1899 Hoffenheim schwächelt

Im Sturm steckt der Wurm

Die TSG schwächelt seit vielen Wochen im Abschluss - Die Wechseldebatten erweisen sich als kontraproduktiv

22.01.2018 UPDATE: 23.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 39 Sekunden

Das 1:4 gegen Leverkusen sitzt tief: "Hoffes" Offensiver Serge Gnabry. Foto: Imago

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Das Schmuddelwetter, die Enttäuschung bei Spielern wie Trainer, die Schockstarre in der Süd- und Fankurve - das 1:4 (0:1) gegen Bayer Leverkusen wurde zu einem schwierigen Nachmittag für die Hoffenheimer. Man kann sich schon kaum mehr daran erinnern, wann die TSG 1899 letztmals als Neunter in der Bundesliga-Tabelle auftauchte. Es war exakt am 25. September 2016 nach einem 2:1 gegen Schalke 04, seitdem zählten die "Nagelsmänner" regelmäßig zu den Topteams, selbst in der mitunter wechselhaften Vorrunde 2017/18 stand der Kraichgauklub nie schlechter als auf Rang sieben.

Der Trend spricht im Moment gegen die Blauen, obwohl die Zusatzbelastung nach dem frühen Aus im DFB-Pokal und in der Europa League wegfällt. Was sind die Gründe für die seit Anfang Oktober bestehende Ergebniskrise, die durch drei Dreier beim 1. FC Köln (3:0), gegen RasenBallsport Leipzig (4:0) und im engen Derby mit dem VfB Stuttgart (1:0) kosmetisch etwas aufgehübscht wurde?

Fakt ist: In den letzten 13 Liga-Spielen gab es aus Sicht der Nordbadener drei Siege, vier Unentschieden und sechs Niederlagen, macht 13 Zähler aufs Konto bei einem Torverhältnis von 18:22. Was erschwerend hinzukam, sollten teilweise spielerisch mittelmäßige Auftritte sein, bis auf die Gala gegen Leipzig und die bockstarke Stunde bei Borussia Dortmund, die nicht belohnt wurde.

Auch am Samstag war Hoffenheim über weite Strecken ebenbürtig, wenngleich die Treffer von Bailey (43.), Baumgartlinger (51.) und Alario (70., 90.+3) für Leverkusen - bei einem Ehrentor von Adam Szalai (86.) - dies nicht vermuten lassen. Am Ende bestand der auffälligste Unterschied in der größeren Zielstrebigkeit und in der konsequenteren Chancenverwertung der Rheinländer, die mit dem jamaikanischen "Reggae-Boy" Leon Bailey über einen Ausnahmekönner verfügen, der längst nicht nur wegen des Kunststücks mit der Hacke zum 0:1 eine Entdeckung, Bereicherung, ja Attraktion für das deutsche Oberhaus darstellt.

Bei "Hoffe" hingegen ist gerade im Vergleich mit Bayer die Malaise sichtbar geworden. Im Sturm steckt der Wurm - der Abteilung Attacke mangelt es erheblich an Effizienz. Chancen sind durchaus vorhanden, doch im letzten Drittel spielen es die Kraichgauer häufig zu schlampig und unpräzise, so dass die Erfolgs- und Torquote nicht stimmt. Die Flaute lässt sich insbesondere an den Begegnungen seit Leipzig festmachen: 0:2 in Hannover, 1:0 gegen Stuttgart, 1:2 in Dortmund, 1:1 in Bremen und 1:4 gegen Leverkusen. Oder: Vier Tore in fünf Spielen - ein Ausdruck für Harmlosigkeit. In dieser Verfassung sind neuerliche Gedanken ans internationale Geschäft unangemessen und illusorisch.

Andrej Kramaric läuft seiner Form seit Saisonbeginn hinterher. Es ist ein Mysterium, warum der begabte Fußballer keine Bindung findet. Torjäger Mark Uth scheint ebenfalls aus dem Rhythmus gekommen zu sein, Serge Gnabry ist bis dato den Nachweis schuldig geblieben, konstant auf höchstem Niveau zu agieren. Die beiden Verletzungen, zehn Liga-Einsätze, zwei Tore (beide gegen RB) - von der hochkarätigen Bayern-Leihgabe haben sich die TSG-Entscheidungsträger zweifellos mehr versprochen. Und Mittelstürmer Adam Szalai plagte sich gefühlt ewig mit einer hartnäckigen Adduktorenverletzung herum, so dass er sich in sieben Partien "nur" insgesamt 281 Minuten präsentieren durfte.

Darüber hinaus tragen die permanenten Debatten um potenzielle Abgänge nicht zur Konsolidierung bei. Am Wochenende goss Kerem Demirbay (Oberschenkelprellung) Öl ins Feuer. Vom Privatsender Sky auf den BVB und Schalke angesprochen, sagte der 24-Jährige: "Also ehrlich, uninteressant wär’s nicht. Wir wissen nicht, was im Sommer passiert, so viel kann ich dazu sagen." Ein Treuebekenntnis zu "Hoffe" sieht jedenfalls anders aus, und wenn solche Formulierungen öffentlich von Leistungsträgern ausgerechnet in Phasen getroffen werden, in denen der Motor des Teams stottert, dann ist das kontraproduktiv fürs Gefüge.

Schweigsame Fans

Demirbay hat einen Vertrag bis 2021 - und eine Ausstiegsklausel für rund 20 Millionen Euro. Ähnliches gilt im Fall von Nadiem Amiri (Vertrag bis 2020, Ausstiegsklausel von 17 Millionen). Konkurrent Leipzig soll den gebürtigen Ludwigshafener mit deutsch-afghanischem Hintergrund unbedingt nach Sachsen lotsen wollen.

Wie dem auch sei: Trainer Julian Nagelsmann wirkte nach Bayers gnadenlosem Auswärtsstreich angefressener und unzufriedener, als er verbal zugeben wollte. Zur Hereinnahme von Kramaric, Uth und Amiri sagte er schnippisch: "Wir haben schon stärkere Einwechslungen in meiner Amtszeit gehabt."

Da passte es ins eher traurige Bild, dass die TSG-Fans so frühzeitig und fix wie nie zuvor die Arena verließen und die Unterstützung quasi einstellten. Hoffenheim im Sturmtief - zumindest am Samstagnachmittag soll das Wetter in München wieder freundlicher werden. Ob’s der TSG beim großen FC Bayern hilft?

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