1899 Hoffenheim: Kühler Kopf, brennendes Herz im Abstiegskampf

Nach dem 2:1 über den FC Ingolstadt ist die TSG Hoffenheim fast am Ziel angelangt - Joker Nadiem Amiri erfüllt Torversprechen

01.05.2016 UPDATE: 02.05.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 42 Sekunden

Außer Rand und Band: Hoffenheims Siegtorschütze Nadiem Amiri (l.) kann vom eisernen Kämpfer Ermin Bicakcic (r.) kaum eingefangen werden. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Abpfiff in der Rhein-Neckar-Arena, Samstagnachmittag, 17.20 Uhr: Ausgelassene Freude herrscht bei der TSG 1899 Hoffenheim nach dem knappen, aber aufgrund der Steigerung in der zweiten Halbzeit verdienten 2:1 (1:1) über den bereits geretteten Aufsteiger FC Ingolstadt. "Hoffes" Profis tollen auf dem Rasen herum wie kleine Kinder, an der Seitenlinie umarmen sich Trainer, Betreuer, Vertreter der Medienabteilung bis hin zu Busfahrer Matthias Bauer. Im Anschluss daran bilden die Hoffenheimer einen großen Arbeitskreis, Cheftrainer Julian Nagelsmann hält eine kurze Ansprache und in der Fan- und Bierkurve singen sie "Amiri, oho, Amiri, oho".

Hintergrund

Einzelkritik

Baumann: Top! Retter u.a. gegen Lezcano (11.), Hartmann (54.), Groß (70.) sowie Morales (73.).

Rudy: "Taktikopfer I". Sollte als Außenverteidiger Räume schaffen. Zentral ist er für die TSG

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Einzelkritik

Baumann: Top! Retter u.a. gegen Lezcano (11.), Hartmann (54.), Groß (70.) sowie Morales (73.).

Rudy: "Taktikopfer I". Sollte als Außenverteidiger Räume schaffen. Zentral ist er für die TSG wertvoller.

Bicakcic: Gezeichnet im Getümmel. Danach besonders motiviert. Strittige Elfmeter-Szene (54.) gegen Lex.

Süle: Stellungsfehler beim 0:1. Sonst stets da, wenn’s brenzlig wurde.

Toljan: Hinten meist auf der Hut, nach vorne nicht ballsicher genug.

Polanski: Malocher im Mittelfeld.

Strobl: Abräumerqualitäten. Ihm mangelt es leider an Kreativität.

Uth: Cool beim 1:1. Siebter Saisontreffer. Die zweite Riesenchance (58.) muss er reinmachen, wie er selbst weiß.

Ochs: Sehr bemüht. In Zweikämpfen ist sein Verhalten ausbaufähig.

Volland: Schuftete enorm für den Ligaverbleib - und seinen Marktwert. Hoffentlich kann "Hoffe" ihn halten.

Kramaric: Scheiterte beim Elfer (53.) an Nyland. Diesmal schwächer.

Amiri: "Taktikopfer II". Energiebündel und ekstatischer Jubler.

Kaderabek: Brachte Schwung in die Bude. Leitete mit Volland das 2:1 ein.

Schwegler: Strukturgeber. jog

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"Ich habe ihnen gratuliert und gesagt, dass wir noch nicht gerettet sind. Über allem steht nämlich der Klassenerhalt", verriet Nagelsmann später. Für den Dorfverein aus dem Kraichgau ist das Happy End nach einer turbulenten, phasenweise total verkorksten und seit Mitte Februar überragenden Saison zum Greifen nah. Ein Pünktchen aus den Abschlusspartien in Hannover und zu Hause gegen Schalke 04 dürfte schon genügen.

