Hoffenheim-Manager Rosen

"Es ist schon ein bisschen der Fluch der Erfolge"

Hoffenheims Manager Alexander Rosen im RNZ-Interview über eine magere Punktausbeute, Verletzungspech, gestiegene Erwartungen und die eigene Zukunft

16.10.2018 UPDATE: 17.10.2018 06:00 Uhr 5 Minuten, 13 Sekunden

"Wir werden die Herangehensweise nicht ändern": TSG-Manager Alexander Rosen sieht keinen Grund, an größeren Stellschrauben zu drehen. F.: APF

Von Nikolas Beck

Zuzenhausen. Dass die aktuelle Phase beim Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim mit zuletzt drei Niederlagen nacheinander herausfordernd ist, daraus macht Alexander Rosen, seit April 2013 als Direktor Profifußball tätig, keinen Hehl. Im Gespräch mit der RNZ erklärt der 39-Jährige, warum er dennoch optimistisch in die Zukunft blickt.

Alexander Rosen, was sagen sieben Punkte nach sieben Spielen und Platz 13 über den wahren Leistungsstand der TSG Hoffenheim aus?

Zunächst einmal, dass wir nicht die Ergebnisse erzielt haben, die wir uns vorgestellt hätten - und möglich gewesen wären. Der Konjunktiv ist im Leistungssport aber immer ein schlechter Ratgeber. Nur ist es meine Aufgabe, auch die Leistungen, die hinter den Ergebnissen stehen, zu betrachten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gute Leistungen auf mittel- und langfristige Sicht auch immer gute Ergebnisse und damit auch erfolgreiches Arbeiten bedeuten. Es macht den Sport doch auch so interessant, dass über die kurze Periode nicht zwingend immer der Bessere gewinnt - und in einem Spiel schon gar nicht.

Zuletzt stand der Angriff in der Kritik, aber auch die Abwehr hat in jedem Pflichtspiel in dieser Saison mindestens ein Gegentor kassiert.

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Aufgrund der defensiven Herangehensweise vieler Mannschaften ist es im modernen Fußball mit das Anspruchsvollste, sich Chancen herauszuspielen. Hier sind wir aktuell auf Rang zwei in der Liga. Aus unterschiedlichen Gründen - Qualität, Konsequenz, Latte, skurrile Rettungsaktionen auf der Linie - machten wir die Tore nicht. Und gleichzeitig erspielen sich unsere Gegner nicht extrem viele Chancen. Das ist fast ein bisschen paradox. Aber in der Bewertung der Leistung kann ich nur darauf schauen, wie viele Chancen wir uns erspielen und wie viele wir zulassen, denn nur das kann man steuern und sich erarbeiten. In beiden Disziplinen sind wir eigentlich gut - aber das Verhältnis von Aufwand und Ertrag stimmte bisher noch nicht.

Woran wird in der Länderspielpause dennoch angesetzt?

Noch mal: Leistung bedingt Ergebnis. Wir werden also nicht unsere Herangehensweise ändern. Aber es fehlten uns eben auch fünf qualitativ hochwertige Innenverteidiger. Das soll jetzt nicht wie Jammern klingen - aber es wäre doch ein Wunder, wenn man das nicht merken würde. Wir sind inzwischen in der besonderen Situation, dass wir 14 Abstellungen für Nationalmannschaften haben, vollständig werden wir erst am Donnerstag wieder sein. Es ist schon ein bisschen der Fluch der Erfolge. Denn eine Bundesligamannschaft, die international spielt, hat ab Mitte September keine Trainingswochen mit dem kompletten Kader mehr. Das betrifft nicht nur uns, aber im Gegensatz zu anderen Klubs ist dieser Rhythmus für viele unserer Spieler neu. Die Pause ist durchaus ein Moment zum Durchschnaufen und es wird viel individuell gearbeitet und mit den Jungs gesprochen. Es geht aber vor allem darum, dass wir uns für unsere guten Leistungen und die Umstände, unter denen diese zustande gekommen sind, auch belohnen.

Inwiefern ist die gestiegene Erwartungshaltung ein Problem? Trainer Julian Nagelsmann sagte zuletzt, es mache wenig Spaß gerade. Ist er dünnhäutiger geworden?

Im Leistungssport will jeder lieber gewinnen. Erfolg ist das Elixier, wir wollen Fußballspiele gewinnen. Und wir haben ein wunderbar ehrgeiziges Exemplar dafür als Trainer. Er lebt das vor, mit jeder Faser. Er brennt, durch und durch. Das ist Nagelsmann live, sein Siegeswille, seine Gewinnermentalität, sein Naturell. Sehen wir es Julian Nagelsmann nach, der sonst immer für einen Spaß zu haben ist, wenn auch er einmal nach einer Niederlage aus der Emotion heraus sagt: "Das geht mir auf den …, das regt mich auf."

Inwieweit spielt dabei auch eine Rolle, dass Nagelsmanns Wechsel nach Leipzig bereits verkündet wurde?

Es spielt gar keine Rolle. Das ist ein Thema, das im Misserfolg natürlich aufgeblasen wird. Vergangenes Jahr hatten wir eine ähnliche Situation, da hieß es, er sei mit dem Kopf nicht bei der Sache. Ich erinnere nur an die rote Jacke. Mitzuteilen, dass unser Trainer zum 30.6.2019 von seiner Kündigungsoption Gebrauch macht - den Wechsel nach Leipzig haben übrigens nicht wir verkündet - war für uns alternativlos.

