Anstrengendes Kopfkino

Sinsheim. Die Hoffenheimer Rettungsaktion bleibt für die 1899-Profis eine Gratwanderung. Dabei mangelt es nicht an Aufbauhilfe der Fans

19.02.2013 UPDATE: 19.02.2013 06:28 Uhr 2 Minuten, 7 Sekunden
Symbolische Unterstützung: 300 Fans standen vor dem Anpfiff am Sonntag für den 1899-Teambus Spalier. Foto: APF
Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Der Zustand, in dem sich alle Spieler, Verantwortliche und Anhänger der TSG 1899 Hoffenheim nach dem weitgehend schnöden Derby gegen den VfB Stuttgart bewegten, war am späten Sonntagabend irgendwo zwischen quälender Leere und emotionaler Wucht angesiedelt. Denn das 0:1 machte es schwer, die Gedanken einigermaßen sinnvoll zu ordnen und dann in passende Worte zu fassen. Auch am Tag danach, beim Auslaufen auf dem Zuzenhausener Trainingsgelände, dürfte sich das anstrengende Kopfkino bei den Hauptdarstellern fortgesetzt haben. Sowie bei den Regisseuren, die außerhalb des Rasenrechtecks alles dafür tun, dass die Vorstellung der Helden stimmt. Jeder Sportler geht in einer solchen angespannten Situation anders mit seinem Gefühlshaushalt um. Der auskunftsfreudige, aber verletzte Mittelfeldmann Sejad Salihovic empfahl seinen Kollegen in der Mixed Zone folgende Sichtweise: "Wenn wir die Köpfe runternehmen, dann haben wir überhaupt keine Chance."

Also Kopf hoch, Hoffenheim!?

Es sagt sich so leicht - und doch ist es seit vorgestern schwerer denn je, zumal die 14. Saisonniederlage fast schon das Ende einer Illusion bedeutet. Angesichts des respekteinflößenden Zehn-Punkte-Abstandes auf den Nichtabstiegsplatz 15 scheint es "nur" noch um die Relegation und eine nervenaufreibende Saisonverlängerung zu gehen.

Besonnen und realistisch betrachtete 1899-Kapitän Andreas Beck die aktuelle Lage der Liga aus dem Hoffenheimer Blickwinkel: "Die Situation ist noch ein Stück schwieriger geworden, aber wir haben es noch in der eigenen Hand und können Platz 16 verteidigen."

Am Abend forderte genau dies Manager Andreas Müller von der Mannschaft bei "Sport im Dritten" im Stuttgarter Fernsehstudio ein. Seine "richtige Wut", die er noch in den Katakomben der Rhein-Neckar-Arena verspürt und facettenreich zum Ausdruck gebracht hatte, war inzwischen wieder auf ein Normalmaß reduziert. Müllers Diagnose des "Patienten Hoffenheim" fiel sachlich aus. Keine Schuldzuweisungen, keine Manöver, keine neuerliche Medienschelte, keine Schönfärberei - das oberste Gebot heißt vor dem ersten "Endspiel" am Samstag (15.30 Uhr) beim FC Augsburg offenbar Ruhe bewahren. Müller platzierte bei Moderator Tom Bartels drei Kernbotschaften. Erstens: Das Team steht ab sofort gehörig in der Pflicht, den Nachweis der Erstligatauglichkeit zu erbringen. "In Augsburg muss sich alles ändern, wir müssen uns um 180 Grad drehen", konstatierte Müller. Zweitens: Dem aktuellen Gespann um Sportchef Marco Kurz wurde demonstrativ der Rücken gestärkt (Müller: "Das Trainerteam macht einen Superjob"). Drittens: Auch wenn's sichtlich schwer fällt in diesem von Dietmar Hopp unterstützten Fußballunternehmen, allmählich muss bei "Hoffe" zweigleisig gedacht und geplant werden. Müller über die Spielerverträge: "Wir können alle Spieler halten, wenn wir sie halten wollen. Aber eigentlich möchte ich mich mit dem Gedanken noch nicht beschäftigen." Bedeckt hielt sich Müller zur Frage nach dem Verbleib von Torhüter Tim Wiese: "Das kann ich ihnen heute nicht beantworten."

Wie dem auch sei: Noch ist Hoffenheim nicht verloren, hat es selbst in Füßen und Händen, die Rettungsaktion versöhnlich zu gestalten.

An Aufbauhilfe von außen mangelt es nicht. Am Sonntag sprachen vor dem Anpfiff 300 Fans den leidgeplagten Profis Mut zu, leisteten symbolisch Beistand, als der Teambus ins Stadion fuhr. Hinterher bekannte Marco Kurz entwaffnend ehrlich: "Das war ein phantastischer Empfang. Leider haben wir es nicht geschafft, den Funken überspringen zu lassen. Wir müssen uns für unsere schlechte Leistung entschuldigen." Es gelte, der Angst zu begegnen und diese zu meistern. Das Kopfkino wird unter Umständen bis Ende Mai andauern. Ob's ein Happy End oder ein Ende mit Schrecken gibt - diese Spannung müssen sie aushalten.

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