1899-Kapitän Kevin Vogt im RNZ-Interview

"Vor Weihnachten alles rauspfeffern"

Vogt über die Ziele der TSG, Kollege Benjamin Hübner und ein besonderes Telefonat mit 1899-Trainer Julian Nagelsmann

21.11.2018 UPDATE: 22.11.2018 06:00 Uhr 4 Minuten, 26 Sekunden

Mit der Binde am Arm Antreiber auf dem Feld, mit viel Erfahrung Wortführer in der Kabine: Hoffenheims Kapitän Kevin Vogt. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Zuzenhausen. Als Kapitän führt Kevin Vogt die TSG Hoffenheim aufs Feld. Nach der Länderspielpause hat sich der 27-Jährige Zeit genommen, um mit der RNZ über seinen Traum von der Nationalmannschaft, die Ergebnisse der TSG, aber auch über leere Akkus und den angekündigten Abschied von Trainer Nagelsmann zu sprechen.

Kevin Vogt, am Montag hat die Nationalmannschaft einen 2:0-Vorsprung gegen die Niederlande noch verspielt. Hätte es mit Ihnen zum Sieg gereicht?

(grinst) Ich war nicht dabei. Deshalb kann ich das nicht beantworten.

Schlummert in Ihnen weiter der Traum, einmal für Deutschland zu spielen?

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Da gibt es nur eine klare Antwort von mir: Ich muss mich über Leistung empfehlen. Wenn ich die vergangenen zwei Jahre Revue passieren lasse, waren da gute Leistungen dabei, auch über einen längeren Zeitraum. Ich versuche, so weiterzumachen, und dann wird man sehen, ob ich eines Tages eine Einladung erhalte.

Welche Schulnote würden sie wettbewerbsübergreifend Ihrer Leistung und vor allem die der Mannschaft bis zum heutigen Zeitpunkt der Saison geben?

Wettbewerbsübergreifend kann man da keine Schulnote vergeben. Im ersten "Spieleblock" der Saison haben wir fußballerisch gut angefangen, aber nicht die richtigen Ergebnisse erzielt. Jetzt, im zweiten Block, haben wir sehr gut gepunktet. Im Vergleich zur vorigen Saison ist das ein großer Fortschritt, weil wir damals genau in dieser zweiten Phase in ein kleines Tief gefallen sind. Aktuell sind wir echt gut unterwegs.

Kam die Länderspielpause also zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt?

Ganz ehrlich: Mir persönlich tat die Pause sehr gut. Nach den Spielen in Lyon und gegen Augsburg habe ich gemerkt, dass der Akku ziemlich leer ist. Jetzt war es schön, ein paar Tage etwas anderes zu machen, wie zum Beispiel Weihnachtsgeschenke einkaufen. Der Rückenwind für uns ist aktuell noch genauso stark wie vor der Pause.

War der Akku mehr im Kopf oder mehr in den Beinen leer?

Nach dem Lyon-Spiel waren es auf jeden Fall die Beine. Das war mit zehn Mann eine regelrechte "Schlacht", in die wir körperlich alles reingeworfen haben. Aber natürlich ist der Kopf ein ganz elementarer Punkt: Meiner Meinung nach liegt die größte Kunst darin, sich emotional alle drei Tage auf das gleiche hohe Level zu bringen, was du in jedem Spiel brauchst.

Tun Sie etwas Spezielles, um den "mentalen Akku" zu laden?

Mir hilft da eine klare Trennung: Wenn ich ins Trainingszentrum komme, beschäftige ich mich nur mit Fußball. Aber sobald ich hier vom Hof fahre, habe ich mit Fußball nicht mehr viel zu tun und beschäftige mich mit vielen anderen Dingen.

Zum Beispiel?

Ich komme ja aus dem Ruhrpott, mit meinen Kumpels von dort unterhalte ich mich zum Beispiel über deren Tag: Was sie sich zu Weihnachten wünschen oder was sie ihrer Freundin kaufen. Fußball ist da gar nicht so präsent.

Sie haben kürzlich gesagt, wenn Sie für einen Tag mit jemandem tauschen könnten, dann mit Benjamin Hübner. Warum?

Wenn ich sein offensives Kopfballspiel hätte, hätte ich in dieser Saison schon drei Tore gemacht, und wenn ich seinen linken Fuß hätte, wäre ich auch ganz froh (lacht). Nein, aber wir verstehen uns auch privat sehr gut. Er hat einen ähnlich trockenen Humor wie ich. Über seine Sprüche kann ich richtig gut lachen. Als er jetzt so lange fehlte, habe ich auch versucht, ihm so gut es geht zur Seite zu stehen. An ihm hat diese Sache natürlich extrem gekratzt, zumal er lange nicht wusste, was er überhaupt hatte. Jetzt freue ich mich, wenn er wieder neben mir spielt, weil das zwei Jahre lang richtig gut geklappt hat.

