1899 Hoffenheim

Vogelwildes Videogucken

Nach 1:3 in München steht einmal mehr die neue Technik in der Kritik - Rummenigge: "Fußball in Wild-West-Manier"

26.08.2018 UPDATE: 27.08.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden
Julian Nagelsmanns verändertes Erscheinungsbild. Foto: APF

Von Nikolas Beck

München. "Toooor für den FC Bayern München - oder doch nicht?" Stephan Lehmann ist seit 1996 die Stimme des Rekordmeisters. Jubelmomente durfte er auch in der Allianz Arena schon zuhauf stimmlich begleiten. Und doch dürfte dieser Satz am späten Freitagabend für ihn ein Novum gewesen sein. Treffer, 3:1, Entscheidung für die Bayern gegen Hoffenheim - oder eben doch nicht. Lehmann wusste es nicht. Keiner im Stadion wusste es. Nicht einmal der Schiedsrichter Bastian Dankert. Die 86. Minute, eigentlich das gesamte Eröffnungsspiel der 56. Bundesligasaison war Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Videobeweises. Gefundenes Fressen für ewiggestrige Fußballromantiker.

Besagtes Tor zählte nicht. Thomas Müller war mit der Hand dran, entschied Dankert nach Ansicht der Videobilder. Am Ende traf Robben doch noch zum 3:1-Endstand, aber die neue Spielzeit hatte so begonnen, wie die alte aufgehört hatte: Mit Diskussionen um Sinn und Unsinn der Assistenten im Kölner Keller.

Arjen Robben nach seinem Tor zum 3:1. Foto: APF

"Das waren vogelwilde 20 Minuten, in denen kaum noch Fußball war, sondern nur noch Videogucken", sagte Julian Nagelsmann. Schließlich wurde schon Lewandowskis Elfmeter, den TSG-Keeper Oliver Baumann zunächst pariert hatte, auf Anraten der Videoreferees wiederholt, weil Robben zu früh in den Strafraum gelaufen war, bevor er den Abpraller verwandelte. Dass der FCB dennoch mit einer Strafstoß-Wiederholung belohnt wurde - und Lewandowski sich nicht ein zweites Mal bitten ließ - mag regelkonform sein, darf aber durchaus hinterfragt werden.

Dabei wäre doch alles so einfach gewesen. Schließlich war der vorhergehende Pfiff zum Elfmeter wohl die offensichtliche Fehlentscheidung des Abends. Nagelsmann, dessen Gegenüber Niko Kovac, der angebliche Übeltäter Havard Nordveit sowieso - keiner hatte ein Foul an Frank Ribéry gesehen. Nur Schiri Dankert und seine Assistenten auf und neben dem Platz.

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"Keine Ahnung, warum das nicht überprüft wurde", wunderte sich nicht nur der TSG-Coach. Tags drauf sah sich die DFB-Schiedsrichterkommission zu einem Statement gezwungen. "Der Video-Assistent hat in dieser Situation zurecht nicht eingegriffen, denn er soll nur eingreifen, wenn die Entscheidung klar und offensichtlich falsch ist", teilte der DFB am Samstag mit.

Die betreffende Szene sei jedoch lediglich "in der Diskussion durchaus als ,umstritten‘ einzuordnen". Der Verband stellte sich also erwartungsgemäß vor seine Unparteiischen, allerdings mit einer Erklärung, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Schiedsrichter Bastian Dankert und seine "Videoanalyse". Foto: APF

"Wir haben es bei der Weltmeisterschaft gesehen: Da hatten wir einen leitenden Schiedsrichter aus Simbabwe, einen Vierten Offiziellen aus Saudi-Arabien, und im Videoraum saß einer aus Uruguay. Es gab keine Testphase - und der Videobeweis wurde zu etwas gemacht, was er sein soll, nämlich eine wunderbare, sinnvolle und gerechte Einrichtung.

Und dann kommen wir Deutschen und haben das, was wir heute erlebt haben. Das steht im Gegensatz zu dem, was es sein sollte", hatte TSG-Manager Alexander Rosen nach Spielende geschimpft.

Und so rückte zumindest ein bisschen in den Hintergrund, dass "Hoffe" drauf und dran war, dem Serienmeister die Eröffnungssause zu verderben. Nach schwachem Beginn und schmeichelhaften 0:1-Rückstand zur Pause, war die TSG nach Adam Szalais Ausgleich bis zum umstrittenen "Elfer" das bessere Team.

Das war auch den Bayern nicht entgangen. Anders lässt sich kaum erklären, warum aus dem Wohlfühltempel in Fröttmaning, in dem erstmals Stadionwürste aus der Hoeneß-Fabrik verkauft wurden, verbale Giftpfeile in Richtung Kraichgau abgefeuert wurden. Vorstandsboss Rummenigge sprach von "Fußball in Wild-West-Manier", den die Hoffenheimer gespielt hätten, und machte dafür die selbstbewussten Äußerungen von Nagelsmann und Rosen im Vorfeld verantwortlich: Wenn diese dazu führen, dass "eine Mannschaft zum Halali gegen unsere Spieler bläst, hat das mit Fairplay nichts mehr zu tun", so Rummenigge. Auch Kovac sprach von "ziemlich viel Härte" auf Hoffenheimer Seite und meinte, Debütant Kasim Adams hätte "vom Platz fliegen müssen".

Freilich wird die schwere Verletzung von Bayerns Kingsley Coman die Äußerungen von Rummenigge und Kovac befeuert haben, aber einmal mehr zeigte sich: Der "Mia san mia"-Klub lässt sich nicht gerne ärgern. Nicht von mutigen TSG-Profis, nicht von einem angriffslustigen Trainer Nagelsmann - und vom Videoassistenten, während Stadionsprecher Lehmann gerade zur Höchstform aufläuft, am allerwenigsten.

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