Der neue Boss in Hoffe will "gestalten, nicht verwalten"

Peter Rettig will das Dorfklub-Image aufpolieren und verstärkt die Nähe zu den Fans suchen

05.10.2013 UPDATE: 05.10.2013 06:00 Uhr 3 Minuten, 30 Sekunden
Für mehr Offenheit: Peter Rettig im Gespräch mit RNZ-Sportchef Joachim Klaehn. Foto: APF
Von Joachim Klaehn

Zuzenhausen. Peter Rettig (50) trat seinen Dienst als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung beim Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim offiziell am 1. Oktober an. Der eloquente Mann aus dem tiefen Westen, dessen Vertrag bis 2016 läuft, möchte aus den Kraichgauern einen Dorfklub zum Anfassen machen. Vor dem heutigen Duell in Mainz führte die RNZ folgendes Exklusiv-Interview.

"Fußball steht für Werte wie Optimismus, Gemeinschaft, Dynamik" - kommt Ihnen, Herr Rettig, dieser Satz bekannt vor?

Zunächst mal nicht, wieso?

Er stammt von Ihnen ...

Dann kann er ja nicht falsch sein. Fußball steht in der Tat für Dynamik und Leidenschaft, und dafür benötigt man Spieler, die sich mit ihrem Klub identifizieren. Markus Gisdol hat den Optimismus hierher zurück gebracht. Er hat zudem den Begriff der Schwarmintelligenz geprägt, damit also auch den Begriff Gemeinschaft abgedeckt. Und Gisdols Spielsystem ist Hoffenheim-spezifisch, das ist schon sehr dynamischer Fußball, mit viel Druck in der Bewegung nach vorne.

Für welche Werte steht Hoffenheim?

Hoffenheim ist innovativ und mutig. Es war im April eine unglaublich mutige Entscheidung, Trainer Markus Gisdol und Alexander Rosen als jüngsten Bundesliga-Manager zu inthronisieren. Und es war auch mutig, jemanden wie Peter Rettig zu holen (lacht). Wichtig sind die Themen Bodenständigkeit, Stabilität und Kontinuität. Das gilt für das Geschehen auf dem Feld, aber genauso wirtschaftlich betrachtet. Wir nehmen Financial Fairplay sehr ernst. Und Hoffenheim wird künftig für die Geduld stehen, Rückschläge auch mal auszuhalten.

Sie waren bei der TSG seit Februar 2013 als Berater zuständig. Wie kam der Kontakt zustande? Und was waren Ihre ersten spontanen Eindrücke damals?

Marc Kosicke, Geschäftsführer von projekt b, ist ein guter Freund von mir. Projekt b ist eine kleine Agentur, aber mit einem exquisiten Netzwerk, zu dem ich mich auch zählen durfte. Das hat sich bis zu Dietmar Hopp herumgesprochen, der uns kontaktiert hat. Wir sollten analysieren, ob man neue Weichenstellungen vornehmen muss und welche Fehlentwicklungen es bei der TSG gegeben hat. Mein erster Eindruck war eine tiefe Verunsicherung - hier hat keiner gelacht. Die Krisenstimmung war anfassbar. Den Gordischen Knoten haben aber nicht die Konzepte von Rettig und Kosicke, sondern Gisdol und Rosen gelöst. Von diesem Zeitpunkt an war eine ganz andere Stimmung im Haus. In der Mannschaft und in der Geschäftsstelle hat sich ja gar nicht so viel verändert. Wir haben auf dem Schachbrett ein paar Züge gemacht - mit einigen Feinjustierungen an neuralgischen Punkten. Es ging nicht um eine Revolution, sondern eher um Evolution und eine Rückbesinnung auf die Kernwerte der TSG.

Ein neuer Chef bringt neue Ideen mit. An welchen Stellschrauben wollen Sie drehen?

