Süles Kreuzbandriss trübt Hoffenheimer Sieg

Das 3:2 gegen Eintracht Frankfurt hat für die Kraichgauer einen bitteren Nachgeschmack

15.12.2014 UPDATE: 15.12.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden
Schreit vor Schmerzen: Niklas Süle verdrehte sich das Knie gegen Haris Seferovic. Foto: Lörz
Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Pirmin Schwegler hätte allen Grund gehabt, nach einem aufregenden Thriller gegen seine alte Liebe Eintracht Frankfurt in Euphorie zu verfallen. Denn diese Vollgas-Veranstaltung über 92 Minuten bot alles, was das Fanherz begehrt. Fünf Treffer, insgesamt 39 Torschüsse (!) und heiße Zweikämpfe - das letztendliche 3:2 (1:0) für die TSG 1899 Hoffenheim spiegelte eine intensive, emotionale Auseinandersetzung zweier Teams wider, die beide ihr Heil in der Offensive suchen. Doch Schwegler stand am späten Freitagabend in der Mixed Zone, sprach eher bedächtig und wirkte gezeichnet vom Ballyhoo der letzten Woche und dem Wiedersehen mit seinem Ex-Klub auf dem Rasen der Rhein-Neckar-Arena. "Es war ein ständiges Hin und Her, ein Abnutzungskampf, ein tolles Spiel", bilanzierte der erschöpfte Schweizer vor einer Reporter-Runde, die speziell auf ihn gewartet hatte, "dies hat sehr viel Kraft gekostet."

Der 27-Jährige scheint im beschaulichen Kraichgau, der sich erheblich von der Bankenmetropole Frankfurt unterscheidet, endgültig angekommen zu sein. An allen drei Hoffenheimer Toren war der Mann mit der Nummer 16 maßgeblich beteiligt: Bei Vollands 1:0 (43.) inszenierte er den Konter, vor Szalais 2:1 (65.) zog er aus spitzem Winkel ab und beim entscheidenden 3:2 (87.) von Firmino schlug er den Eckball rein. Schwegler erfüllte nahezu perfekt seinen Part als Stratege und Strippenzieher in der kreativen Schaltzentrale. Neben dem Brasilianer Roberto Firmino verdiente sich der Eidgenosse aus Ettiswil die Note zwei.

"Auf des Messers Schneide" sei der achte Heimauftritt gestanden. In der Tat: "Hoffe" besaß das Glück des Tüchtigen. Über einen Elfmeter (22.) - Torhüter Oliver Baumann kam einen Tick gegen Haris Seferovic zu spät - hätten sie sich nicht beschweren dürfen, das 2:1 des Magyaren Adam Szalai war Abseits, und Baumann wurde während der 120 Sekunden dauernden Nachspielzeit noch von Kittel und Seferovic herzhaft geprüft. "Es war unglaublich spannend bis zum Schluss", atmete TSG-Trainer Markus Gisdol durch, "beide wollten unbedingt den Sieg. Wir sind einfach keine Mannschaft für ein 1:0." In eine ähnliche Kerbe schlug Thomas Schaaf. "Wir müssen uns ein bisschen ärgern", sagte der gebürtige Mannheimer vor dem Kabinentrakt leise, aber unüberhörbar nach dem offiziellen Part im Presseraum, "Szalais Tor ist halt Abseits. Und wir haben vergessen, unser eigenes Tor zu verteidigen. Manchmal fehlen die kleinen Prozente." Pirmin Schwegler wagte sich trotz der Frankfurter Enttäuschung in die Eintracht-Kabine. "Ich durfte noch rein", sagte Schwegler augenzwinkernd. Über die Dramatik und kniffligen Szenen eines Fußballspiels vor 28.331 Besuchern wurde indes nicht mehr großartig debattiert, es sei generell ein fairer Umgang untereinander gewesen. "Wir haben dann mehr geflachst", so Schwegler, der den rekonvaleszenten Torhüter Kevin Trapp zu seinen besten Freunden zählt.

Eine nachdenkliche Miene bekam Schwegler beim Thema Niklas Süle. "Ich war ganz nah dran bei ihm", berichtete Schwegler über Süles unglücklichen Sturz nach dem harten Laufduell mit Seferovic. Alles "Hoffen und Beten" (Ermin Bicakcic) der Teamkollegen half dem 19-jährigen Innenverteidiger nichts. Am Samstag stand die Diagnose nach Untersuchungen in der orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg-Schlierbach fest: Riss des vorderen Kreuzbandes im linken Knie. Süle soll heute oder spätestens am morgigen Dienstag operiert werden. "Es tut uns unheimlich leid für Niklas", sagte TSG-Manager Alexander Rosen, "er ist ein toller Junge, der bislang eine hervorragende Entwicklung genommen hat." Am Samstag wagte Süle auf Krücken eine Stippvisite beim Hoffenheimer Auslauftraining. "Es waren sehr emotionale Momente, als er in die Kabine kam", berichtete Kapitän Andreas Beck.

Auch "Hoffes" Cheftrainer, der am Freitag nach Firminos Siegtreffer einen entschlossenen Sprint an der Seitenlinie entlang Richtung Jubeltraube (Gisdol: "Da kannst du keinen Puls messen - Adrenalin bis unters Dach") hingelegt hatte, sagte mit belegter Stimme: "Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Von daher ist der sehr erfreuliche Sieg natürlich extrem überschattet. Das trifft uns alle sehr." Das Saison-Aus für Süle ist bitter, Zeit zum Nachdenken haben die Blau-Weißen freilich nicht. Bereits am Mittwoch (20 Uhr) wird Bayer Leverkusen in der Sinsheimer Arena gastieren. Höchste Konzentration ist gegen die spielstarke Werkself gefragt.

Ein einfühlsames Schlusswort sprach angesichts des Süle-Schocks Schwegler, der als Kleinkind an Leukämie erkrankt war und letzte Saison im Eintracht-Dress sehr großes Verletzungspech (Nasenbeinbruch, Rippenbruch) hatte. "Es war ein Sieg für ihn. Niklas wird von uns jedwede Unterstützung bekommen", so Schwegler. Solche Sätze voller Empathie hört man selten. Schwegler weiß eben haargenau, dass es viel wichtigere Dinge als schöne Ergebnisse im schnelllebigen Profifußball gibt.

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