Eine Szenerie des Jammers beim FC Arsenal

Nach dem zweiten 0:3 gegen Manchester City in kurzer Zeit verstärkt sich der Eindruck, dass Arsène Wenger zum Saisonende seinen Posten räumen muss

02.03.2018 UPDATE: 03.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden

Entsetzt: Trainer Arsène Wenger beim erneuten Debakel gegen ManCity. Foto: AFP

Von Hendrik Buchheister

London. Sollten in naher Zukunft Bilder benötigt werden, um den finalen Akt von Arsène Wengers Regentschaft beim FC Arsenal zu illustrieren, würden sich die Eindrücke vom Spiel gegen Manchester City am Donnerstagabend eignen. Der Trainer war in seinem Sitz versunken, die Jacke bis unter das Kinn gezogen, es sah aus, als würde er sich verstecken wollen. In seinem Gesicht war keine Regung zu erkennen, hilflos erlebte er die zweite Demütigung durch die aktuell herausragende Mannschaft im englischen Fußball innerhalb von fünf Tagen. Nach dem 0:3 im Ligapokalfinale ging das Nachholspiel in der Liga mit dem gleichen Ergebnis zu Ende. Arsenals Stadion war halbleer, was zum einen sicher an den widrigen Bedingungen lag, Schnee und Eis haben England in diesen Tagen im Griff, zum anderen aber auch am Zustand von Wengers Team. Und so fügten sich die verschiedenen Elemente zusammen zu einer Szenerie des Jammers.

Wenger hat den englischen Fußball revolutioniert und Arsenal um die Jahrtausendwende zu drei Meisterschaften geführt, in der Saison 2003/2004 sogar ohne eine einzige Niederlage, doch er hat seinen Zauber längst verloren. Im Grunde ist der Klub seit einem Jahrzehnt kein Titelanwärter mehr, er droht in dieser Saison zum zweiten Mal nacheinander die Qualifikation zur Champions League zu verpassen und kassierte seit dem Jahreswechsel in allen Wettbewerben schon sieben Niederlagen. Die einzige Hoffnung auf eine Trophäe ist in der laufenden Kampagne die Europa League.

In seiner mehr als 20 Jahre dauernden Amtszeit hat Wenger schon viele Krisen überstanden, ein 2:8 gegen Manchester United im August 2011 hat seiner Jobsicherheit genau so wenig geschadet wie die obligatorischen Demütigungen durch den FC Bayern in der Champions League. Doch nach den beiden klaren Niederlagen gegen Manchester City verstärkt sich der Eindruck, dass Wenger am Ende der Saison tatsächlich seinen Posten räumen muss. "Es ist traurig, weil er so viel für den Klub geleistet hat, doch das einzige Gegenmittel gegen die Mischung aus Gleichgültigkeit und Wut im Emirates-Stadion ist ein Machtwechsel", urteilt die Times. Die BBC schreibt: "Es wird ein trauriger Tag, wenn Wenger Arsenal verlässt. Aber er lässt sich nicht viel länger aufschieben."

Der Trainer identifizierte mangelndes Vertrauen in die eigene Stärke und die Qualität des Gegners als ursächlich für das zweite 0:3 gegen Manchester City in kurzer Zeit. "Wir haben gegen die im Moment beste Mannschaft des Landes verloren. Sie haben sehr viel Selbstbewusstsein, wir nicht. Das hat eine große Rolle gespielt", sagte Wenger. Damit hatte er natürlich Recht, trotzdem reichte das nicht als Erklärung. Wie so oft in den vergangenen Jahren fehlte seiner Mannschaft in der Defensive die Ordnung, zudem leisteten sich seine Profis erschütternde Aussetzer. Potenzielle Führungsspieler wie Kapitän Laurent Koscielny oder die deutschen Nationalspieler Shkodran Mustafi und Mesut Özil vermochten es nicht, dem Team Halt zu geben. Arsenal kapitulierte, wieder einmal.

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Die Partie war schon zur Pause entschieden, auch dank des überragenden Leroy Sané. Er wirkte am 1:0 durch Bernardo Silva und am 2:0 durch David Silva maßgeblich in der Entstehung mit und schoss das 3:0 selbst. Nach dem Wechsel schaltete City in den Energiesparmodus, Arsenal fand trotzdem nicht zurück ins Spiel. Dass Pierre-Emerick Aubameyang per Elfmeter an Torwart Ederson scheiterte, passte zur uninspirierten Vorstellung von Wengers Team.

Die Fans begleiteten das Geschehen auf dem Rasen mit Protest. "Ihr seid es nicht wert, unser Trikot zu tragen", riefen sie den Profis entgegen. Citys Anhang verhöhnte Arsenal. "Können wir jede Woche gegen euch spielen?", fragten sie und adressierten bittere Grüße an Wenger: "Wir wollen, dass du bleibst." So weit ist es also gekommen. Der Trainer, der eine Ära geprägt hat, ist zur Witzfigur geworden.

Im vergangenen Sommer hat der Trainer einen neuen Vertrag für weitere zwei Jahre bis 2019 unterschrieben, und Arsenals Mehrheitseigner Stan Kroenke und Geschäftsführer Ivan Gazidis haben bislang öffentlich kein Zeichen gegeben, dass sie die Zusammenarbeit vorzeitig beenden wollen. Doch Wenger hat erkannt, dass er sein Schicksal nicht mehr selbst in der Hand hat. "Andere Leute urteilen über mich. Ich bin Angestellter der Vereins", sagte er vor der Partie gegen City.

Englands Medien befassen sich deshalb schon mit möglichen Nachfolgern. Genannt werden u.a. Monacos Trainer Leonardo Jardim, Ex-Liverpool-Coach Brendan Rodgers, im Moment beim FC Celtic beschäftigt, und auch Bundestrainer Joachim Löw. Ein Kandidat bringt sich selbst offensiv ins Gespräch. "Wer wäre nicht gerne Arsenal-Coach?", sagt Thierry Henry, der Rekordtorschütze des Klubs, aktuell Co-Trainer der belgischen Nationalmannschaft. Er wurde unter Wenger zur Legende.

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