Die jüngere Geschichte des Vereins hat Start-up-Charakter, der sportliche Bereich ist professionell aufgestellt und die anderen Bereiche entwickeln sich nach und nach weiter. Wir müssen die nächsten Schritte in der Vermarktung wagen, den Mitarbeitern mehr Verantwortung geben und in der Kommunikation noch aktiver und souveräner werden. Im Digitalbereich haben wir gut aufgeholt, durch die neue, frei empfangbare 1899-TV-Plattform starten wir eine professionelle Ausstrahlung. Besonders am Herzen liegt mir aber das Thema Fans. Fußball ist sportlicher Wettbewerb, doch wir machen das alles für unser Publikum. Wir haben uns ein bisschen abgeschottet, müssen mehr zu unseren Fans gehen. Ich habe erst kürzlich ein Fanmobil in Auftrag gegeben, um als TSG auf die Menschen zuzugehen, in die Dörfer und in die Region zu fahren. Mit ,Heimspiel Hautnah' haben wir beispielsweise für unsere Fans im Stadion eine besondere Aktion gestartet.

War's für Sie denn von Vorteil, dass Sie als Geschäftsführer durch Ihre Beratertätigkeit eine Vorlaufzeit bei der TSG hatten?

Es hat gedauert, um die Menschen zu verstehen, die Vergangenheit und gewisse Prozesse. Ich wusste, worauf ich mich einlasse. Zwei wichtige Erkenntnisse sind: Erstens, wir müssen hier aus vergangenen Fehlern lernen; zweitens, wir haben hier die richtigen Leute.

Die TSG ist maßgeblich von Gesellschafter und Mäzen Dietmar Hopp geprägt. Welche Kompetenzen und Entscheidungsspielräume haben Sie als Vorsitzender der Geschäftsführung?

Ich bin angetreten, um den Verein zu führen. Der Vorsitzende hat im Zweifel das letzte Wort und die Gesellschafter müssen natürlich Entscheidungen in bestimmter Größenordnung genehmigen. Ich bin hier, um etwas zu gestalten, nicht um zu verwalten.

Aus Ihrer Sicht als langjähriger Coca-Cola-Manager: Was muss geschehen, dass Hoffenheim eine Marke wird?

Hoffenheim soll für Mut, Innovation, Stabilität und Bodenständigkeit stehen - es ist letztlich dieser inspirierende Mix. Und wir müssen nah bei den Fans sein. Wir sind dabei, eine Markenanalyse zu erstellen und haben dafür einen Fragebogen entwickelt. Wir wollen herausfinden, wie uns die Menschen in der 2,4 Millionen Einwohner zählenden Rhein-Neckar-Region sehen. Wir sind bisher eher Silicon Valley als Dorfklub, doch Modernität und dörfliches Umfeld schließen sich nicht gegenseitig aus.

Welches Spiel der Hoffenheimer war denn Ihre persönliche Premiere?

Das Spiel in Dortmund! Seither habe ich fast alle Partien beobachtet. Wir haben ein großes Potenzial im Team. Das Thema Spektakel wird uns weiterhin verfolgen und solange die Mannschaft sich so weiterentwickelt, ist alles gut.

Ein Tipp für das heutige Auswärtsmatch in Mainz?

Ein ganz schweres Spiel. Mainz wird sich auf die Hinterbeine stellen. Ich wage weder eine Prognose noch einen Tipp.

Sie haben aus Ihrer Jugendzeit eine gewisse Vorliebe für Borussia Mönchengladbach. Warum?

Gladbach hat in den 70er Jahren den besten Fußball gespielt. Die Borussen sind sich treu geblieben. Ich bin in Bottrop geboren, doch der dortige VfB Bottrop hat nie zu einem Lieblingsverein getaugt (lacht).

Ihr Vertrag läuft bis 2016. Wo soll in drei Jahren die TSG positioniert sein?

Natürlich in der Bundesliga - und verankert in der Region.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.