1899 Hoffenheim

Wie Demirbay zum Schlüsselspieler unter Nagelsmann wurde

Kerem Demirbay ist in der Bundesliga angekommen

06.09.2017 UPDATE: 07.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Strahlt Ruhe und Torgefahr in der TSG-Schaltzentrale aus: Kerem Demirbay. Foto: vaf

Von Benjamin Miltner

Zuzenhausen. 90 Minuten später als verabredet betritt Kerem Demirbay den Presseraum der TSG Hoffenheim auf dem Zuzenhausener Trainingsgelände. Entschuldigt und schuldlos. Der Grund? Der Mittelfeldspieler des Fußball-Bundesligisten wurde nach dem Vormittagstraining am Mittwoch ausgiebig gepflegt und massiert. Die Botschaft? Bloß keine Verletzten, so kurz vor dem Topspiel gegen den FC Bayern München (Samstag, 18.30 Uhr/Sky). Bloß nicht Demirbay.

Die Fürsorge, mit der der 24-Jährige behandelt wird, zeigt seinen Stellenwert bei der TSG. Demirbay ist nicht irgendein Kadermitglied. Er ist Fixpunkt in der Elf von Trainer Julian Nagelsmann. Aber auch sonst passt die Anekdote zur Karriere des gebürtigen Herteners.

Denn auch mit seinem Durchbruch hat Demirbay auf sich warten lassen. Bei Borussia Dortmund schaffte er nicht den Sprung ins Bundesliga-Team. Trotz Bundesligadebüt im April 2014 wurde Demirbay beim Hamburger SV nie richtig glücklich. Als Leihspieler nahm er den Umweg über die zweite Liga. Eine solide Runde (2014/15) beim 1. FC Kaiserslautern und eine überragende im Trikot von Fortuna Düsseldorf (2015/16), später ließ ihn der HSV für kolportierte 1,7 Millionen Euro im Sommer 2016 nach Hoffenheim ziehen. Im Nachhinein betrachtet ein Schnäppchen. Ach was. Ein Witz.

Denn: Längst hat der Deutsche mit türkischen Wurzeln seinen Marktwert vervielfacht. Demirbay ist angekommen. In Hoffenheim. In der ersten Liga - und wie! "Die letzte Saison lief bei mir nicht so schlecht", sagt Demirbay und kann sich dabei das Grinsen nicht verkneifen. Er weiß selbst nur zu gut, das er damit untertreibt. Denn im Hoffenheimer Mittelfeld wurde er sofort Stammkraft. Schlüsselspieler. Schaltzentrale. Scorer. Oder in Zahlen ausgedrückt: 28 Bundesligaspiele, sechs Tore, zehn Vorlagen. Herausragende Werte für einen offensiven Mittelfeldspieler, die Demirbay im Juni zum deutschen Nationalspieler und wenig später zum Confed-Cup-Sieger machten.

Demirbay war nicht einer, sondern der Hoffenheimer Himmelsstürmer. "Dass das so schnell geht, hätte ich auch nicht gedacht", ist Demirbay ehrlich. Er sagt aber auch: "Ich habe nie an mir gezweifelt, wusste immer, wo ich hin will. Deswegen bin ich jetzt auch da, wo ich bin." Und wegen Julian Nagelsmann: "Er wollte mich unbedingt haben, hat mir Vertrauen geschenkt, Zeit gegeben mich zu entwickeln - und in mir das gesehen, was viele zuvor nicht gesehen haben."

Demirbay weiß aber auch: Das zweite Jahr ist oft das entscheidende. Das gilt für Demirbay als Spieler, für Nagelsmann als Trainer und für Hoffenheim als Verein. Immerhin: Der Saisonstart in der Bundesliga gelang. "Vier Punkte aus zwei Spielen ist nicht so verkehrt", sagt Demirbay, der den Assist zum 2:2-Ausgleich von Mark Uth in Leverkusen lieferte. Misserfolge gehören dazu, wie das Playoff-Rückspiel zur Champions League, als Demirbay beim 2:4 in Liverpool mit unterging. Oder, dass Demirbay zuletzt nicht für die Nationalelf berücksichtigt wurde. "Das ist eben so. Ich weiß, dass ich mich auf lange Zeit durchsetzen werde", ist er überzeugt.

Demirbay ist selbstbewusst, scheint in sich zu ruhen. Schließlich hat er in seiner noch jungen Karriere viel erlebt. Wer als Jugendlicher von Schalke nach Dortmund wechselt, für eine unbedachte, folgenschwere und von ihm schnell bedauerte Äußerung nach einem Platzverweis über Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ("Ich finde, Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen") mehr als nur einen Shitstorm auslöst, der türkischen Nationalelf einen Korb gibt, der kann und muss Kritik aushalten können.

Demirbay eckt an. Dabei ist er ein höflicher und entspannter Typ. Auch auf dem Platz, auf dem Übersicht, Ballsicherheit und Rhythmusgefühl zu seinen Stärken zählt, verfällt Demirbay nicht so schnell in Hektik. Metronom, Ballabfänger, Torjäger, Zweikämpfer - an guten Tagen vereint er alle diese Qualitäten.

Qualitäten, die Hoffenheim gegen Bayern gut gebrauchen kann. Vor allem, weil dann bei den Gegnern ein Mann aufläuft, der für Hoffenheim genau diese Vielfalt abbildete: Sebastian Rudy. "Er ist ein grandioser Spieler, einfach überragend. Sein Abgang und der von Niklas Süle hat uns wehgetan", ist Demirbay ehrlich. Dennoch freut er sich auf das Wiedersehen mit seinen Ex-Kollegen.

Und auf die Bayern. "Ich liebe solche Spiele, das wird absolutes Top-Niveau. München ist natürlich ein sehr starker Gegner; aber wir sind nicht viel schlechter, gerade zu Hause. Beide Teams müssen abliefern; wir ein bisschen mehr." Und Demirbay ganz besonders, schließlich erwartet er über 25 Freunde im Stadion als Zuschauer.

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