Drohendes Ungemach

Nach dem 0:3 gegen Gladbach steht Hoffenheim vor harten Zeiten

Trainer Schreuder über den personellen Umbruch: "Das war extrem"

29.09.2019 UPDATE: 29.09.2019 21:30 Uhr 3 Minuten, 8 Sekunden

Anfang vom Ende: Gladbachs Pléa setzt sich gegen Posch (v.l.), Torhüter Baumann und Kaderabek durch und markiert das 0:1. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Nachdem Sebastian Rudy den Ball kurz vor dem pünktlichen Abpfiff ans Aluminium gesetzt und der herbei geeilte Robert Skov den Nachschuss über den Kasten von Yann Sommer gedroschen hatte, war’s amtlich: Die TSG 1899 Hoffenheim kassiert beim frustrierenden 0:3 (0:1) gegen Borussia Mönchengladbach den nächsten Nackenschlag. Und es beschlich einen Großteil des Publikums das unweigerliche Gefühl, diese Mannschaft könnte noch eine Stunde lang weiterspielen und ihr würde wohl kein Treffer gelingen. "Du musst mit dem Ergebnis klar kommen", stammelte TSG-Torhüter Oliver Baumann, "es ist natürlich eine ganz schwierige Situation."

In der Tat: "Hoffe" ist in dieser labilen Verfassung allenfalls noch Bundesliga-Mittelmaß. Und wenn es den Schreuder-Schützlingen nicht schleunigst gelingt, die eklatante Torflaute zu korrigieren, dann muss man sich ernsthafte Sorgen um den Kraichgauklub machen. Stärkstes Indiz für das drohende Ungemach: In vier von bislang sechs Spielen gelang der TSG kein Tor - das entspricht der bescheidenen Bilanz eines Abstiegskandidaten. "Es ist einfach enttäuschend", sagte Ersatzkapitän Benjamin Hübner im Stadionbauch, "ich denke, dass das Ergebnis das Spiel nicht widerspiegelt. Wir haben es geschafft, sehr hochwertige Chancen rauszuspielen, doch wir müssen definitiv die Tore machen."

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Machtlos. Bitterer Nachmittag für ihn. Diesmal mit Unzulänglichkeiten in der Spieleröffnung.

Posch: Frühe Chance zum 1:0. Hängte sich rein. Aber keine "Bank" hinten.

Akpoguma: An zwei Gegentoren mitbeteiligt.

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Einzelkritik

Baumann: Machtlos. Bitterer Nachmittag für ihn. Diesmal mit Unzulänglichkeiten in der Spieleröffnung.

Posch: Frühe Chance zum 1:0. Hängte sich rein. Aber keine "Bank" hinten.

Akpoguma: An zwei Gegentoren mitbeteiligt. Unkonzentrierter und schwächer als Posch.

Hübner: Ungewohnte Wackler und Schwierigkeiten. Kein guter Tag für den Ersatzkapitän und Leithammel.

Skov: Vielversprechende Ansätze in der Offensive. Verlor vor dem 0:2 die Kontrolle, auch wegen eines riskanten Abschlags von Baumann.

Grillitsch: Zurückhaltend. Kann so viel mehr in der Kreativzentrale.

Rudy: Pfostentreffer. Das Team bräuchte deutlichere Impulse von ihm.

Geiger: Einsatzfreudig, quirlig. Müsste häufiger den Abschluss suchen.

Kaderabek: Schaltete immer wieder den Vorwärtsgang ein. Ohne Fortüne.

Baumgartner: Zweifellos ein Talent. Spektakuläre Volley-Chance.

Bebou: Lief bei der TSG am meisten (11,56 Kilometer). Konnte aber die Bälle nicht festmachen. Schludrig.

Adamyan: Gefährlicher Kopfball. Kämpfertyp. Ein Tor im Oberhaus würde ihn enorm pushen.

Locadia: Wurde nach dem 0:2 aufs Feld geschickt. Zu unauffällig.

Rupp: Kam für Geiger. Ein Kopfball aus spitzem Winkel. (jog)

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Der Blickwinkel des Hoffenheimer Innenverteidigers ist nachvollziehbar. Letztendlich aber liegen die Gründe für die Ergebniskrise tiefer. Zumal sich die Gladbacher "Fohlen" gewiss nicht vor 29.030 Zuschauern in Sinsheim, darunter "Kaiser" Franz Beckenbauer, als Übermannschaft erwiesen. Eine Stunde lang agierten die Gäste vom Niederrhein fahrig und anfällig, doch der TSG fehlte die Cleverness zum "Lucky Punch", wohingegen die Borussen mit ihrer dritten Gelegenheit in Front gingen. Das 0:1 (43.) durch Allasane Pléa machte den Unterschied an finaler Entschlossenheit deutlich. "Das war ein Spielzug, wie ihn sich unser Trainer wünscht", lächelte Marco Roses Salzburger Zögling Stefan Lainer. Rose selbst, der als Nagelsmann-Nachfolger ebenfalls zur Debatte stand, präsentierte sich "sehr glücklich" und realitätsbewusst: "Ein schwieriges Spiel. Erst war es offen und ausgeglichen, hintenraus haben sich nach unserer Führung viele Umschaltmomente und Chancen ergeben." Zwei davon nutzten Marcus Thuram (65.) und Florian Neuhaus (83.) zum 0:3-Endstand.

