Hollywood im Kraichgau

Hoffenheim bietet wieder ein großes Spektakel beim höchst emotionalen 3:3 gegen den SC Freiburg und Salihovic sieht Rot.

26.08.2013 UPDATE: 26.08.2013 00:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden
Von Frank Enzenauer

Sinsheim. Als Stadionsprecher Mike Diehl die offizielle Zuschauerzahl bekannt gab - 24.118 - und seufzend hinzufügte, dass "dieses Spiel mindestens fünftausend Zuschauer mehr verdient hätte", wurde er prompt in seiner Durchsage bestätigt. Mittelfeldakteur Tobias Strobl ballerte an der Freiburger Strafraumgrenze einfach drauflos - und die Kugel flog in den Torwinkel. 3:3! Strobls Kunstschuss (77. Minute) war finaler Höhepunkt eines denkwürdigen Spektakels. Das Fußballfeld als großer Abenteuerspielplatz, auf dem sich junge Männer nach Herzenslust austoben.

"Toll!" Hoffenheims guter Torhüter Koen Casteels kommentierte die Party mit leuchtenden Augen: "Ständig ging es hin und her. Dafür spielt man Fußball, um so was erleben zu dürfen." Kamerad Eugen Polanski war ebenfalls in aufgekratzter Stimmung: "Aus diesem Spiel könnte man einen Hollywood-Film machen."

Der erstklassige Streifen lief vom Start weg auf Hochtouren, schon in der neunten Spielminute tanzten die Emotionen Pogo, als Sejad Salihovic zunächst einen Strafstoß zum 1:0 verwandelte und im Anschluss, beim Feiern, die Nerven verlor und Freiburgs Kapitän Julian Schuster ohrfeigte. Geschubse und Rote Karte. Weitere Aufreger folgten an diesem bunten Nachmittag. Kurz vor der Pause erwischte es Francis Coquelin mit Gelb-Rot, wegen eines angeblichen Fouls an Kevin Volland, dem Schützen des traumhaft schönen 2:1 (25.). Freiburgs Trainer Christian Streich zürnte wegen der Ungerechtigkeit außerhalb der Coaching Zone und wurde daraufhin vom Schiedsrichter auf die Tribüne verbannt. Dort befehdeten sich Hoffenheim-Sympathisanten mit einem Freiburger Journalisten. Und ganz am Ende des Baden-Thrillers erhielt noch Admir Mehmedi einen Platzverweis, weil er dem hektisch pfeifenden Spielleiter Tobias Stieler den Vogel zeigte. Kontrollverlust, hüben wie drüben.

Bei aller Freude an dem Unterhaltungsprogramm hätte sich Hoffenheims Trainer Markus Gisdol mehr Ordnung auf dem Rasenviereck gewünscht, nicht nur bei den Gegentreffern durch Oliver Sorg (13.), Karim Guede (29.) und Sebastian Freis (65.). "Mit gemischten Gefühlen" analysierte also Taktikfreund Gisdol das dritte Spektakelspiel seiner angriffslustigen Mannschaft in Serie.

Dem Publikum waren freilich die abermaligen Punkteverluste einerlei - laut singend und wild klatschend wurde in der Sinsheimer Arena das zweite Remis in dieser Saison gefeiert. Für schöne Augenblicke vergaßen und verdrängten die Fans der TSG 1899, dass ihrem Lieblingsverein die Sünden der Vergangenheit immer noch schwer zu schaffen machen. Die großen Lücken im Zuschauerbereich - eine Woche nach dem 5:1-Triumph beim HSV! - offenbarten, wie sehr der Kraichgauklub Vertrauen verspielt hat in den fürchterlichen, konzeptlosen Vorjahren. Das miserable Personalmanagement belastet das gewandelte Hoffenheim. So entstand jetzt Ärger um die "Trainingsgruppe 2". Vom Team der Ausgemusterten klagt Eren Derdiyok, 25, als erster auf sofortige Wiederaufnahme ins Mannschaftstraining, am Mittwoch soll beim Arbeitsgericht Heidelberg über den Fall verhandelt werden.

Um neue Negativschlagzeilen zu verhindern, streben die Hoffenheimer eine außergerichtliche Einigung mit dem Schweizer Stürmer an. Alexander Rosen, Profifußball-Leiter der TSG, will sich heute mit Juristen beraten, Mäzen Dietmar Hopp wird selbstredend eine entscheidende Rolle spielen. Denkbar, dass der im vergangenen Sommer vom damaligen Trainermanager Markus Babbel verpflichtete Derdiyok Abstriche bei der Ablöseforderung des Vereins verlangt. Sein Vertrag mit der TSG 1899 läuft noch bis Juni 2016, ebenso lange stehen obendrein die aussortierten und teuren Promiprofis Tim Wiese und Tobias Weis auf der Gehaltsliste. Was für ein Theater nach dem Hollywood-Stück!







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