Mannschaft mit Frustrationshintergrund

Sinsheim. Aufholjagd wird zum Akt der Schadensbegrenzung: 1899 muss sich auf Saisonverlängerung einstellen

18.02.2013 UPDATE: 18.02.2013 13:03 Uhr 1 Minute, 44 Sekunden
Nur traurig: Kevin Volland (l.) und Eren Derdiyok. Foto: APF
Von Roland Karle

Sinsheim. Heurelho Gomes raffte sich als Erster auf. Erhobenen Hauptes marschierte Hoffenheims Schlussmann der Stehplatztribüne entgegen und bedankte sich applaudierend für die Unterstützung der geduldigen Fans. Hunderte hatten bereits die Flucht ergriffen, sie waren am Sonntagabend bedient nach dem trostlosen Kick ihrer Mannschaft. Die wenigen, die noch ausharrten, klatschten zurück. Da flackerte für einen Moment auf, wozu es in den 93 Minuten davor keinen Anlass gab: Zuversicht.

"Wir haben den Bock umgestoßen", diktierte Bruno Labbadia wenige Minuten später ins Protokoll. So erleichtert der Stuttgarter Trainer wirkte, so ungehalten war Marco Kurz. "Tut mir leid", "Stückwerk", "schlechter Auftritt" - der 1899-Trainer bemühte das Vokabular des Enttäuschten.

Nur ein Sieg war Hoffenheim in den letzten elf Spielen gelungen, allerdings flößte auch die jüngste Bilanz des Gegners wenig Furcht ein: Fünf Spiele in Folge hatte der VfB Stuttgart verloren. Es war das Aufeinandertreffen zweier Mannschaften mit Frustrationshintergrund.

Nachdem das Ländle-Derby gespielt ist, steht fest: Die Schwaben sind wieder im Mittelfeld der Bundesliga integriert, während sich Hoffenheim nun bis zum Saisonende im Tabellenkeller eingemietet hat. Auf zehn Punkte ist der Rückstand zum ersten Nichtabstiegsplatz gewachsen. Die Aufholjagd, mit der man den Klassenerhalt auf direktem Wege schaffen wollte, ist zu einem Akt der Schadensbegrenzung geschrumpft.

Der Blick geht nach unten, nicht nach oben. Hoffenheim steht auf Platz 16, das ist der Relegationsrang mit Saisonverlängerungsgarantie. In zwei Spielen wartet dann der Zweitliga-Dritte. Nach heutigem Stand käme es zum Duell gegen den 1. FC Kaiserslautern. Auch Mannschaften wie der 1. FC Köln mit Ex-Trainer Holger Stanislawski, Union Berlin mit dem früheren Hoffe-Keeper Daniel Haas, der FSV Frankfurt oder Energie Cottbus sind noch in der Verlosung.

"Wir müssen einkalkulieren, dass es auch Rückschläge geben wird", sagte Kurz nach seinem Dienstantritt im Kraichgau. Die Niederlage gestern war ganz gewiss ein solcher. Unter der Regie des neuen Trainers stehen vier Punkte aus fünf Spielen. Eine magere Bilanz, die eines Absteigers. Die Defensive ist nicht mehr ganz so anfällig wie unter Vorgänger Babbel, aber im Angriff läuft nur wenig zusammen.

Der Fortschritt ist eine Schnecke in Hoffenheim. Und das, obwohl der Klub in der Winterpause so viel in Neuzugänge investierte wie kein anderer Bundesligist. Gut zwölf Millionen Euro. Mit Gomes, Abraham, Polanski und de Camargo standen gestern vier Zugezogene in der Startelf. Jeder Einzelne von ihnen hat Erstliga-Niveau. Das Problem jedoch: Der 1899-Kader wurde seit Saisonbeginn so heftig durcheinander gewirbelt wie die Glückskugeln bei der Lottoziehung. Da steht nun eine Zufallsgemeinschaft auf dem Platz, die zusammenwachsen muss. Und zwar ganz schnell.

Abstiegsgefahr kennt keinen Aufschub. Das werden die jetzt folgenden bayerischen Wochen beweisen: Nächsten Samstag geht's zum direkten Rivalen FC Augsburg (15 Punkte), vierzehn Tage später zum Schlusslicht Greuther Fürth (12 Punkte). Dazwischen ist Zeit zum Durchatmen - gegen den FC Bayern.

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