Bis die "Ultras" Türen streichen, dürfte es noch dauern

Fanprojekt Hoffenheim bilanziert erstmals seine Arbeit und ist mit dem Ergebnis zufrieden - Erfahrungen anderer Projekte nutzen

20.04.2013 UPDATE: 20.04.2013 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Erfahrungen aus der Praxis fürs Fanprojekt: Volker Körensig vom KSC-Fanprojekt schilderte die Herangehensweise in der Fächerstadt. Foto: Kegel
Sinsheim. (tk) Für die einen sind sie öffentliches Geld, investiert in die Umerziehung und Unterhaltung vom Schlägernachwuchs im Stehblock. Für die anderen nachhaltige Präventionsarbeit in einem Bereich, wo man den Bedarf erst beim genaueren Hinsehen erkennt: Fanprojekte im Fußball. Das von 1899 und der Arbeiterwohlfahrt als Träger ist noch jung und will dort und speziell bei der Jugend ansetzen, wo Gewalt, Alkohol, Rassismus und auch Drogen ein Problem werden können. Kosten lässt die Stadt sich das jährlich 15.000 Euro; auch die Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis sind an der Finanzierung beteiligt, außerdem braucht es noch Landesmittel und solche der DFL.

Erste Bilanz wurde jetzt in der Rhein-Neckar-Arena gezogen. Im überschaubaren Kreis aus Vertretern von Fanclubs und -beauftragten von 1899, drei Sinsheimer Stadträten, Oberbürgermeister Jörg Albrecht, Bürgermeister Joachim Bösenecker aus Epfenbach, Awo-Mitarbeitern und des SPD-Landtagsabgeodneten Thomas Funk, zeigte sich Manfred Weißkopf, Geschäftsführer des Awo-Kreisverbands zufrieden über das seit November 2011 Geleistete (wir berichteten mehrfach). "Baff" sei man stellenweise gewesen über Voranschreiten, Unterstützung von Verwaltungs- wie auch von Polizeiseite, und "schnelle Kontakte zur Fanszene". Weißkopf sprach kurz die "kontroversen Diskussionen im Sinsheimer Gemeinderat" an. OB Jörg Albrecht stellte sich hinter die Sache, verwies aber auf die Wichtigkeit, die Finanzierung auf breite Schultern zu stellen und wünschte sich, neben der auch künftigen Zusammenarbeit mit Heidelberg die bislang ausgebliebene Beteiligung der Landkreise Neckar-Odenwald und Heilbronn, "nicht unbedingt monetär aber in der Symbolik." Alexander Wald, 1899-Geschäftsführer und zuständig fürs Fanwesen, fand die Zusammenarbeit "sehr eng" und verwies gleichzeitig auf Fanbetreuer Mike Diehl. "Künftig keine verschiedenen Betreuungs-Lager zu haben", mahnte Wald. Er will die Erfahrungen bestehender Fanprojekte - derzeit um die 50 - nutzen, auch wenn es darum geht, das geplante Fanhaus in Stadionnähe mit Leben zu füllen; was nach Ansicht eines der anwesenden Gemeinderäte kein Spaziergang werden dürfte: Der als beispielhaft präsentierte Karlsruher Fantreff befinde sich in einer Großstadt mit entsprechender Infrastruktur - während die "Hoffe"-Fans aus allen Windrichtungen ins Industriegebiet Süd tingeln müssten. Derzeit sitzt das Fanprojekt in der Werderstraße.

Einen Zwiespalt in der öffentlichen Meinung, wo Fußball nicht immer den von dessen Machern propagierten Stellenwert hat, sah auch Stefanie Jansen, Leiterin des Kreis-Jugendamts: "Was? Dafür geben wir Geld aus? Ist das nicht Vereinssache?" höre sie regelmäßig, selbst im Kollegenkreis, so Jansen, und müsse dann Überzeugungsarbeit leisten. Sie würde deswegen den Terminus "Fanprojekt" gern "als Marke sehen - wie Nutella" und mit Inhalten aus der Praxis der Sozialarbeiter verknüpft, "die mitten in die Fankurve gehen".

Einer von ihnen, Volker Körensig, KSC-Fanprojekt-Leiter seit zwölf Jahren, schilderte die dortige Arbeit ausführlichst, mit vielen eindrücklichen Daten und Fakten und einem Plädoyer fürs Authentische und den Bezug zur Subkultur. 500 Besucher kämen regelmäßig in die seit 1997 bestehende Eirichtung, darunter, so der Streetworker, "70 Prozent Ultras, zehn Prozent Mädchen und junge Frauen, 20 Prozent ,normale Fans'." Im Karsruher Fanhaus werden Choreografien geübt, Fahrten organisiert, Probleme gewälzt; werden Symbol- und Identifikastionsfiguren für den Nachwuchs etabliert, streichen "Ultras" sogar die Stadiontore, wird geredet, gestritten und auch gefeiert - und es gibt sogar Bier. Die 30 bekannt gewaltbereiten "Hooligans" in Karlsruhe, gibt Körensig zu, erreiche man damit aber trotzdem nicht.

"1899 bleibt in der Liga", ließ der 48-Jährige eher beiläufig fallen und endete ehrlich: Es gehe nichts von heute auf morgen, brauche viel Zeit und langen Atem. Trotzdem habe Hoffenheim "die Chance, Fankultur in die Blöcke zu bekommen".

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