniel Ginczek seinen Sololauf zum 3:0 abschließen (48.), und wie im Jugendtraining wurde der finale vierte Treffer erzielt: Hiroshi Kiyotake durfte ungehindert flanken, Drmic war im Strafraum frei wie ein Vogel überm Meer, stoppte die Kugel mit der Brust und traf einfach mit einem Drehschuss (70.).

Die Hoffenheimer waren so nett. "Der Club muss mal gewonnen haben", sagte am Abend ein Anzugsträger draußen vorm Hauptbahnhof, eine Entspannungszigarette rauchend. "Denn sonst fließen hier nach Spielen Tränen ..."

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