Was kann man im dritten Block von der TSG erwarten?

Wir sind jetzt hungrig nach vier Siegen in Folge. Mit einem weiteren hätten wir unseren Rekord von vor zwei Jahren gebrochen. Es gibt keinen Grund, vom Gas zu gehen. Jetzt vor Weihnachten können wir noch mal alles rauspfeffern, dann haben alle - auch die Nationalspieler - mal ein bisschen Zeit, die Füße hochzulegen. In der Champions League haben wir es nicht mehr selbst in der Hand, das ist ärgerlich. Aber wir wollen jetzt unbedingt unseren ersten Dreier in der Königsklasse, es kribbelt - und es ist einfach an der Zeit.

Inwieweit beeinflusst das Spiel gegen Donezk am Dienstag schon die Bundesligapartie am Samstag in Berlin?

Ich glaube, das können wir ganz gut trennen. Und jetzt muss ich wieder an meinen Vater denken (lacht). Der ruft mich immer an und sagt: ,Und Junge, gegen wen geht‘s am Wochenende?‘ Wir spielen in Nürnberg und er sagt: ,Oh, Nürnberg, das ist aber schwer.‘ Zwei Wochen später ruft er wieder an, wir spielen in Bremen, und er sagt: ,Oh Bremen, das ist aber schwer.‘ Und ich sage jedes Mal: ,Ja, Vater, alle Spiele sind schwer, es gibt kein einfaches Spiel.‘ Deswegen tun wir gut daran, dass wir uns voll auf Berlin konzentrieren. Zuletzt sahen wir auswärts immer gut aus, das wollen wir weiterführen. Da sind wir gallig drauf.

Ihre Antworten sind reflektiert. Gab’s eine spezielle Medienschulung oder bringt das die Erfahrung mit sich?

Ich bin halt ein "Ruhrpottler", habe meine Meinung und versuche, diese vernünftig wiederzugeben. Deutsch war auch das einzige Fach in der Schule, in dem ich mal gelobt wurde - ach so, und Sport (lacht). Aber natürlich kommt das auch mit zunehmender Erfahrung - mit dem Alter wird man reifer und auch entspannter.

Wäre ein Überwintern in der Europa League eine Enttäuschung?

Dann wäre das Minimalziel für uns erreicht, dass es international nach dem Winter weitergeht. Und das wäre nichts, wofür sich die TSG Hoffenheim schämen müsste.

Haben Sie Respekt vor der Zeit nach Julian Nagelsmann?

Dass Julian ein außergewöhnlich guter Trainer ist, steht außer Frage. Aber ich glaube nicht, dass die Leute nach seinem Weggang hier mit Angst zur Arbeit kommen müssen, dass alles den Bach runtergeht. Andere Trainer haben auch ihre Ideen, Philosophien. Wir haben absolut kompetente Leute in der Führungsetage, die mehrfach beweisen haben, dass sie ein gutes Händchen haben.

Wie war der Moment, als der Trainer sie über seinen Abschied informierte?

Ich weiß noch genau, wo das war: Im Hotelzimmer in New York - meine Freundin hatte damals in den USA ein Auslandssemester und ich war im Sommer bei ihr. Julian hatte mich angerufen. Das war für mich ein schönes Zeichen, dass der Trainer mich bei seiner Entscheidung mit ins Boot geholt hat. Ich war nicht überrascht, dass er sich so früh positioniert und hielt es nach kurzem Überlegen für eine smarte Lösung: Somit war jeglichen Spekulationen vorab der Wind aus den Segeln genommen.

Ihre Freunde und Ihre Familie sind vermutlich bereits am 22. Dezember im Weihnachtsmodus. Sie spielen am 23. abends noch Fußball.

Deswegen muss ich vorarbeiten, meine Geschenke unter anderem für meine beiden Neffen rechtzeitig besorgen (lacht). Tatsächlich haben wir uns in der Mannschaft kurz darüber geärgert und geflachst - wir hätten mit dem Spiel ja auch am Freitagabend dran sein können. Aber es ist nach wie vor ein Privileg, Bundesliga zu spielen. Und da spiele ich gerne auch am 23. Dezember um 18 Uhr.

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