Es wäre zu lapidar, die neuerliche Heimpleite auf das Fehlen von Abwehrchef Kevin Vogt (Oberschenkelblessur) und Stürmer Ishak Belfodil (Mandelentzündung) zurückzuführen. "Uns haben ein paar Spieler gefehlt, aber das ist keine Ausrede", konstatierte Hübner trotzig. Da Alfred Schreuder seit Wochen ebenfalls auf Königstransfer Diadie Samassékou und Toptorjäger Andrej Kramaric verzichten muss, ergibt sich angesichts der Verkäufe von Leistungsträgern wie Nico Schulz, Kerem Demirbay, Nadiem Amiri und Joelinton aber ein klares Gesamtbild: Die Qualität des momentanen Kaders genügt schlichtweg nicht gehobenen Bundesliga-Ansprüchen. Und so bleibt den Vereinsentscheidern und auch eingefleischten "Hoffe"-Fans nichts anderes übrig, als den Erwartungshorizont herunterzuschrauben.

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Dass sich Neu-Trainer Alfred Schreuder in harten Zeiten zunehmend schützend vor die eigene Truppe stellt, ist kein ungewöhnlicher Reflex: "Auch wenn es komisch klingt, ich bin heute sehr stolz auf die Jungs. Wir haben vorne viele Chancen rausgespielt, aber uns fehlen die Tore. Die Mannschaft hat sich fußballerisch weiterentwickelt." Nach der offiziellen Pressekonferenz legte Schreuder in kleiner Medienrunde den Finger in die Wunde. "Natürlich haben wir uns den Saisonstart anders gewünscht", so Schreuder. Man müsse ruhig bleiben, die Mannschaft brauche Zeit. Und? "Man muss realistisch sein. Die Mannschaft ist dieses Jahr noch nicht so weit, wie wir es gedacht haben." Man wisse doch, was im Sommer passiert sei. Eine Anspielung auf den erfolgten personellen Umbruch? "Ich muss das nicht erklären", sprach der Niederländer leise, aber bestimmt weiter, "das war extrem, oder? Seit ich im März unterschrieben habe, ist viel passiert."

Schreuders Ausführungen, auch wenn sein Deutsch nicht ganz fehlerfrei ist, ließen keinen anderen Schluss zu: Mit dem personellen Aderlass war und ist er nicht einverstanden, offensichtlich ging er von einer anderen Zusammensetzung des TSG-Kaders aus. Die Grundsatzfrage, von Schreuder am Samstag aufgeworfen und von neutralen Beobachtern schon länger gestellt, ist durchaus legitim. Laut transfermarkt.de nahm "Hoffe" knapp 120 Millionen Euro durch Transfers und diverse Leihgeschäfte ein und gab knapp 33 Millionen, inklusive der Leihgebühr für Sebastian Rudy, für acht Neuzugänge aus. Warum also wurde nicht mehr Geld in die Qualität des Kaders reinvestiert?

Tragisch für den "Erben" von Julian Nagelsmann: Fußball-Vorarbeiter Schreuder gilt als schwächstes Glied in der Kette. Es steht in den Sternen, ob die TSG-Verantwortlichen - trotz der unübersehbaren Unwucht - Schreuder genügend Zeit einräumen und Geduld entgegenbringen. Jeder weiß, dass bei weiterhin unbefriedigenden Resultaten die Gesetzmäßigkeiten der Branche über Nacht greifen können.

Vielleicht helfen vor dem "Bonus-Spiel" beim FC Bayern, der anstehenden Länderspielpause und dem nächsten Auftritt am 20. Oktober zu Hause gegen Schalke 04 zwei Bewertungsaspekte: Hoffenheims Heimschwäche hatte bereits unter Nagelsmann in der vergangenen Saison ihren Anfang genommen. Und jeder Trainer, auch Nagelsmann, hätte seine liebe Mühe und Not mit der schwierigen TSG-Personalsituation.

Die Lage zu akzeptieren und eine Positivhaltung zu finden, kann unterdessen ein erster Ansatz zur Besserung sein. Oliver Baumann sprach dies aus: "Wir müssen weiter Vertrauen haben in das, was wir machen."

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