Prädikat besonders wertvoll

1899 Hoffenheim landet gegen Augsburg einen 2:1-Arbeitssieg

Moral und Charakter gezeigt – Joker Reiss Nelson stach sofort

11.11.2018 UPDATE: 12.11.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden

Zaunkönig: Reiss Nelson sucht nach seinem 2:1 die Nähe zu den "Hoffe"-Fans. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Es gibt solche Spiele, da geht es nicht um Glanz oder Gloria, sondern allein um eine entsprechende Mentalität - und am Ende um das passende Ergebnis. Das Spektakel gastierte am Wochenende anderswo, in Dortmund, beim 3:2 des BVB gegen den FC Bayern. Doch zu den Mannschaften der Stunde gehört die TSG 1899 Hoffenheim, die am Samstag den FC Augsburg mit 2:1 (0:0) in die Knie zwang. Vier Dreier in Serie dokumentieren die momentane Bundesliga-Erfolgsstory. Der Arbeitssieg gegen die Fuggerstädter verdiente das Prädikat besonders wertvoll, denn zu den aufregenden Zeiten im Herbst gehören auch das Aus im DFB-Pokal in Leipzig (0:2) sowie die beiden verrückten Champions-League-Thriller gegen Olympique Lyon (3:3, 2:2). "Ich bin richtig stolz auf die Jungs, dass sie das gepackt haben", sagte TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann aufgeräumt.

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Mehrere Paraden gegen Finnbogason und Co. - ein Rückhalt.

Kaderabek: Fleißige Arbeitsbiene mit Fehlpässen. Konnte sich diesmal selten nach vorne einschalten.

Vogt:

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Einzelkritik

Baumann: Mehrere Paraden gegen Finnbogason und Co. - ein Rückhalt.

Kaderabek: Fleißige Arbeitsbiene mit Fehlpässen. Konnte sich diesmal selten nach vorne einschalten.

Vogt: Flatterhaft. Folgenschweres Abstimmungsproblem mit Bicakcic vor dem FCA-Ausgleich.

Bicakcic: Haute sich als Abräumer rein. Mitbeteiligt am 1:1.

Schulz: Bärenstark in der ersten Hälfte. Sein kraftraubender Stil kostete ihn freilich Körner.

Nordtveit: Solide, aber durch Schwächen im präzisen Aufbauspiel.

Demirbay: Organisierte gut. Mut zu Distanzschüssen. Leitete das 2:1 ein.

Bittencourt: Auffällig unauffällig.

Joelinton: Vorbildlich. Ging an sein Limit - und darüber hinaus. Wunderbarer Assist auf Kramaric. Bester Akteur im Sinsheimer Stadion.

Szalai: Manchmal zu staksig. Vertändelte einige Chancen. Durch ihn entstand aber der Siegtreffer.

Kramaric: Erst mittelprächtig, dann gefährlich. Hätte als Torschütze auch zwei- oder dreimal treffen können.

Grifo: Der frischgebackene Nationalspieler der Squadra Azzurra war stärker als Bittencourt.

Nelson: Matchwinner - mit ausgeprägtem Torriecher. Einfach frech.

Brenet: Ohne Bewertung. jog

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Am Mittwochabend war der Oberbayer in der Zwei-Flüsse-Stadt Lyon noch hart mit seinen Schützlingen ins Gericht gegangen, diesmal begegnete er deren Darbietung mit Wohlwollen und Nachsicht. Und den anwesenden Journalisten gegenüber machte er Vorschläge - ironisch - für Überschriften. "Ein Wellenbad der Gefühle in Sinsheim - der Wahnsinn!" Dass die Emotionen beim Kraichgauklub mitunter durcheinander purzeln, ist nicht verkehrt und angesichts der Mehrfachbelastung ein Stück weit normal. "Ich bin sehr zufrieden mit der Moral der Truppe", lobte Nagelsmann sein Kollektiv, "die Einstellung ist das Letzte, woran es bei uns hapert."

