'Drei Punkte zu verlieren': Manager Andreas Müller und Trainer Marco Kurz. Foto: APF
Von Joachim Klaehn
Zuzenhausen. Wir erinnern uns noch gerne an den 5. Dezember 2008. Der FC Bayern München empfing die TSG 1899 Hoffenheim - eine ungeheuer intensive, rasante und brisante Partie, die der FC Ruhmreich im letzten Augenblick noch zu seinen Gunsten drehte. Ibisevic (49.) legte für den Emporkömmling vor, Lahm (61.) und Luca Toni (90.+2) sorgten für den glücklichen Bayern-Sieg. Es war ein Tanz auf der Rasierklinge, wozu der damalige 1899-Trainer Ralf Rangnick im Vorfeld des Spitzenspiels maßgeblich beigetragen hatte: "Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, müssen Sie nach München fahren, wenn Sie guten Fußball sehen wollen, sind Sie in Hoffenheim richtig." Für die Bayern-Granden wie Uli Hoeneß klang dies wie eine Provokation. Und aus der Isarmetropole wurde heftig zurückgekeult ...
"1899? Ich frage mich: Wo haben die sich 100 Jahre lang versteckt?", frotzelte Karl-Heinz Rummenigge. Hoeneß sollte sich gegenüber Sportdirektor Bernhard Peters im Kabinentrakt daneben benehmen und sprach von "Rangnicks linker Schauspieltruppe", als Peters Hoeneß gratulieren wollte. Im DSF-Doppelpass attestierte Hoeneß Rangnick "Größenwahn" und "Besserwisserei". Es flogen die Fetzen, während Bundestrainer Jogi Löw eine verheißungsvolle Zukunft prophezeite und sich "Hoffe" ab 2009/2010 "sehr gut in der Champions League" vorstellen konnte.
Es blieb, wie wir wissen, bei der sensationellen Herbstmeisterschaft 2008. Fußballnostalgiker in hiesigen Gefilden haben nach wie vor ihre helle Freude an derartigen Anekdoten. Doch längst ist der Zauber aus dem Kraichgau verflogen. In Hoffenheim ist alles, alles, alles viel zu schnell gegangen. Nun droht erstmals gar der Abstieg aus dem Oberhaus, der einzige Rettungsanker scheint der Relegationsplatz 16 zu sein.
Das sind die Voraussetzungen vor dem vermeintlich ungleichen Duell am Sonntag (15.30 Uhr, Rhein-Neckar-Arena) in Sinsheim. Während es bei den Münchnern bislang in allen drei Wettbewerben wie am Schnürchen lief, herrscht bei der TSG spätestens seit den wenig schmeichelhaften Vorstellungen gegen den VfB Stuttgart (0:1) und beim FC Augsburg (1:2) Alarmstufe Rot. Enttäuschung ja, Resignation nein - so lässt sich die Stimmungslage beim Dorfverein treffend zusammenfassen. "Die Mannschaft ist in einem Bereich, in dem sie noch nie war", konstatierte Manager Andreas Müller nach dem Rückschlag in Augsburg, und forderte eine Reaktion vor den ausstehenden elf Saisonpartien ein. Müller vor Bayern: "Das ist das leichteste Spiel, das wir haben. Keiner traut uns etwas zu." Trainer Marco Kurz sprach von einem "Bonusspiel", bei dem man sich "keine Gedanken schnitzen" dürfe.
Doch insgeheim hofft das sportliche Führungsduo auf eine Leistungsexplosion, was immer in Sinsheim dabei herauskommen mag. Müllers Grobeinschätzung: "Auch aus einem Spiel gegen die beste Mannschaft Europas kann man etwas ziehen." Falls Hoffenheim gegen den Rekordmeister gut aussähe, könne dies im Hinblick auf den restlichen Saisonverlauf beflügeln. "Wenn viele sagen, man hat gegen die Bayern nichts zu verlieren, dann muss ich widersprechen. Man hat drei Punkte zu verlieren", so Müller kämpferisch.
Auch die Tatsache, dass mit Kapitän Andreas Beck und Mittelfeldmann Eugen Polanski zwei Stammkräfte wegen Gelbsperre fehlen, nimmt 1899 äußerlich gelassen zur Kenntnis. "Besser gegen die Bayern als gegen Fürth", so Marco Kurz pragmatisch. Übrigens: Angeblich sollen die "Kleeblättler" an einer Verpflichtung von Hoffenheims U 23-Coach Frank Kramer (40) interessiert sein. Kramer hatte die Profis interimsmäßig nach der Entlassung von Markus Babbel betreut - und auf die Schnelle (Hamburger SV 0:2, Borussia Dortmund 1:3) leider nicht allzu viel ausrichten können.
Müller und Kurz haben dieser Tage signalisiert, auch im Abstiegsfall weiterzumachen, zumal beide Verträge bis 2014 besitzen. "Ich habe noch keinen Tag bereut, hier zu sein. Ich würde gerne in Hoffenheim bleiben - unabhängig vom Klassenerhalt", sagte Müller dem sid. Ferner stellte er Kompagnon Kurz ein prima Zeugnis aus: "Marco vereint alle im Klub. Er macht eine sehr gute Arbeit, das wird sich auszahlen."
Kurz ist wie allen 1899-Mitarbeitern bewusst, dass Ergebnisse her müssen. Egal gegen wen. Ein Sieg gegen die Bayern würde den Eintrag ins Geschichtsbuch garantieren - bisher gab's drei Remis und sechs Niederlagen. Mit einem Schlag könnte der 3. März 2013 zu einem besonderen Tag werden, um die bösen Gespenster zu vertreiben. Glauben die Kurz-Schützlinge an ein Wunder?