Die TSG entwickelt sich zum Überraschungsei der Liga

Mit kühlem Kopf statt im Hurrastil klettert Hoffenheim in der Rückrundentabelle auf einen Champions-League-Platz.

28.03.2014 UPDATE: 28.03.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
Feier-Abend: Die Hoffenheimer Profis genießen am späten Mittwochabend den 3:1-Erfolg über Hannover 96 vor der Fankurve in der Rhein-Neckar-Arena. Foto: APF
Von Roland Karle

Sinsheim. Präsident Peter Hofmann stand auf dem Rasen, daneben Roberto Firmino mit einem weißen Blumenstrauß. Untrügliche Zeichen, dass es was zu feiern gab. Valentinstag? Geburtstag? Verabschiedung? Kapitän Andreas Beck wusste von nichts, er nahm die Szene nur schemenhaft wahr. "Vor dem Anpfiff konzentriere ich mich völlig auf das anstehende Spiel und blende möglichst alles um mich herum aus", erzählte der Hoffenheimer Abwehrrecke nach der Partie gegen Hannover 96.

Die frohe Botschaft, dass Kollege Firmino seinen Vertrag um zwei weitere Jahre bis 2017 verlängert und gerade sein 100. Bundesliga-Spiel absolviert hatte, erreichte den TSG-Kapitän erst in der Kabine. Es sei "sehr positiv, dass der Club einen solchen Schlüsselspieler halten kann". Ob Beck, neben Salihovic und Herdling dienstältester Hoffenheim-Profi, nun ebenfalls sein Autogramm aufs vorgelegte Arbeitspapier pinselt? "Das ist auch ein Zeichen für Andi", sagt Manager Alexander Rosen, während sich Beck bedeckt hält: "Wir sind im Dialog."

Intensiven Dialog suchte am Mittwochabend auch Markus Gisdol - mit seinen Kickern. "In der Halbzeitpause", ließ Beck wissen, "hat uns der Trainer hilfreiche Hinweise mitgegeben". Dem guten Rat folgte die schnelle Tat. Als Stürmer Anthony Modeste in der 51. Minute nach Firmino-Pass zum 2:1 vollstreckte, war die zuvor vermisste Leichtigkeit plötzlich wieder da. "Wir hatten uns darauf eingestellt, dass es gegen einen taktisch so geschulten Gegner eine zähe Angelegenheit werden könnte", berichtete Beck von den Vorbereitungen auf eine schwere Geburt.

Auf den in der Rhein-Neckar-Arena gern und oft gesehenen Hurrastil mussten die rund 21.000 Zuschauer zunächst verzichten. "Natürlich wollen wir ein fußballerisches Feuerwerk abbrennen, aber es ist auch wichtig, dass wir klug spielen", erklärte Gisdol. Kühlen Kopf bewahren, geduldig sein, den Gegner spielen lassen - diesen Plan hatte er ausgeheckt, um die sonst so konterstarken Hannoveraner mit deren eigenen Waffen zu schlagen. Ein Vorhaben, das nach dem frühen Rückstand durch Andreasen (10.) höchst gefährdet schien.

Dass sich seine Mannschaft, begünstigt durch den schnellen Ausgleich von Polanski (13.), nicht von der vorgegebenen Marschroute abbringen ließ, genoss Gisdol sichtlich und sprach von einem "sehr kontrollierten Sieg".

Ja, wir können auch anders, lautete die Erkenntnis des Abends, von der Statistik untermauert: Der Gegner hatte zwar mehr Ballbesitz (54 Prozent), aber deutlich weniger Chancen (8:20 Torschüsse).

Trotzdem bleibt Hoffenheim das Überraschungsei der Bundesliga. Keine Mannschaft zeigt so unterschiedliche Gesichter und zieht so viele Grimassen. Es genügt ein Blick auf die letzten fünf Spiele: Der Gala gegen Wolfsburg (6:2) folgte der Reinfall auf Schalke (0:4), der verschenkten Partie gegen Mainz (2:4) ein glücklicher Dreier in Leverkusen (3:2), nun der abgezockte Sieg gegen Hannover.

Bei allen Ausschlägen nach oben und unten bleibt sich die Sturm-und-Drang-Gemeinschaft in der Saison 2013/14 treu: Nirgendwo fallen mehr Tore als in Begegnungen mit Hoffenheimer Beteiligung - im statistischen Mittel sind es 4,4. Mit 60 erzielten Treffern bietet der letztjährige Fast-Absteiger die zweitbeste Offensive hinter Meister FC Bayern München (79) und noch vor Borussia Dortmund (59).

Durch den fünften Heimsieg ist Hoffenheim auf den zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation berechtigenden Platz vier geklettert - allerdings nur in der Rückrundentabelle. Das postulierte Ziel, "eine sorgenfreie Saison zu spielen", haben die Kraichgau-Kicker schon nach 27 Spieltagen und vor der Samstagspartie in München eingelöst.

Mehr noch: "Wir wollen Talente integrieren, unseren Fans wieder attraktiven Fußball bieten, neue Zuschauer gewinnen und auf dem bewährten Weg wieder nach vorne kommen." Mit diesem Satz rief TSG-Gesellschafter Dietmar Hopp am 2. April 2013 eine "Rückbesinnung" aus.

Es war der Tag, als Trainer Marco Kurz und Manager Andreas Müller vom Duo Gisdol/Rosen abgelöst wurden. Am kommenden Mittwoch feiern sie Einjähriges. Vielleicht hat ja Präsident Peter Hofmann noch einen Strauß Blumen übrig.

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