Von drei auf zwei auf eins

Koen Casteels, der bei Hoffenheim gegen Hannover 96 seine Bundesliga-Premiere feiert, schwört auf Kickboxen als Fitnesstraining

20.09.2012 UPDATE: 20.09.2012 11:40 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Hoffnungsträger und Wiese-Ersatz: Der Belgier Casteels misst 1,96 Meter. Fotos: APF
Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Von drei auf zwei auf eins - der junge Belgier Koen Casteels ist etwas mehr als ein Jahr bei der TSG 1899 Hoffenheim. Als Perspektivspieler wurde der Flame vom Erstligisten Koninklijke Racing Club Genk aus dem kleinen Örtchen Bonheiden bei Mechelen in den Kraichgau geholt, doch in der vergangenen Saison war er hinter Tom Starke und Daniel Haas die Nummer drei im Tor und agierte vornehmlich in der U 23. Urplötzlich kommt nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Tim Wiese (Muskelfaserriss im rechten Adduktorenbereich) eine Riesenverantwortung auf den 1,96-Meter-Mann zu. Der 20-Jährige wird am Sonntag (17.30 Uhr) im Heimspiel gegen Hannover 96 das Tor des momentanen Schlusslichts hüten. "Ich freue mich darauf und denke, dass ich nicht so viel bei mir ändern muss. Es ist ein Spiel Elf gegen Elf, okay auf Bundesliga-Niveau", sagt Casteels im gestrigen RNZ-Gespräch und lächelt.

Auffällig ist seine nicht aufgesetzt wirkende Gelassenheit. Wenn er die auf dem Posten zwischen den Pfosten gegen die enorm gefährlichen Niedersachsen auszustrahlen vermag, dann braucht niemandem vor der Bundesliga-Premiere des höflichen und sprachgewandten Schlussmannes bange zu sein. Gefragt nach seinen Stärken und Schwächen sagt Casteels über sich selbst: "Ich bin ein Torwart, der mitspielt und viel mit dem Fuß spielt. Die Strafraumbeherrschung ist mein Ding, auch weil ich mit meiner Größe bei Flanken Vorteile habe. Arbeiten muss ich sicherlich noch an meiner Aggressivität."

Dies tut er seit Anfang August. Einmal pro Woche absolviert Casteels eine Zusatzeinheit mit dem Kickbox-Weltmeister Karsten Krüger von Dragon-Sport Sinsheim. Die eineinhalb Stunden sind schweißtreibende Arbeit, so dass Casteels froh ist, wenn er abends in seiner Hilsbacher Wohnung die Glieder auf der Couch von sich strecken kann. Wozu das Aneignen von Handdrehschlägen oder Fußfegern? "Kickboxen hat viel mit Technik zu tun. Es sind schnelle Bewegungen für die Arme und Beine auf sehr kurzer Distanz. Das hilft im Tor", berichtet der "Krüger-Schützling" über die Maloche bei einer dynamischen Kampfsportart. Beim Sparring trägt Casteels selbstverständlich Helm, Mund- und Beinschutz, um keinerlei Verletzung zu riskieren.

Fix muss in der derzeitigen misslichen Lage bei 1899 das gesamte Team sein. Das Abwehrverhalten beginnt bekanntlich im Sturm - und beim 3:5 in Freiburg stimmte in der Rückwärtsbewegung aller Mannschaftsteile so gut wie nichts mehr. "Es hätte auch 7:6 ausgehen können", meint Casteels, "wir hätten viel schneller in unsere Ordnung kommen müssen."

Am Mittwoch hielt Trainer Markus Babbel eine Videositzung ab, die wesentlich länger als gewöhnlich dauerte. Nach dem verpatzten Baden-Derby im Breisgau mangelte es gewiss nicht an Anschauungsmaterial. "Wir müssen daraus lernen und vergessen", so Casteels Grundhaltung zum beidseitigen Fehlerfestival der Freiburger und Hoffenheimer, "und wir müssen uns an die positiven Sachen erinnern."

Die Defensive habe auch einem unsicheren Tim Wiese nicht geholfen, da sei es eben für jeden Torhüter schwer, Bälle zu halten. Schon einmal in dieser Saison hatte Casteels Wiese ersetzt, es war beim Saisoneröffnungsmatch gegen Betis Sevilla (2:1), als er in der zweiten Hälfte reinkam und eine gute Figur machte.

Die Belgier haben eine große Torhütertradition, man denke etwa nur an Michel Preud'homme oder an Jean-Marie Pfaff. Kurios war die Verpflichtung Casteels gewesen, denn zwei nahezu gleichaltrige Torwarttalente standen auf dem Wunschzettel der Hoffenheimer: Koen Casteels und Thibaut Courtois. Das Pikante daran: Sie trugen beide das Genker Trikot. Thibaut wurde vom FC Chelsea gekauft und inzwischen an Atlético Madrid ausgeliehen. Geschätzter Marktwert: 15 Millionen Euro! Von solchen Zahlen ist Casteels, der inzwischen sechs Länderspiele für das U 21-Nationalteam der Roten Teufel ("Rode Duivels") bestritten hat, weit entfernt. Doch ganz klar: Casteels möchte das Trikot mit der Nummer 30 in nicht allzu ferner Zukunft gegen die Nummer eins eintauschen. Babbel vertraut ihm: "Jetzt kann es Koen zeigen."

Als sein Torwart-Vorbild betrachtet der Musikfreund und Hobby-DJ den Holländer Edwin van der Sar wegen dessen Ausstrahlung und Verzicht auf Mätzchen. "Ich liebe die Ruhe", hatte er keinerlei Umstellungsprobleme beim Umzug von Dorf (Bonheiden) zu Dorf (Hilsbach).

Ach ja: Ruhe braucht der gesamte Verein - und weniger Gegentore. Hannover ist zugleich Chance und Risiko für Casteels. Die Nummer zwei weiß das.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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