Hoffenheim gegen Bayern

Spielertransfer ist Segen und Fluch zugleich

Die Hoffenheimer Klubphilosophie lebt davon, Spieler wie Süle und Co. zu entwickeln - und dann an die Bayern zu verkaufen

26.01.2018 UPDATE: 27.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Ja, wo laufen sie denn? Hoffenheims Kerem Demirbay versucht sich hier als Fotograf auf dem Trainingsgelände. Der FC Bayern München ist einmal mehr der Konkurrenz enteilt und gegen die Kraichgauer auf Revanche aus. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Beim Aufeinandertreffen zwischen dem FC Bayern München und der TSG 1899 Hoffenheim herrscht neben der Fokussierung auf die Aufgabe durchaus Wiedersehensfreude. Insbesondere gilt dies für Niklas Süle, der sieben Jahre lang das Trikot des Kraichgauklubs getragen hatte, ehe er im Sommer 2017 den Sprung zu den ruhmreichen Bayern wagte. Vor dem Anpfiff am heutigen Samstag (15.30 Uhr/Sky) in der Allianz Arena räumte der baumlange Innenverteidiger ein: "Natürlich ist es ein besonderes Spiel für mich, ich freue mich darauf." Der Frankfurter Bub ist ein bodenständiger Typ und lässt sich immer mal wieder in der Rhein-Neckar-Region blicken.

Ausdrücklich bedankte sich Süle bei Hoffenheim, das ihn für 20 Millionen Euro Ablösesumme nach München ziehen ließ. "Mich verbindet viel mit der TSG. Der Verein hat mich ausgebildet, dort bin ich Profi geworden. Es gibt ganz wenige Vereine, die so eine hohe Anzahl an jungen Spielern in den Profibereich entwickeln", verteilte Süle ein allgemeines Kompliment an die Entscheidungsträger des Bundesligisten. Der 1,95-Meter-Mann steht stellvertretend für den Weg und das Geschäftsmodell der Nordbadener. Süle kam in der Winterpause 2009/2010 vom SV Darmstadt 98 als 14-Jähriger ablösefrei zu "Hoffe", agierte frühzeitig in der U 19 und feierte am 11. Mai 2013 seine Bundesliga-Premiere im Heimspiel gegen den HSV, eine Woche vor dem "Wunder von Dortmund". Selbstverständlich ist Süle ein Ausnahmetalent - und ein echter "Nagelsmann". Denn Julian Nagelsmann hatte als Jugend- und Profitrainer erheblichen Anteil am Aufstieg und an der Persönlichkeitsentwicklung des jungen Riesen, der inzwischen neben den beiden Weltmeistern Jérôme Boateng und Mats Hummels gesetzt ist. 15 von 19 Ligapartien hat Süle (Vertrag bis 2022) bestritten - eine beachtliche Quote für einen Bayern-Novizen.

Auch für Sebastian Rudy (27), vertraglich bis 2020 an den "Stern des Südens" gebunden, hat sich der Quantensprung gelohnt. "Hier in München ist alles viel größer - und natürlich ist das Interesse am FC Bayern immens", so der Schwarzwälder über die größte Umstellung seit sieben Monaten. Wettbewerbsübergreifend 21 Einsätze kann der Mittelfeldstratege und Feintechniker bislang für sich verbuchen. Rudy, von 2010 bis 2017 im Kraichgau, sagt über Hoffenheim: "Es ist der Verein, in dem ich groß geworden bin. Es sind noch viele Verbindungen zu den Menschen bei der TSG da. Ich freue mich unheimlich auf das Spiel." Großes Lob erhält rückblickend Nagelsmann, der aus ihm noch ein paar Prozentpunkte mehr rausgeholt habe. Rudy über den jüngsten Bundesliga-Coach: "In Hoffenheim war das ein überragender Trainer. Ich habe mich unter ihm noch einmal weiterentwickelt. Er hatte großes Vertrauen in mich, und ja: Er hatte großen Anteil daran, dass ich zum FC Bayern wechseln konnte."

Kein alltäglicher Vorgang ist der Wintertransfer von Sandro Wagner gewesen. Der Mittelstürmer, ursprünglich aus der Bayern-Jugend stammend, wollte aus familiären Gründen unbedingt zu seinem Lieblingsverein zurück. Hoffenheim entschied sich nach Wagners unmissverständlicher Aussage dazu, den eigenwilligen Profi gehen zu lassen, zumal ein einträglicher Deal lockte. Rund 13 Millionen Ablöse für jemanden, der 2016 für 2,8 Millionen Euro von den Darmstädter "Lilien" geholt wurde und die 30er-Marke überschritten hat, ist eine sehr stolze Summe. Manager Alexander Rosen erklärte unlängst der RNZ die Kaderplanung und Transferpolitik Marke Hoffenheim: "Wir unterliegen zum einen dem permanenten internen und öffentlichen Druck, Ergebnisse zu liefern, und wollen zum anderen Spieler entwickeln und Marktwerte steigern. Das ist ein elementarer Teil unserer Unternehmensfinanzierung."

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Der Verkauf hochkarätiger Akteure ist Segen und Fluch zugleich. Um unabhängig von Dietmar Hopps externer Finanzierung zu bleiben, ist die TSG auf jährliche Transferüberschüsse angewiesen. Es besteht die latente Gefahr, Opfer des eigenen Systems zu werden und eine personelle Schwächung hinnehmen zu müssen. Im Nu entsteht ein Domino-Effekt, wenn lukrative sportliche Ziele nicht erreicht werden. Ein Umbruch wird somit immer mal wieder heraufbeschwört. "Hoffe" ist nun mal kein Bayern oder BVB - und ist deshalb gezwungen, bei Spielerverträgen mit der Option von Ausstiegsklauseln zu arbeiten.

Die Störfaktoren und Spekulationen um Nagelsmann und einige Spieler (z.B. Demirbay, Amiri) sind für die TSG zweifellos lästig, aber eben auch Teil des Bundesliga-Zirkus. Andererseits ist es wohltuend, zwischendurch die Kirche im Dorf zu lassen. Zur Begegnung von Heynckes und Nagelsmann heute in München gehört eine nette Pointe: Als Julian 1987 in Landsberg am Lech geboren wurde, war Jupp Heynckes gerade zum ersten Mal Bayern-Trainer geworden ...

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