1899 Hoffenheim

Reiss Nelson ist ein Überflieger auf Zeit

18-Jähriger schießt "Hoffe" beim 3:1 in Nürnberg aus der Krise - Arsenal-Leihgabe wird die Liga wohl nur bis Sommer verzücken

21.10.2018 UPDATE: 22.10.2018 06:00 Uhr 3 Minuten

Nur neben dem Platz noch etwas schüchtern: "Hoffes" Teenager Reiss Nelson lässt sich nach seinem Treffer zum 2:1 feiern. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Nürnberg. "All smiles" sagen die Engländer, wenn einem das Glück ins Gesicht geschrieben steht. So wie dem jungen Reiss Nelson, als er am Samstagnachmittag aus der Kabine kam, um über seine Heldentaten auf dem Rasen des Nürnberger Max-Morlock-Stadions zu sprechen. Ein bisschen schüchtern ist der Teenager mit dem Wuschelkopf zwar noch, blickte nach seinen Antworten in der Mixed Zone immer wieder zu Boden.

Mit dem Ball am Fuß kennt der 18-Jährige aber keine Zurückhaltung. Mit seinen beiden Toren (50. und 57. Minute) ebnete er der TSG 1899 Hoffenheim den Weg zum 3:1 (0:1)-Befreiungsschlag beim Aufsteiger 1. FC Nürnberg, Adam Szalai (67.) traf per Kopf zum Endstand.

"Ich glaube nicht, dass ich der Matchwinner bin", sagte Nelson mit breitem Grinsen. "Aber ich bin natürlich froh, dass ich zwei Tore machen konnte in diesem wichtigen Spiel." Für die Leihgabe von Arsenal London scheint der Umweg über den Kraichgau, um Spielpraxis zu sammeln, Früchte zu tragen. Gegen Nürnberg durfte er zum zweiten Mal in dieser Saison von Beginn an ran. Es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein.

"Der Boss", wie Nelson Nagelsmann nennt, "sagte zu mir in der Halbzeit, ich solle mehr in die Box und dort die Räume nutzen." Nelson hörte: Zunächst verwandelte er das Zuspiel von Pavel Kaderabek aus der Drehung sehenswert per Volley zum 1:1, wenig später vollendete er eine schöne TSG-Kombination im Nürnberger Strafraum, in dem er den Ball unhaltbar über die Unterkante der Latte in die Maschen knallte.

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Auch bei Julian Nagelsmann (r.) - hier beim Shakehands mit Nürnbergs Michael Köllner ist das Lachen zurückgekehrt. Foto: APF

"Zum Torschützen gehören auch immer gute Vorlagengeber", wollte Nagelsmann seinen Jungstar nicht zu sehr in den Mittelpunkt rücken. Freilich räumte auch der "Hoffe"-Coach ein, dass er mit dem Auftritt seiner Nummer neun sehr zufrieden war: "Er hatte eine gute Präsenz und schon in der ersten Halbzeit viele ordentliche Szenen, kam aber noch nicht ganz durch zum Abschluss."

Nach dem Seitenwechsel platzte dann aber der Knoten. Sicherlich auch, weil Nagelsmann seiner Ankündigung, wieder mutiger, also früher und offensiver, wechseln zu wollen, Taten folgen ließ: Weil er im ersten Durchgang zu viele Ballverluste im zentralen Mittelfeld beobachten musste, blieb Florian Grillitsch zur Pause in der Kabine und der starke Kerem Demirbay rückte auf die defensive "Sechser-Position", während Adam Szalai an vorderster Front Räume aufreißen durfte.

Die zweiten überlegenen 45 Minuten entschädigten für weite Teile der ersten Hälfte, in denen die TSG mit den robusten "Clubberern" große Probleme hatte. Ob man das zugegebenermaßen äußerst ungeschickte Abwehrverhalten von Kasim Adams gegen Nürnbergs Virgil Misidjan mit einem Elfmeter ahnden muss, sei mal dahingestellt - Nagelsmann hoffte "auf einen erzieherischen Effekt".

Aber es gehört eben auch zur Wahrheit, dass die FCN-Führung durch Hanno Behrens' Elfmeter (18.) auch Mikael Ishak (2./35.) erzielen konnte - vielleicht musste. "Völlig zurecht" sei seine Elf in Rückstand geraten, befand auch Nagelsmann nach "komplizierten ersten 20 Minuten" und einem Pausenrückstand zur Unzeit. Denn zuvor drei Niederlagen in Serie lassen sich nur schwer ausblenden, wie Adam Szalai einräumte. "Wenn man wieder mit 0:1 in Rückstand gerät, in die Kabine geht und an die letzten, nicht so erfolgreichen Wochen denkt, dann ist das nicht so einfach", sagte der Ungar. "Umso schöner, dass wir das Spiel trotzdem noch so drehen." "Im zweiten Durchgang sind wir aufgewacht - und dann aber auch richtig", sagte Kapitän Kevin Vogt.

Auch dank Reiss Luke Nelson. "Vier Tore ist gemessen an seiner Einsatzzeit schon eine ganz ordentliche Quote, die er - und das ist für einen jungen Spieler immer das Wichtigste - gerne bestätigen darf", sagte Nagelsmann. Nelson hätte nichts dagegen, sagte: "Es läuft einfach sehr gut für mich zurzeit, aber das heute war nur ein weiter Schritt. Der beste Reiss kommt erst noch." Er hätte noch eine ganze Menge Zeit, Großes in seiner Karriere zu erreichen.

Dies allerdings eher nicht in Hoffenheim. Den Fehler, den Manchester City im vergangenen Winter mit Jadon Sancho machte, die Nelsons Kumpel für vergleichsweise kleines Geld dauerhaft nach Dortmund transferierten, beging Arsenal nicht. Bevor sie Nelson für 500.000 Euro nach Hoffenheimverliehen, wurde dessen Vertrag bis 2022 verlängert. Und Nelsons Weg zurück ins "Emirates" scheint unumgänglich.

Die Fans in London fordern bereits jetzt, man möge das Eigengewächs doch bitte bereits im Winter wieder auf die Insel beordern. Nelson selbst, der in seiner Jugend fast nie ohne Trikot von Arsenals legendärer Nummer 14 Thierry Henry anzutreffen war, macht auch keinen Hehl daraus, dass er seine Zukunft bei Arsenal sieht. Zu seinem Jugendklub und deren Anhängern habe er eine ganz besondere Beziehung. Heißt: In Hoffenheim ist er nur ein Überflieger auf Zeit.

Sei's drum. Dem jungen Engländer werden sich noch ausreichend Gelegenheiten bieten, die Bundesliga weiterhin zu verzücken. Und zumindest vorerst verzeichnet das Stimmungsbarometer bei Nelson und der TSG wieder deutlich positivere Ausschläge. All smiles ...

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