Der Anpfiff nach dem Abpfiff

Augsburg. Die "Hoffe"-Fans sind wütend und Manager Müller sieht sich im TV Grundsatzfragen ausgesetzt

25.02.2013 UPDATE: 25.02.2013 06:41 Uhr 1 Minute, 38 Sekunden
Nie mehr 2. Liga? Die Welt steht für die frustrierten 1899-Fans auf dem Kopf. Foto: APF
Von Joachim Klaehn

Augsburg. Das vorentscheidende 2:0 von Vorzeigeprofi Sascha Mölders war gerade gefallen, da passierte im Gästebereich der SGL Arena Bemerkenswertes. Ein Teil der mitgereisten Hoffenheimer Fans drehte ihren Akteuren demonstrativ den Rücken zu. Das ist die Höchststrafe - Liebesentzug. Nach dem Schlusspfiff flogen symbolisch Fäuste und auch so manche unflätige Geste war zu sehen. "Wir haben die Schnauze voll", sangen diejenigen, die 94 Minuten lang tapfer ausgeharrt hatten, voller Wut. 1899-Fahnen wurden eingerollt, ein Transparent "Nie mehr 2. Liga" wurde auf den Kopf gestellt. Auf der Pressetribüne kickte einer der offiziellen Mitarbeiter den Stuhl krachend Richtung Schreibpult. Eine explosive Stimmung herrschte unterm Stadiondach.

Igor de Camargo versuchte dennoch einige seiner Teamkollegen zum bleischweren Gang Richtung Kurve zu animieren. An der Strafraumgrenze blieben die TSG-Profis freilich stehen - Sicherheitsabstand. Im Stehplatzblock des FC Augsburg ging es wenig später hoch her. Frontmann und Stimmungskanone Sascha Mölders ließ es krachen. Der Anti-Held als Held - das Kultmagazin 11 Freunde schrieb über ihn unlängst, er sei der Letzte seiner Art und: "Jede Sekunde seines Spiels erinnert an dreckigen Kreisligafußball."

Die Kontraste hätten am späten Samstagnachmittag zwischen den Tabellennachbarn kaum größer sein können. Augsburg lebt - und "Hoffe"?

Wer sich tags darauf neue Einsichten bei 1899 ersehnt hatte, sah sich getäuscht. Manager Andreas Müller war gemeinsam mit Pressesprecher Holger Tromp nach München gefahren, da er sonntags in der Sport1-Sendung "Doppelpass" Rede und Antwort stehen sollte. Müller räumte bei Moderator Jörg Wontorra ein, er habe am Samstagabend "gar keinen Bock mehr auf Fußball" gehabt. Doch dann fiel jener Satz, der wie eine Bankrotterklärung des Systems rüberkommen musste. "Es ist sicherlich so, dass wir sehr talentierte Spieler haben, da ist Qualität vorhanden. Aber wo ich große Zweifel habe, das ist der Charakter der Mannschaft", sagte Müller und nahm einen tiefen Schluck aus dem Wasserglas. Die "Doppelpass"-Beiträge entpuppten sich als Chronik des Scheiterns.

"Hoffe" hat kein Konzept (mehr), keine Identität, keine eingespielte Mannschaft, die wiederum zu selten Einstellung zeige. Die Experten waren sich in der Bewertung der sportlichen Talfahrt einig und Hansi Küpper (Liga total!) stellte ketzerisch die Grundsatzfrage: "Ist dieses Modell Hoffenheim - ich installiere ein Kunstprodukt in der Fußballlandschaft - gescheitert?" Müller geriet zunehmend unter Rechtfertigungszwang, obwohl er für viele Entscheidungen nicht verantwortlich ist. Ob die TSG 1899 die Relegationsspur erwischt? Seit Samstag überwiegen die Zweifel. Es stehen elf Partien und Chancen aus, das "Bonusspiel" (Marco Kurz) gegen die Bayern am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) in Sinsheim eingerechnet. Der Anpfiff der Fans nach dem Abpfiff ist nur durch maximale Leistungsbereitschaft seitens der Profis zu stoppen. Hoffen wir's für 1899!

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