Weiterhin ein Rätsel

Düsseldorf/Zuzenhausen. 1:1 in Düsseldorf: Tim Wiese patzt und 1899 Hoffenheim präsentiert sich erst lethargisch, dann kampfeslustig

12.11.2012 UPDATE: 12.11.2012 06:47 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Nach wiederholtem Foulspiel musste Marvin Compper (r.) zum Entsetzen von Tim Wiese vom Platz. Fotos: APF
Von Achim Wittich

Düsseldorf. Vor einer Woche hatte Tim Wiese den 3:2-Erfolg von 1899 Hoffenheim gegen Schalke 04 festgehalten. "Wiese endlich ein Riese", titelte daraufhin der Boulevard und die bis dahin wenig erfolgreiche Zusammenarbeit des Ex-Nationaltorwarts mit seinem neuen Arbeitgeber schien sich endlich in die richtige Richtung zu entwickeln. Alles gut!?

Gerade einmal vier Minuten waren am Samstagnachmittag in der Esprit Arena in Düsseldorf gespielt, als Wiese einen gaaaaanz lang geschlagenen Freistoß von Fortune Ronny Garbuschewski in Manier eines Jugend-Torhüters unterlief. Robbie Kruse freute sich und köpfte den Aufsteiger in Führung. Alles schlecht!

Dank des vierten Saisontores von Joselu rettete "Hoffe" beim 1:1 wenigstens ein Pünktchen. Wiese ließ nachher die Medienvertreter zunächst wortlos stehen und verschwand in der Kabine. Ob er wenigstens ein klein bisschen durchgeatmet hat? Ausgerechnet sein Sturmkollege aus der Reserve Real Madrids - die Königlichen hätten Wiese angeblich gerne verpflichtet - bewahrte den fehlerhaften Bergisch-Gladbacher davor, als Sündenbock für eine mögliche sechste Saisonniederlage herhalten zu müssen. Ein echter Anachronismus.

Trainer Markus Babbel und Manager Andreas Müller sahen sich jedenfalls genötigt, ihrem größten Sorgenkind flugs zur Seite zu springen. "Auch wenn der Torhüter mal nicht da ist, darf keiner so unbedrängt einköpfen. Schließlich haben wir eine Zuteilung", meinte Wieses Sportchef Babbel - und fügte hinzu: "Das nervt." Müller legte gleich mal nach: "Der ist völlig blank." Der ehemalige Schalker Abräumer bezichtigte Kruse keinesfalls der Geldknappheit, sondern erinnerte daran, dass Düsseldorfs Goldköpfchen mutterseelenallein Maß nehmen durfte. Doch natürlich wussten beide, dass ihr Torwart diesen Flankenball herunterpflücken musste - und genau das dachten halt auch seine Mitspieler.

Wiese x-ter Patzer hin oder her: Die frisch gestärkten Kraichgauer standen in der ersten Halbzeit und in den ersten fünf Minuten nach der Pause wieder einmal neben sich. "Wir waren nicht so gut im Spiel und in den Zweikämpfen", fand der erneut emsige Kevin Volland. Doch warum nur? Die biederen Rheinländer gaben zwar einen Tag vor dem offiziellen Karnevalsbeginn alles. Garbuschewskis Freistoßknaller in der 32. Minute war aber schon das größte "Helau". Weshalb 1899 nicht mehr entgegensetzte als einen harmlosen Usami-Schuss (9.), einen Volland-Eckball, der keinen Abnehmer fand und den glücklichen Ausgleich (39.) konnte sich Müller auch nicht erklären. "Vielleicht wollen wir alle zu schnell zu viel", mutmaßte er. Doch die "anfängliche Lethargie" der Profis, die er ehrlicherweise eingestehen musste, erklärt das nicht. Diese 1899-Mannschaft ist weiter ein Rätsel.

Dabei sind Wiese und Co. "nicht immer schläfrig" (Babbel). Just in dem Moment, als Innenverteidiger Marvin Compper in der 51. Minute mit Gelb-Rot vom Feld musste, erwachten seine Kollegen. Mit einer ganz anderen Körpersprache ging's fortan zur Sache. Joselu scheiterte am rechten Außenpfosten (61.), um kurz darauf im eigenen Sechzehner zu klären - stark! Sebastian Rudy zeigte Flagge, war ständig anspielbar. Auch prima! Babbel brachte aus taktischen Gründen erst Denis Streker (53.) und später Vincenzo Grifo (77.). "Jugend forscht" hieß das Motto - und alle machten mit. Wiese zeigte bei einem Kracher von Fortuna-Urgestein Andreas Lambertz (85.), dass ihm auf der Linie keiner etwas vormacht. Umso bitterer, dass die 1 000 mitgereisten Hoffenheimer Fans bei jedem hohen Ball vors eigene Tor drei Ave-Maria beten mussten. Alles wie gehabt.

Letztlich war's von fast allen Protagonisten lange Zeit ein Rückfall in überwunden geglaubte Zeiten. Und - wie verrückt - doch gleichzeitig auch ein kleiner Mutmacher für die kommenden Aufgaben gegen Wolfsburg und Leverkusen.

Es besteht auf jeden Fall weiter viel Gesprächsbedarf rund um das Zuzenhausener Schlösschen. Auch heute Abend, wenn sich Beiratsvorsitzender Dietmar Hopp, der von einigen Düsseldorfer Unverbesserlichen wieder gesanglich beleidigt wurde, mit dem einflussreichen Spielerberater und Freund Roger Wittmann sowie Andreas Müller ausgesuchten Fan-Vertretern im SAP-Audimax in St. Leon-Rot zum Dialog stellt. Ein sicherlich in der Bundesliga einmaliger Vorgang. Einmaliges auf dem Platz leistet der international ambitionierte Klub noch zu selten. Allen voran Tim Wiese. Oder braucht alles - ganz im Sinne von Andreas Müller - einfach nur seine Zeit?

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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