1899 Hoffenheim

Wie die TSG-Kicker ihrem neuem Coach beinahe die Premiere verderben

"Hoffe" spielt lange herausragenden Fußball, zittert sich aber erst im Elfmeterschießen gegen Würzburg in die nächste Pokalrunde

11.08.2019 UPDATE: 12.08.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden

Feiern unterm Flutlicht: Viel später als geplant durften die Hoffenheimer sich von den mitgereisten Fans in der Kurve bejubeln lassen. F.: APF

Von Nikolas Beck

Würzburg. Es war der Kapitän, der nach einem unerwartet langen Arbeitstag als Letzter die Kabine verließ. Kurz vor halb elf, fast vier Stunden nach Anpfiff, machte sich auch Kevin Vogt auf den Weg Richtung Mannschaftsbus. Einen kurzen Plausch mit den verbliebenen Medienvertretern ließ sich der 27-Jährige dennoch nicht entgehen. Vogt verfolgte am Samstagabend einen klaren Auftrag: Der letzte Eindruck der gemeinsamen Reise an den Dallenberg sollte bei allen ein positiver sein.

"Das war ein Pokalspiel - und wir sind weiter; im Fußball geht es ums Gewinnen - und wir haben gewonnen", rückte der Blondschopf erst einmal die Fakten in den Vordergrund, als er gefragt wurde, ob die Zitterpartie beim 5:4 im Elfmeterschießen gegen den Drittligisten Würzburger Kickers vielleicht ein "Schuss vor den Bug" zur rechten Zeit gewesen sei.

Vogt ist nicht zu widersprechen. Zur Wahrheit der ersten Runde im DFB-Pokal gehört aber auch, dass die favorisierten Hoffenheimer nach den beiden verpatzten Generalproben in der Vorwoche gegen Sevilla ihrem neuen Cheftrainer Alfred Schreuder beinahe auch die Premiere verdorben hätten. Amiri, Joelinton, Schulz und Demirbay sind gegangen, ein neuer Trainer samt Assistent ist gekommen - und der Schlendrian ist geblieben.

Der Pflichtspielauftakt lässt jedenfalls vermuten, dass Schreuder trotz des Umbruchs im Kader vor ähnlichen Herausforderungen steht wie sein Vorgänger Julian Nagelsmann. Es muss der Anspruch der TSG sein, gegen einen Drittligisten, der nach drei Ligapleiten in Folge auf Rang 17 steht, ohne blaues Auge davonzukommen.

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Zumal doch alles so gut begonnen hatte: Pavel Kaderabek verwertete eine der zahlreichen guten Torchancen in Durchgang eins zur Pausenführung (29. Minute), Neuzugang Ihlas Bebou, diesmal einer der Besten, erhöhte zehn Minuten nach dem Seitenwechsel auf 2:0 (54.). Doch vor allem die Art und Weise, wie sich die "Hoffe" präsentierte, ließ ein Comeback der Kickers unwahrscheinlich erscheinen.

"Über zwei Drittel der regulären Spielzeit war es genau der Fußball, für den wir stehen wollen", schwärmte Hoffenheims Direktor Profifußball Alexander Rosen: "Totale Dominanz, dem Gegner keinen Raum zum Atmen lassen, mit 80 Prozent Ballbesitz."

Im ersten Durchgang bescherte der dominante Auftritt der TSG sogar einen Rekord: Laut den Analysten von Opta Sports spielten die in Hälfte eins überragenden Florian Grillitsch, Sebastian Rudy und Co. 489 Pässe. Und damit fünf mehr als Bayern München, die den bisherigen Pokal-Bestwert in der Saison 2013/2014 im Viertelfinale gegen den Hamburger SV aufgestellt hatten. Die Münchner hatten das Spiel damals auch nach dem Seitenwechsel im Griff, gewannen ungefährdet 5:0.

Ganz im Gegensatz zum neuen Rekordhalter: "Was dann passiert", schüttelte Schreuder den Kopf, "das geht natürlich nicht." Durch Tore von Fabio Kaufmann (68.) und Albion Vrenezi (75./Foulelfmeter) kam Würzburg zurück. Und man konnte der Argumentation von Kickers-Coach Michael Schiele durchaus folgen, als er sagte, seine Mannschaft habe vielleicht sogar die besseren Chancen gehabt, um die Partie nach 90 bzw. 120 Minuten zu entscheiden.

"Reine Kopfsache", suchte Torhüter Oliver Baumann nach einer Erklärung, warum die TSG auch die erneute Führung durch Adam Szalai (99.) aus der Hand gab. Luca Pfeiffer, der kurz zuvor schon zweimal innerhalb weniger Sekunden Aluminium getroffen hatte, köpfte die Partie in die Elfmeterlotterie (114.).

"Das ist schwer zu erklären", so Vogt, der mutmaßte: "Vielleicht haben wir es nach der Führung ein bisschen zu leicht genommen." Und während der Underdog "in den Flow gekommen" sei und die "dritte Luft" bekommen habe, schwanden beim Bundesligisten in der Woche vor dem Bundesligaauftakt die Kräfte. Vogt: "Dann haben wir das klassische Pokalspiel doch zugelassen, dann wurde es eklig."

Was nach der 65. Minute folgte, werde mit Sicherheit eine zentrale Rolle in der Analyse einnehmen, kündigte Rosen an. Er erinnerte allerdings daran, dass es auch in dieser Pokalrunde wieder Erstliga-Kollegen gab, die liebend gerne im Elfmeterschießen gewonnen hätten.

Dass 1899 zwar strauchelte, aber am Ende nicht zu Fall gekommen ist, hatte es in letzter Konsequenz Keeper Baumann zu verdanken. Der 29-Jährige hielt erst den Strafstoß von Kaufmann - und wenig später auch den entscheidenden von Hendrik Hansen. "Danke, Oli", grinste Kapitän Vogt, angesprochen auf die Paraden von "Hoffes" Nummer eins.

Ort des Geschehens

Er sehe gewiss "nicht alles durch die rosarote Brille", so Vogt. Doch kurz, bevor sich auch der Ruhrpottler endgültig aus den Katakomben verabschiedete, erwies er sich einmal mehr als Freund harter Fakten: "Aus der Hand gegeben haben wir es ja nicht ganz - sondern nur fast."

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