Zorniger Lehrer, ungehorsame Schüler

Nürnberg/Zuzenhausen. Hoffenheims Trainer Markus Babbel verurteilt scharf das Abwehrverhalten seiner Verlierer und muss um seinen Job fürchten

30.11.2012 UPDATE: 30.11.2012 05:51 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Fast ein Eigentor: Nürnbergs Sebastian Polter umkurvt nach dem Geschenk von Marvin Compper (l.) 1899-Keeper Koen Casteels. Foto: APF
Von Frank Enzenauer

Nürnberg/Zuzenhausen. Grauer Schal, dicker Hals. Andreas Müller musste sich aufregen, mal wieder. Wegen "Hoffenheim 32" wurde der gebürtige Stuttgarter zum Wutbürger. Denn unterirdisch ist die Saisonbilanz: 32 Gegentreffer in 14 Bundesligaspielen. Der Manager schluckte und seufzte: "Kann doch nicht sein, dass man solche Gegentore bekommt, das kann doch nicht sein!" Die 2:4 (1:2)-Pleite beim Tabellennachbarn 1. FC Nürnberg resultierte wiederholt aus bizarrem Defensivversagen. Zwei Treffer der "Clubberer" fielen nach Freistößen (nunmehr 14 Mal "klingelte" es schrill bei Standardsituationen), zudem leistete sich Innenverteidiger Marvin Compper ein So-gut-wie-Eigentor, als er den Ball am Strafraum an Sebastian Polter verlor, der dadurch zum entscheidenden 3:1 (70. Minute) einschieben durfte. "Man muss die Bälle auch mal einfach klären, man muss auch mal zu Null spielen", zürnte Müller in der Mixed Zone des Frankenstadions. "Das ist das ABC des Fußballs ..."

Wie ein Lehrer, dessen Schüler trotz dauernder Ermahnungen und Versetzungsgefahr Unfug treiben und ihre Hausaufgaben nicht machen, kommt sich Markus Babbel vor. Verärgert, entsetzt, auch hilflos wirkte der Trainer nach der achten Saisonniederlage und dem Verbleib auf dem Relegationsplatz. Kuschelpädagogik war einmal, Babbel ist mit seiner Geduld am Ende. "Ich habe mich lange schützend vor die Spieler gestellt, aber irgendwann ist auch einmal ein Punkt erreicht, wo ich erwarten kann, dass man die einfachen Sachen, die zum Fußball dazu gehören, zu hundert Prozent erfüllt, auch wenn einer 19 oder 20 ist." Ungehorsamkeit warf der genervte Trainer in der Pressekonferenz zu später Stunde seiner Mannschaft vor: "Da haben sie wieder gedacht: Das machen wir wieder so, wie wir meinen, und wenn das nicht funktioniert, hören wir wieder auf den Trainer. Das langweilt langsam. Da fragt man sich natürlich, was in den Köpfen der Spieler vorgeht."

Ob Markus Babbel (40) noch weitere Hoffenheimer Wutreden halten darf, ist freilich ungewiss. Die Heimpartie am Sonntag (15.30 Uhr) gegen Werder Bremen dürfte Endspiel-Charakter für den Trainer haben. Zu dürftig ist seine Bilanz seit seinem Amtsantritt im Februar dieses Jahres: nur sieben Siege in 28 Bundesligaspielen (obendrein das lächerliche 0:4 im DFB-Pokal gegen den Viertligisten Berliner AK). Und zu enttäuschend ist seine Personalpolitik: Ex-Nationaltorhüter Tim Wiese war bis zu seiner Knieverletzung oftmals ein Vorbeiflieger, Chris hat einen Stammplatz im Reha-Zentrum, Patrick Ochs ist nicht mal mehr im Kader, Eren Derdiyok hat das Temperament einer Schildkröte und Matthieu Delpierre, am Mittwochabend wegen einer Oberschenkelverhärtung zur Halbzeit ausgewechselt, befindet sich nicht mehr auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Noch ist von Gesellschafter Dietmar Hopp kein Machtwort zu hören, doch es ist erwartbar, dass er in seinem Urlaubsdomizil in Florida eine Entscheidung treffen wird, sollte sein "Hoffe" auch gegen Bremen nicht punkten.

"Markus sitzt am Sonntag auf der Bank", sagte Manager Andreas Müller in Nürnberg kurz und knapp zur Trainerdiskussion. Wie Babbel machte er ausschließlich die Mannschaft für die dritte Niederlage in Serie verantwortlich. "Du kannst den erfolgreichsten Trainer der Welt auf die Bank setzen. Aber wenn du so einfache Tore kriegst, muss ich mich als Spieler doch auch mal hinterfragen, ob das sein kann, dass man in der Bundesliga so naiv ist", klagte Müller. Sprach's und stieg in den Teambus. Es waren verdammt lange und ungemütliche 200 Kilometer zurück in den Kraichgau.

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