2:3 gegen Hertha: Hoffenheim fehlt ein verlässlicher Fixpunkt

Hoffenheim leistet sich beim 2:3 gegen Hertha BSC erneut hanebüchene Abwehrschnitzer und kassiert einen herben Rückschlag.

11.11.2013 UPDATE: 11.11.2013 05:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
Knockout: Ramos (links) erzielt gegen Beck, Vestergaard und Casteels das 2:3. Fotos: APF
Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Die Schlüsselszene in der 84. Minute hatte Symbolcharakter: Der aufgerückte, unbedrängte Außenverteidiger Peter Pekarik schlug eine lange und hohe Flanke in den Fünfmeterraum, doch weder Torhüter Koen Casteels noch Jannik Vestergaard und Andreas Beck fühlten sich für den am langen Pfosten lauernden Adrian Ramos zuständig, so dass der Kolumbianer zum Siegtreffer per Kopf vollendete. Der Abwehrschnitzer besiegelte am Samstag die 2:3 (0:1)-Niederlage der TSG 1899 Hoffenheim gegen den rundum kompakten Aufsteiger Hertha BSC Berlin, der sich den ersten Auswärtserfolg in dieser Saison redlich verdient hatte.

TSG-Trainer Markus Gisdol wirkte bei der Nachbetrachtung sehr nachdenklich. "Solche Gegentore sind zu einfach und zu billig", sagte Gisdol, "diese Szenen kommen einfach zu häufig bei uns vor." Die Defensivschwäche ist wie eine Blaupause. Insgesamt 28 "Kisten" hat das anfällige Kollektiv der Kraichgauelf bis dato kassiert, was einen Schnitt von 2,33 Toren bedeutet. Ob dies eine starke Abteilung Attacke dauerhaft zu kompensieren vermag, darf zumindest angezweifelt werden.

Das Pendel zwischen Hurrafußball und "Oh weh, oh weh"-Aktionen schlägt beim Dorfklub seit einigen Wochen zu heftig aus. Was nutzen da all die Lobeshymnen nach den vielversprechenden Vorstellungen gegen Topteams wie Bayer Leverkusen oder Bayern München, wenn beim vermeintlichen Pflichtprogramm die geistige Frische und nötige Inspiration fehlen?

"Hoffe" hatte vor 25.078 Zuschauern in der Rhein-Neckar-Arena zu wenig anzubieten. Eine knappe Stunde lang agierten die Hausherren einfallslos und ohne jegliche Durchschlagskraft. Die klar strukturierten und taktisch klug eingestellten Berliner kontrollierten eindeutig das Geschehen. "Uns hat der Spielwitz gefehlt", monierte Joker Sven Schipplock hinterher.

Erst nach dem 0:1 (13.) von Änis Ben-Hatira und dem unberechtigten Strafstoß von Ramos zum 0:2 (53.) besannen sich die Hoffenheimer ihrer Tugenden und bliesen energisch zur Aufholjagd. Ein ebenfalls umstrittener Foulelfmeter (Langkamp an Schipplock) ließ den Glauben zurückkehren. Salihovic (70.) verwandelte in gewohnt sicherer Manier - und setzte mit seinem Freistoß zum 2:2 (81.) sogar noch einen drauf.

Nun schien alles möglich zu sein. Einmal mehr erwies sich in dieser Phase die entstandene Euphorie als Fluch und Segen. "Wir sind aufs Ganze gegangen und wollten unbedingt die drei Punkte", räumte Niklas Süle, neben Sejad Salihovic der auffälligste Protagonist im blauen Trikot, offenherzig ein.

Eine Grundhaltung mit Risiken und Nebenwirkungen - und die eben den endgültigen Knockout von Ramos nicht unerheblich begünstigte.

Sehr wahrscheinlich sind die Hoffenheimer Probleme tiefschürfender als vermutet. Insbesondere die Sechserposition erwies sich gegen die aggressiven Herthaner als Baustelle. Es fehlt "Hoffe" ein verlässlicher Fixpunkt. Strobl, Polanski und Rudy sind vornehmlich defensiv ausgerichtet, die taktische Umstellung mit Salihovic als Linksverteidiger bringt an zentraler Stelle einen Verlust an Ideenreichtum mit sich. Die TSG bewegt sich diesbezüglich auf einem schmalen Grat, erst recht, wenn Ballvirtuose Roberto Firmino im herbstlichen Tief steckt, Tarik Elyounoussi robuster sein müsste und Kevin Volland als Mitgestalter von der Ligakonkurrenz auf Schritt und Tritt verfolgt wird.

Gisdol sind die Kollateralschäden in der Schaltzentrale nicht entgangen. "Ich habe die Variabilität in unserem Aufbauspiel vermisst", sagte der TSG-Cheftrainer. Die Crux ist: Gisdol, Rosen und Co. können im Mittelfeld an wenigen Stellschrauben drehen, die Macher leiden gewissermaßen an den Spätfolgen der letztjährigen Personalpolitik, die den jungen Bundesliga-Klub in bedrohlichen Kontakt zur zweiten Liga führte.

Eine Habachtstellung sowie ein schleunigst einsetzender Lernprozess sind nach dem Rückschlag gegen Hertha sicherlich nicht verkehrt. "Hoffe" hat nur einen Pluspunkt mehr als zum gleichen Zeitpunkt der Saison 2012/2013 unter Markus Babbel. Und die bisherige Heimbilanz (ein Sieg, drei Unentschieden, drei Niederlagen) ist schwach. Von Abstiegskampf kann noch keine Rede sein. In Augsburg, gegen Bremen und in Frankfurt besteht die Chance zur Kurskorrektur. Freilich gehört die Blaupause dieser Saison endlich in den Papierkorb.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.