1899-prozentige Zustimmung - wie bereits in der Schlussphase gegen die technisch versierten, offensivstarken Franzosen schwangen sich die "Nagelsmänner" vorgestern gegen den kompakten FCA zu einer Energieleistung auf. Die Tore von Andrej Kramaric (65.) und Edel-Joker Reiss Nelson (83.) drückten den Kraftakt nur schemenhaft aus, zumal die Hausherren vor offiziell 27.009 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena beim 1:1 (69.) durch den Isländer Alfred Finnbogason zum wiederholten Mal einen Defekt in der Defensive aufwiesen. Sei’s drum: Sie ließen sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen. "Wir haben großen Charakter bewiesen", meinte Torhüter Oliver Baumann, "es ist nicht einfach, drei Wettbewerbe zu spielen und sich immer wieder zu fangen."

Gegen die bestens organisierten Augsburger gab’s zunächst Magerkost. Die ebenbürtigen Gäste zeigten eine exzellente Raumaufteilung, suchten gallig die Zweikämpfe und ließen die Hoffenheimer kaum zur Entfaltung kommen. Nagelsmann über den holprigen Start: "Das war eine typische erste Hälfte nach einem Spiel in der Champions League. Der Motor hat ein bisschen gestottert und ein wenig gebraucht, um auf Touren zu kommen." Diese Aussage trug maßgeblich dazu bei, dass FCA-Trainer Manuel Baum Trübsal blies. Seine subjektive Wahrnehmung konnten neutrale Beobachter durchaus nachvollziehen: "Ich bin richtig angefressen. Wir hätten mindestens einen Punkt, wenn nicht sogar mehr mitnehmen können." Unterm Strich müsse sich seine Elf - sowohl in der Offensive als auch in der Defensive - an die eigene Nase fassen. Baum spürbar frustriert: "Mit einer Niederlage nach Hause zu fahren - das ist katastrophal. Daran sind nur wir selbst schuld."

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"Hoffe" verfügte über das Glück des Tüchtigen, wenngleich der Adrenalin-Kick bei Olympique deutliche Spuren hinterlassen hatte. "Der Kopf ist nicht das Problem", ordnete Baumann die Herausforderung eines Drei-Tage-Abstandes ein, "es ist eher schwierig, solch ein Spiel aus den Beinen zu kriegen."

Dem Brasilianer Joelinton gelang dies auf dem Sinsheimer Rasen am beeindruckendsten. Herausragend, wie der 22-jährige Powerfußballer vorne wie hinten ackerte und rackerte. Seine Präsenz, Leidenschaft und sein Durchsetzungsvermögen waren ausschlaggebend für die Führung von Kramaric.

Hervorzuheben gilt ferner Senkrechtstarter Reiss Nelson. Beim entscheidenden 2:1 antizipierte die 18-jährige Arsenal-Leihgabe die Situation am schnellsten, gerade mal 97 Sekunden nach seiner Einwechslung war der flinke Londoner zur Stelle. In sieben Liga-Einsätzen und insgesamt 325 Minuten Spielzeit markierte Nelson sechs Treffer. "Eine außergewöhnliche Quote", wie Nagelsmann bestätigte. Nelson selbst kommt rein, wirbelt gleich drauf los und scheint unbekümmert alle Negativeinflüsse auszublenden. "Ich versuche mich einfach auf mich selbst zu konzentrieren. Ich bin in Topform - und der Trainer bringt mich zum richtigen Zeitpunkt", sagte der Engländer im Hinausgehen zur Rezeptur.

Dank Unterschiedspieler wie Joelinton oder Nelson hat sich Hoffenheim vor der Länderspielpause und dem nächsten Auswärtsspiel am 24. November bei Hertha BSC (wieder) in Schlagdistanz zu den Champions-League-Plätzen gebracht. Trotz 17 Pflichtspielen, der Verletztenmisere und einiger Wankelmütigkeit an den Fleischtöpfen des internationalen Geschäfts dran zu sein, stimmt Mannschaft, Trainerteam und Vereinsentscheider zuversichtlich. Nagelsmann pragmatisch und ausnahmsweise banal nach der Maloche gegen Augsburg: "Wenn man solche Spiele gewinnt, ist man erfolgreich." Hier wären fünf Euro fürs Phrasenschwein fällig gewesen.

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