Das hat Ihre Arbeit aber nicht unbedingt leichter gemacht. Andernorts - siehe Stuttgart bei der Entlassung von Tayfun Korkut - spricht man lieber von "Wahrheitsbeugung".

Das war in der Tat bemerkenswert. Wir waren damals mit Markus (Gisdol) in einer ähnlichen Situation und ich finde, wenn man eine absolute Position bezieht, dann muss diese auch Bestand haben. Ich gebe zu, ich sage Ihnen nicht immer alles, aber ich lüge nicht. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, ein menschlicher Umgang - das sind Werte, die uns allen hier im Klub schon immer wichtig waren.

Dann lassen Sie uns doch mal über Ihre persönliche Zukunft sprechen. Ihr Vertrag läuft bis 2020, Interesse von anderen Vereinen wird vorhanden sein…

(lacht) Es wäre zum Beispiel eine Lüge von mir, wenn ich sagen würde, ich fühle mich hier nicht wohl. Auch in dieser Phase, die herausfordernd und anstrengender ist, wenn man drei Mal nacheinander verliert. Mir macht es Spaß, hier ist etwas gewachsen. Hier ist auf ganz viele Menschen Verlass, die mit dem Herz dabei sind. Ich werde die Wahrheit nicht "beugen", daher kann ich schon sagen, dass es Interesse gab - wie groß auch immer das gewesen sein mag. Der Erfolg, den wir gemeinsam hatten, macht interessant. Das betrifft natürlich nicht nur mich - aber ich kann mich dann eben auch nicht wegducken.

Sie haben noch im Januar gesagt, Hoffenheim befinde sich "in einer langen kontinuierlichen Phase des Erfolgs" und man könne "Rang zwei nicht als realistisches Ziel" ausgeben. Wie groß ist denn die Sorge, dass mit Platz vier und drei in den vergangenen beiden Jahren das berühmte Ende der Fahnenstange erreicht ist?

Wenn sieben Klubs mehr Geld und fünf Klubs viel mehr Geld bezahlen als man selbst, dann kann man als Kaufmann oder Sportdirektor keine seriöse Planung mit Rang zwei machen. Es geht um das Bewusstsein, dass wir etwas Besonderes erreicht haben, nicht um die Sorge, dass es das Ende der Fahnenstange sein muss. Das eine ist eine Ambition, das andere eine realistische Planung.

Das heißt, Sie können nicht ausschließen, auch über 2020 hinaus lieber weiterhin diejenigen zu ärgern, die viel Geld ausgeben, als es selbst auszugeben?

(lacht) Sehr gut formuliert. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass der Hunger nach Erfolg gestillt ist oder hier irgendjemand satt ist. Und es ist durchaus so, dass wir hier etwas zu bieten haben. Ich möchte uns nicht kleiner machen als wir sind. Wir sind auf allen Ebenen gewachsen und ich habe immer das Gefühl: Hier geht noch was.

Sind Sie denn bei der Trainersuche für die kommende Saison schon weiter?

Ich kann die Fragen danach sehr gut verstehen, aber wir halten uns an unsere ursprüngliche Aussage, dass wir bis Winter - übrigens sprachen wir immer vom Winter, nicht von der Winterpause - so weit sein wollen, etwas Konkretes kommunizieren zu können.

Sie werden ja mit Sicherheit Gespräche führen. Wie ist da die Rückmeldung, wie wird Hoffenheim wahrgenommen?

Diese Frage kann ich unabhängig von der Berufsgruppe beantworten. Ich glaube, wir werden von den meisten so wahrgenommen, wie wir sind: Ein beschaulicher, innovativer, attraktiver und ehrlicher Klub, bei dem man sich auf höchstem Niveau weiterentwickeln kann. Früher war immer mal das Argument zu hören: Kann ich hier Nationalspieler werden? Inzwischen kann man diese Frage klar beantworten. Es wird gesehen, wie hier gearbeitet wird und wie sich die Spieler entwickeln können. Und: So viele sind es ja gar nicht mehr, die noch keine Nationalspieler sind.

Wer wird denn als nächster Hoffenheimer für Deutschland nominiert?

Zunächst einmal würde ich mich für jeden freuen. Ich sage einfach mal, es wäre schön, wenn Kerem (Demirbay), der den Confed Cup mitgewonnen hat und dann leider über verschiedene Blöcke verletzt war, mal wieder nominiert würde. Ansonsten denke ich auch an Jungs wie Kevin Vogt oder Oliver Baumann, die seit Jahren in der Bundesliga Topleistungen bringen. Aber: Wir entscheiden es eben nicht.

Stichwort Verletzungen: Wie geht es Benjamin Hübner nach seiner schweren Gehirnerschütterung inzwischen?

Er ist auf dem Wege der Besserung, worüber wir sehr froh sind. Zumal das am Anfang nicht alltäglich und etwas beunruhigend war. Er litt unter Schwindel, durfte diverse Medien nicht benutzen, um seinen Kopf nicht zu sehr zu beanspruchen. Das ist alles vorbei, er verkraftet Belastung wieder. Im Fußball hat man mit solchen Verletzungen wenig Erfahrung, in anderen Sportarten, etwa Rugby oder Football ist das anders. Da gibt es bei Kopfverletzungen sogar Schutzsperren. Die Situation erfordert einfach Geduld - und die haben wir.

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