1899 Hoffenheim ist weiterhin für beste Unterhaltung gut

Es bleibt dabei: Dieses Hoffenheimer Team ist kaum einzuordnen, zeigt brillante Ansätze und leistet sich haarsträubende Fehler. Geht das Spektakel am morgigen Mittwoch gegen Hannover weiter?

25.03.2014 UPDATE: 25.03.2014 05:00 Uhr 2 Minuten, 19 Sekunden
Netzkontrolle: Siegtorschütze Anthony Modeste jubelt auf die besondere Art. Foto: Voss
Von Achim Wittich

Leverkusen/Hoffenheim. Markus Gisdol hat 1899 Hoffenheim nicht nur vorm sicher geglaubten Bundesliga-Abstieg gerettet, sondern auch zu der - wir lassen die "Über-Bayern" einmal außen vor - unterhaltsamsten Fußball-Mannschaft in Deutschlands Elite-Kreis gemacht. "Die spielen ja so bescheuert", konnte es auch die bildhübsche Pressefotografin und Leverkusen-Sympathisantin am späten Sonntagabend nicht fassen, dass der Dorfverein dem Pillenklub eine schwere Migräne zugefügt hatte.

Es bleibt dabei: Dieses Hoffenheimer Team ist kaum einzuordnen, zeigt brillante Ansätze und leistet sich haarsträubende Fehler. Hat unglaubliches Offensivpotenzial und verfällt doch immer wieder in alte und gefährliche Verhaltensmuster. Unterm Bayer-Kreuz war es nicht viel anders. Nach einer kämpferisch und taktisch hervorragenden ersten Halbzeit gehörte anschließend gegen die zwar verbesserten, aber sichtlich angeschlagenen Werksfußballer beim 3:2-Coup eine kräftige Portion Glück und ein starker Torwart Jens Grahl dazu, um Kießling und Co. nicht doch noch aus der sportlichen Krise zu helfen.

Modestes spätes Siegtor schätzten dann auch die Sieger realistisch ein. "Von einem verdienten Sieg zu sprechen, wäre übertrieben", lag der Direktor Profifußball Alexander Rosen goldrichtig. "Wir haben fünf bis sechs Spiele unglücklich verloren, da darf man auch mal glücklich gewinnen. Es war aber nicht unverdient meinte Casteels-Vertreter Jens Grahl. Ohne ihn wäre der erste Sieg im zwölften Duell gegen den Champions-League-Vertreter gewiss nicht möglich gewesen. Es gibt für Gisdol keinen Grund, Grahl morgen (20 Uhr/Rhein-Neckar-Arena) gegen Hannover 96 wieder aus dem Kasten zu nehmen.

Nach dem Schlusspfiff von Schiedsrichter Jochen Drees aus Bad Kreuznach, der den Hoffenheimern bei seiner Elfmeterentscheidung freundlich gesinnt war - und der auch beim legendären Abstiegsendspiel in Dortmund die Pfeife im Mund hatte - schritt Gisdol zu einer bemerkenswerten Tat. Der TSG-Coach ging auf Phantomtorschütze Kießling zu und zog dann einen Schluss-Strich unter den Aufreger vom Oktober 2013. "Wir sollten die Situation aus dem Hinspiel abhaken", sprach Gisdol zum viel Geächteten und teilte diesem mit, dass er ein "toller Fußballer und Mensch sei, der hoffentlich bald wieder befreit aufspielen könne". Eine starke Leistung.

Weniger stark fand Gisdol dann allerdings, dass seine Sieger die Vergangenheit doch nicht ganz ruhen lassen konnten. So sprach Kevin Volland von "ausgleichender Gerechtigkeit". Und die Gesänge der 300 mitgereisten Anhänger ("Ohne Kießling fahr'n wir zur WM") hätte Gisdol wohl lieber ebenfalls überhört.

Mit diesen kleinen Schönheitsfehlern kann 1899 jedoch sicher leben. Denn natürlich stellt Alexander Rosen richtig fest: "Wir haben zwar einen Punkt mehr als in der Vorsaison nach der kompletten Spielzeit und 32 Punkte geben uns etwas Luft. Aber reichen tut das nicht." Ganz Unrecht hat er damit nicht. Zwar kriechen die akut gefährdeten Klubs im Schneckentempo im Abstiegskeller umher (und nehmen sich wöchentlich gegenseitig die Punkte ab), doch auch bei neun Zählern Vorsprung auf den Relegationsplatz ist weiterhin eine gewisse Vorsicht angebracht. Die Geschichte des jüngsten Abstiegs der Düsseldorfer Fortuna ist noch in allzu frischer Erinnerung. Zum gleichen Zeitpunkt Ende März 2013 hatten die "Unglücklichen" auch neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang - die TSG wurde abgeschlagen als 17. notiert (20 Punkte) - und holten anschließend nur noch ein Remis.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt, möchte man meinen und schon an diesem Mittwoch sollten die Kraichgauer noch entspannter durchatmen können. "Wir müssen nachlegen und sind guter Dinge", sagte Tobias Strobl nach überstandener Dopingkontrolle im Bauch der BayArena. Es hatte ein bisschen gedauert, bis der Innenverteidiger die geforderte Urinprobe abgeben konnte.

Nicht bis zum letzten Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig am 10. Mai wollen er und seine Kollegen noch warten, bis 1899 die weitere Klassenzugehörigkeit gesichert hat. Das klappt sicher.

Und wenn Gisdols Team weiter so "bescheuert" spielt, könnte es am Samstag in München richtig lustig werden. Ein 5:5 täte den Bayern doch nicht weh.

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