Wenn Neidenstein beinahe ein Borussia-Dorf ist
Fanclub "Neidensteiner Fohlen" freute sich doppelt: Auswärtserfolg und hoher Gästeandrang
Von Berthold Jürriens
Sinsheim/Neidenstein. Die "Wundertüte Borussia", wie sie in dieser Saison aufgrund ihrer schwankenden Leistungen von den eigenen Fans tituliert wird, hatte ihrem Namen mal wieder alle Ehre gemacht. Nach dem fast desolaten 1:5 im Heimspiel gegen Bayer Leverkusen folgte nun ein 3:1 - ausgerechnet beim Angstgegner TSG 1899 Hoffenheim. "Das hätte ich nicht so erwartet", zollten eingefleischte Gladbach-Anhänger der Elf vom Niederrhein Respekt, die vorher mit einem Remis bei der heimstarken Nagelsmann-Truppe zufrieden gewesen wären. Entsprechend ausgelassen war die Stimmung im Vereinsheim des Sportvereins im Burgdorf, wo sich einige Stunden vorher zahlreiche Fans von Borussia Mönchengladbach auf Einladung der "Neidensteiner Fohlen" auf das Spiel gemeinsam eingestimmt hatten.
"Ganz egal wohin die Raute dich auch trägt", heißt es in einer Zeile in einem Lied der "Fohlenelf". Vor dem Bundesligaspiel trug "die Raute" auf jeden Fall so viele Borussen-Fans wie noch nie ins beschauliche Burgdorf. Zum zehnten Fantreffen waren rund 150 Anhänger aus allen Richtungen erschienen, und somit hatten die "Fohlen" beim Wurstverkauf und Altbierausschank alle Hände voll zu tun. Dabei fehlte noch der fest eingeplante Bus aus der Nähe von Ulm. Ulf Petersohn, verantwortlich für die Fanclub-Regionalbetreuung Süd/Baden-Württemberg, hatte "erhebliche Verkehrsprobleme" gemeldet, so dass der Doppeldeckerbus mit dem Gymnasiallehrer direkt nach Sinsheim fuhr.
Maximilian und Marco Schmidt hingegen hatten eine dreistündige Autofahrt aus Thüringen hinter sich. Marco, eingefleischter Gladbach-Fan, hatte vom Eschelbronner Karl Kummer von dem Treffen erfahren, der die beiden beruflich kannte. "Ich bin aber Hoffe-Fan", gestand "Kummers Karl" ein, der ein gutes Spiel erwartete. Schalke-Fan Heinz-Peter Hofmann, der bei diesem Treffen regelmäßig die "Fohlen" bei der Essensausgabe unterstützt, zeigte sich als vortrefflicher Wahrsager. "Ich weiß nicht warum, aber Gladbach gewinnt 3:1", hatte er jedem erzählt, der es wissen wollte. Zahlenmäßig waren die "Rieser-Fohlen" aus dem rund 175 Kilometer entfernten bayerischen Oettingen die größte Gruppe, die schon zu den Stammgästen in Neidenstein gehört. Ebenfalls dabei: die "Brigade Mönchengladbach" und die "Alte Borussen", von denen Vorsitzender Klaus Reiter für seinen Fanclub einen Schal geschenkt bekam.
In bayerischer Fußball-Kluft war hingegen der ortsansässige Peter Schab unterwegs, der das beste Beispiel für die Toleranz des ortsansässigenFanclubs ist. Wenigstens dann, wenn es nicht gegen die Bayern geht. Ganz in Rot gekleidet fachsimpelte er mit den Borussen-Fans. Und auch wenn man unterschiedliche Farben trägt: Einig war man sich, dass Schmähungen und Beleidigungen, wie sie am Samstagsnachmittag in der Rhein-Neckar-Arena zu sehen und zu hören war, nicht akzeptabel sind. In Neidenstein war man vielmehr auf Harmonie getrimmt: "Ich finde das klasse hier und habe gerade sogar einen alten Bekannten zufällig getroffen", so Schab, der sein obligatorisches Hefeweizen an diesem Tag gegen Altbier eintauschte, wenn auch sicher nicht gerne.