Als sich der Dorfclub erstmals mit den Bayern anlegte
Mittlerweile ist das Aufeinandertreffen von 1899 Hoffenheim gegen Bayern München ein Spitzenspiel - im Dezember 2008 war das anders
Von Benjamin Miltner
Heidelberg. Wenn am Samstagabend (18.30 Uhr) die TSG 1899 Hoffenheim als Tabellenfünfter zum 19. Mal in der Bundesliga auf den aktuellen Zweiten FC Bayern München trifft, dann ist das ein Spitzenspiel. Ohne Frage. Aber kein Vergleich zum ersten Mal.
Am 5. Dezember 2008 kam Hoffenheim als Tabellenführer nach München. Als Aufsteiger. Als Emporkömmling. Als Fußball-Trendsetter. Als Herausforderer, der dem großen FC Bayern München die Vormachtstellung in der Liga streitig machen wollte. Fußball-Deutschland war elektrisiert, nein die Fußball-Welt. 168 Länder übertrugen das deutsche Gipfeltreffen live - damals Liga-Rekord.
Das Spiel
Mal ehrlich: Fußball-Spitzenspiele sind oft wie Silvester-Partys oder Politiker-Duelle im TV. Jeder hat Riesen-Erwartungen. In neun von zehn Fällen werden diese enttäuscht - und im zehnten Fall glauben alle, das achte Weltwunder persönlich miterlebt zu haben. Bayern gegen Hoffenheim, das war so ein zehnter Fall, damals im Dezember 2008.
90 Minuten Spektakel, Spannung und Geschwindigkeit. Ein Spitzenspiel, frei von taktischen Zwängen und Verschnaufpausen, voll mit Torchancen und Zungenschnalzern. "Absoluter Qualitätsfußball", lobte Bundestrainer Joachim Löw und betonte wie sein Vorgänger und damaliger Bayern-Coach Jürgen Klinsmann, sie hätten nie eine bessere deutsche Auswärtsmannschaft in München gesehen als Hoffenheim. Der Sieger? Der Sport. Die Fans. Und mit 2:1 der FC Bayern, den man eben nie abschreiben darf - auch wenn er spielerisch an diesem Abend in Hoffenheim seinen Meister gefunden hatte. Dem 18. Saisontor von Vedad Ibisevic (49.) im 16. Ligaspiel setzte der Rekordmeister den Ausgleich von Philipp Lahm (60.) und den Schlusspunkt von Luca Toni (90.+2) entgegen. Das berühmte Bayern-Dusel eben.
Die Aufstellungen
München: Rensing - Oddo, Lucio, Van Buyten, Lahm - van Bommel, Zé Roberto - Schweinsteiger (61. Borowski), Ribéry - Toni, Klose; Trainer: Klinsmann.
Hoffenheim: Haas - Beck, Jaissle, Compper, Ibertsberger - Luiz Gustavo - Weis, Carlos Eduardo (90.+2 Vorsah) - Obasi (74. Salihovic), Ba - Ibisevic; Trainer: Rangnick.
Schiedsrichter: Meyer; Tore: 0:1 Ibisevic (49.), 1:1 Lahm (60.), 2:1 Toni (90. +2); Zuschauer: 69.000.
Das Spiel um das Spiel
Nicht nur die Sportler, auch die Funktionäre boten beste Unterhaltung. So einen forschen Konkurrenten - das waren die Bayern nicht (mehr) gewohnt. Noch dazu ein Aufsteiger aus einem 3 200-Seelen-Dorf. Nein, das konnten Uli Hoeneß und Co. sich nicht bieten lassen und schickten vor dem Duell verbale Giftpfeile los.
Beispiele gefällig? Kaiser Franz Beckenbauer attestierte den Hoffenheimern um Mäzen Dietmar Hopp - seinen damaligen Golfpartner - "beginnenden Größenwahn", Hoeneß tönte: "Natürlich sind wir besser als Hoffenheim. Da wird übrigens mehr Geld bezahlt, als sie überall rumerzählen. Trotz der Finanzkrise hat Herr Hopp schon noch ein paar Euro übrig." Der Bayern-Manager nannte Ralf Rangnick einen "Besserwisser" und prophezeite: "Rangnick stürzt doch immer in der Rückrunde ab, weil ihm die Höhenluft nicht bekommt." Der TSG-Trainer konterte ebenso originell: "Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München fahren. Wenn Sie flotten Fußball sehen wollen, sind Sie in Hoffenheim richtig." Hoeneß, Rangnick, vielleicht auch Beckenbauer: irgendwie hatten sie wohl alle nicht Unrecht - unterhaltsam war es allemal.
Das machen die Protagonisten heute
Vedad Ibisevic schoss und schießt nun für Hertha BSC Tore, aber nie mehr so in Fließbandmanier wie in jener Hoffenheimer Hinrunde.
Ralf Rangnick ist weiter Bayern-Jäger, mittlerweile in Leipzig statt in Hoffenheim und als Manager statt als Trainer. Uli Hoeneß steht nun als Bayern-Präsident (wieder) der "Abteilung Attacke" in München vor.
Luca Toni ist mittlerweile Ex-Profi und heiratet am heutigen Tag seine langjährige Lebensgefährtin Marta.
Franz Beckenbauer ist von der Bildfläche verschwunden, nachdem die WM 2006 im Nachgang für ihn persönlich vom Sommermärchen im Nachgang zum Albtraum wurde.
Dietmar Hopp golft dennoch unverändert gerne und unterstützt die TSG weiter als Mäzen.
Philipp Lahm ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden - und lässt sich auch von einem charmanten Vertragsangebot von Kultklub FC St. Pauli nicht zum Karriere-Comeback locken.