Jürgen Klinsmann im RNZ-Interview

"Es macht Spaß, Hoffenheim spielen zu sehen"

Der Ex-Weltmeister spricht vor dem Derby zwischen 1899 und Stuttgart im Interview über die Entwicklungen im Profifußball

25.10.2018 UPDATE: 25.10.2018 17:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden

Lobt Hoffenheim und drückt dem VfB Stuttgart die Daumen: Jürgen Klinsmann. Foto: dpa

Von Oliver Trust

Stuttgart. Vor dem Baden-Württemberg "Derby" zwischen der TSG Hoffenheim und dem VfB Stuttgart kann Jürgen Klinsmann (54) seine schwäbischen Wurzeln nicht leugnen. Sein Herz, sagt der ehemalige Bundestrainer, gehört den Roten, die TSG aber lobt er als Vorzeigemodell. Sorgen macht sich der 108 malige Nationalspieler und 1990er Weltmeister angesichts der prekären Tabellensituation um den VfB, aber mehr beschäftigen ihn die Anfeindungen gegen Dietmar Hopp.

In Deutschland erleben wir eine kontroverse Wertedebatte, die Ihren Höhepunkt in der Pressekonferenz der Bayern fand. Beobachten Sie einen Verfall der Sitten?

Es geht um Respekt untereinander. Das ist international ein großes Thema. Ich war bei der Büroeröffnung der Bundesliga in New York, der es um internationale Präsenz geht. Auf dem Markt ist es ein entscheidender Faktor wie sich eine Liga und ihre Klubs präsentieren.

Sie machen sich Sorgen um den Ruf der deutschen Liga?

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Es geht vor allem um die Botschaft, die eine Liga aussendet. Wenn ich sehe, was einige Leute auch im Hinblick auf Dietmar Hopp und Hoffenheim veranstalten, ist das völlig inakzeptabel. Da braucht es klare Botschaften, die klare Grenzen setzten. Da müssen wir alle den Mund aufmachen und aufstehen.

Sie meinen die Anfeindungen gegen Hopp und das berühmte Fadenkreuz auf Bannern?

Da ist einer, der viel gibt, der sich nicht nur im Fußball stark engagiert, gerade was die Nachwuchsarbeit angeht, sondern, der sozial viel tut. Mehr als alle anderen. Und der wird derart beleidigt, das stimmt mich sehr nachdenklich.

Das heißt, derartige Umgangsformen werden im Ausland registriert?

Die Bundesliga ist weltweit präsent und solche Dinge spielen eine Rolle. Es geht um eine Marke, die sich im globalen Wettbewerb befindet - auch im Kampf um Sponsoren oder Investoren und am Ende Champions League-Plätze. Wir wünschen uns alle lokale Rivalität wie bei Hoffenheim gegen Stuttgart. Aber der Schritt auf den internationalen Markt ist nicht mehr rückgängig zu machen, sonst bist du als Liga nicht konkurrenzfähig. Damit haben vor über 20 Jahren die Engländer angefangen und alle anderen mussten und wollten nachziehen.

Und die Bundesliga muss sich abstrampeln, um Schritt zu halten?

Die Ligen konkurrieren längst auf internationaler Bühne. Die italienische Liga holt grade mit dem gigantischen Ronaldo Deal auf, die Franzosen haben es mit Neymar vorgemacht - das sind klare Signale an die Bundesliga: Freunde passt auf, wir kommen.

Am Samstag geht es weniger um internationalen Stellenwert, dafür um viele Emotionen. Wie sehen Sie die Entwicklung beider Klubs?

Hoffenheim muss man Komplimente machen, wie zielgerichtet man dort die Entwicklung vorantreibt. Es macht Spaß, sie in der Champions League spielen zu sehen, weil sie für einen erfrischenden Fußball stehen. Kurzfristig geht es darum, mehrere Wettbewerbe unter einen Hut zu bekommen.

Nächsten Sommer steht bei der TSG ein Trainerwechsel an. Wäre das kein Job für Sie?

(lacht) Mir geht es gut, ich bin nicht auf Jobsuche und in vielen Projekten engagiert. Mittelfristig werde ich aber wieder einsteigen, da sind Europa oder Deutschland sicher eine Option, ob als Trainer oder in der strategischen Rolle des Sportchefs.

Vom VfB hat auch keiner gefragt?

(lacht) Nein haben sie nicht. (lacht) Ich kann damit leben.

Wie konstant sehen Sie denn den VfB?

Da sind die Weichen mit der Ausgliederung auf Kontinuität gestellt worden. Das war enorm wichtig, um breit aufgestellt zu sein.

Derzeit geht es eher um Abstiegskampf?

Richtig, jetzt kam dieser Fehlstart dazwischen. Was der VfB braucht, ist Stabilität und Punkte. Es muss Ruhe rein.

Sie machen sich keine Sorgen?

Sicher mache ich mir Sorgen. Aber ich sehe den VfB, wenn alles passt, eigentlich unter den ersten Acht. Wie gesagt: Jetzt geht es darum, da unten raus zu kommen.

Die eigene Identität ist für beide Klubs ein großes Thema. Die TSG steht da für eine nachhaltige Jugendarbeit und eine junge forsche Mannschaft. Das, so sagen viele, fehlt dem VfB. Wünschen Sie sich mehr Mut in Stuttgart?

Hoffenheim sehe ich da als Vorzeigemodell durch das soziale Engagement in der Region und die Nachwuchsarbeit. Beim VfB sehe ich gute Ansätze, das muss der Verein jetzt sportlich umsetzen. Junge Wilde wünschen sich alle. Deshalb fände ich es wichtig, dass eine U23 beziehungsweise U21 weiter bestehen bleibt. Dieser Baustein ist als Sprungbrett wichtig.

Zurück zum "Derby" am Samstag. Für wen schlägt ihr Herz?

Ich habe Hoffenheim sehr gelobt, aber mein Herz gehört dem VfB.

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