Klassenkampf erfolgreich zu gestalten, geht eben nur mit besonderen Typen und besonderen Momenten. Da war einmal mehr Torhüter Oliver Baumann, der gleich ein halbes Dutzend Großchancen der Ingolstädter zunichte machte. Bestnote eins für die beiden Einser: Baumann und sein Gegenüber Örjan Nyland waren die auffälligsten Protagonisten eines intensiven Auf und Abs vor 26.561 mitfiebernden Zuschauern. "Oli spielt sehr ruhig und sehr konstant. Er hält Bälle, die eben nicht jeder hält", so Nagelsmanns Lob an den Ex-Freiburger, der wahrscheinlich "seinen" Sportclub ab Sommer wiedertrifft. "Freiburg ist auf jeden Fall schon durch, wir hingegen sind unserem Ziel einen Schritt näher gekommen", befand Baumann mit einem schelmischen Grinsen. Sicherheitshalber fragte er bei den Medienvertretern nach: "Wir sind noch nicht durch, oder?"

Matchwinner war vorgestern erneut Nadiem Amiri. Wie unlängst beim 2:0 bei Eintracht Frankfurt füllte der 19-Jährige die Jokerrolle perfekt aus. "Ich war ein bisschen sauer auf den Trainer", räumte Amiri ein. Nagelsmann habe die Maßnahme taktisch begründet, "weil er einen Krieger von der Bank braucht", berichtete der junge Mann mit afghanischen Wurzeln. Konfrontiert mit den Aussagen seines Schützlings, der nach den Treffern von Lex (17.) und Uth (37.) das entscheidende 2:1 (84.) nach Vorarbeit von Kaderabek und Volland besorgte, reagierte Nagelsmann betont gelassen. "Ich würde eher von Kämpfer als Krieger reden", sagte Nagelsmann überlegt, "wenn ein Spieler nicht so gut auf mich zu sprechen ist, reinkommt und ein Tor schießt, dann freut das einen als Trainer. Nadiem hat wie in Frankfurt den Faktor Emotion aufs Feld gebracht."

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Aufregende Szenen und knallharte Zweikämpfe gab’s genug. Zur "Leidfigur" wurde Innenverteidiger Ermin Bicakcic. Nach einem Kopfballduell und Ellenbogencheck von Benjamin Hübner (14.) hatte Bicakcic ein blutüberströmtes Gesicht, musste erst mit vier und nach den spannenden 93 Minuten mit sieben Stichen vom "Doc" an der Stirn genäht werden. "Ich sah aus wie ein Zombie", hatte der Abwehrrecke in der Mixed Zone seinen Humor wieder gefunden, "das war ein dreckiges Spiel und ein wichtiger Sieg. Diese drei Punkte waren die beste Medizin für mich."

Das 0:1 von Lex verpasste Bicakcic neben dem Kasten von Oliver Baumann, als er von Hoffenheims Arzt Dr. Ralph Kern medizinisch betreut wurde. Er wandelte - wie alle TSGler - seine Wut in positive Energie um. Die Blauen, das war insbesondere nach den Einwechslungen von Kaderabek und Amiri zu spüren, wollten das Erfolgserlebnis einen Tick mehr als die kompakten und fußballerisch variablen Audi-Städter. Und sie rackerten letztendlich auch für ihre verletzten Kameraden Steven Zuber und Fabian Schär. Das Trikot von Zuber mit der Rückennummer 17 hatte seinen festen Platz in der Kabine und auf der TSG-Bank. Bei Amiris orgiengleichem Jubellauf wurde die "17", von Ersatzkeeper Jens Grahl überreicht, zum zentralen und markanten Symbol. "Ich habe Steven am Freitag schon geschrieben, dass ich für ihn treffe", so Amiri voller Freude über sein Torversprechen.

Die "Nagelsmänner" sind auf einem guten Weg, ab 26. August in ihre neunte Erstliga-Runde der Vereinshistorie zu starten. Basis für die Rettungsaktion ist vor allem die formidable Heimbilanz unter dem Trainer-Novizen. Das 2:1 gegen Ingolstadt bedeutete den fünften Dreier im sechsten Spiel vor eigener Kulisse. Imponierend. Nagelsmann empfiehlt seinen "Jungs", einfach so fokussiert weiterzumachen: "Wir müssen mit kühlem Kopf und brennendem Herz spielen. In dieser Kombination werden wir den nötigen Punkt holen."

Am Samstag ist Anpfiff bei Absteiger Hannover 96. In der HDI-Arena sollte der allerletzte Schritt ins Hoffenheimer Glück getan werden. Jubel, Trubel, Heiterkeit ab 17.15 Uhr inklusive!?

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