Hoffenheim gegen Manchester City

Komplimente wie Konfettiregen

TSG trotzt beim 1:2 gegen Manchester City allen Widerständen und wird von Pep Guardiola hoch gelobt

03.10.2018 UPDATE: 03.10.2018 16:30 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
Schockmoment: Unmittelbar nach dem 1:2 liegt Stefan Posch (v.l.) am Boden, Justin Hoogma rauft sich die Haare und Ishak Belfodil, Oliver Baumann sowie Joshua Brenet sind bedient. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Man brauchte nur intensiver in das Gesicht von Startrainer Pep Guardiola (47) zu schauen, um zu erkennen, wie herausfordernd, nervenaufreibend und erschöpfend diese Champions-League-Partie zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und Manchester City gewesen war. Als der Übersetzer der Uefa seinen Job verrichtete, starrte das linke Auge nach rechts, und das rechte nach links. Und einmal schnaufte Pep richtig durch, endlich war die ganze Anspannung von ihm abgefallen.

Zuvor hatte der Karajan des Fußballs eine exquisite Lobeshymne auf "Hoffe" und seinen jungen Trainerkollegen Julian Nagelsmann (31) angestimmt. "Ich habe das erste Mal gegen ihn gespielt", analysierte der Katalane, "aber ich habe viel gelernt. Er denkt viel über das Spiel nach. Julian ist ein Trainergenie, hat Visionen und verfügt über viel Kreativität."

Im Presseraum regnete es nach dem bitteren 1:2 (1:1) der Hoffenheimer gegen die "Skyblues" von ManCity Komplimente wie Konfetti. Guardiolas Wortkaskaden, vornehmlich in Englisch, und doch mit Schnipseln in Deutsch und spanischem Akzent versehen, rundeten einen großartigen Fußballabend vor 24.851 Zuschauern in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena ab. All jene, die die historische Heimpremiere des Dorfklubs live im Stadion verfolgen durften, bekamen eine präzise Vorstellung davon, dass sich die Königsklasse gegenüber der Bundesliga auf einem anderen Niveau bewegt.

Geradezu tragisch für die Hausherren, dass sie dem haushohen Favoriten aus der englischen Industriestadt alles abverlangten, diese sogar in Nöte brachten - am Ende aber mit leeren Händen dastanden. Dabei hatte für die TSG das zweite Gruppenspiel spektakulär und verheißungsvoll begonnen. Ishak Belfodil brachte die "Nagelsmänner" nach 44 Sekunden mit 1:0 in Front. Leider fing man sich flott den Ausgleich von Agüero (8.) ein - Leroy Sané bediente die argentinische City-Legende, Kevin Akpoguma und Stefan Posch behinderten sich zudem gegenseitig. "Hoffe" schnupperte bis zur 87. Minute an der Sensation - ehe Posch ein fataler Schnitzer unterlief, den der spanische Welt- und Europameister David Silva eiskalt zum 1:2 ausnutzte.

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Ein gnadenloser, grausamer Moment! An einem der größten Tage der noch jungen Vereinsgeschichte solch ein Schock für den furchtlosen Champions-League-Neuling aus Nordbaden - das Nebeneinander und Durcheinander der jeweiligen Gefühlswelten war bis in die obersten Ränge des Stadions greifbar. Frenetischer Jubel hier, herbe Ernüchterung dort.

Hoffenheim hatte physisch wie mental alles in dieses Gänsehaut-Duell reingelegt, eine variable Taktik gewählt und allen Widerständen getrotzt. Die Hiobsbotschaften wollen derzeit nicht abreißen - Nico Schulz (Oberschenkel) und Steven Zuber (Rücken) mussten kurzfristig passen, so dass Nagelsmann insgesamt zehn Profis fehlten, darunter gleich fünf Innenverteidiger.

"Trotz der zehn Ausfälle haben wir es gut gemacht", zog Nagelsmann symbolisch den Hut vor seiner Rumpftruppe, "wir sind stolz, so mitgehalten zu haben." Die Reifeprüfung gegen das zweitteuerste Fußballteam auf dem Globus besaß eine besondere Duftnote. Nagelsmann hatte gemeinsam mit seinen Assistenten einen höchst komplexen, taktischen Schlachtplan gegen die vermeintlich übermächtigen Guardiola-Schützlinge entwickelt.

Hoffenheim wählte eine Art Vorwärtsverteidigung, die an vorderster Front mit den drei "Stürmerbullen" Belfodil, Szalai und Joelinton begann. Und weiter hinten um den zentralen, jugendlichen Strategen Justin Hoogma (20) ergänzt wurde. Bei Ballbesitz von Strippenzieher Fernandinho und Co. sollte Hoogma vor die Viererkette rücken. "Justin sollte immer wieder die Ketten schließen", erklärte Nagelsmann die Herangehensweise, "er hatte taktisch mit die anspruchsvollste Position und hat das herausragend gelöst."

Mit dem geschickten Besetzen der Halbräume und dem Vermeiden von Eins-gegen-Eins-Situationen machten die "jungen Wilden" der TSG dem englischen Meister und Tabellenführer das Leben schwer. Innovationskraft, Mut und Leidenschaft waren bei diesem Tanz auf der Rasierklinge gegen die individuelle Klasse der in "night purple" gekleideten "Citizens" vonnöten - die "Nagelsmänner" machten fast alles richtig.

Man darf auf die vier weiteren Auftritte in der Königsklasse wirklich gespannt sein, Hoffenheim hat das Zeug dazu, auch Olympique Lyon zu ärgern oder mit größerer Personaldecke gar zu schlagen. Guardiola als Mahner: "Wir müssen auch im Rückspiel vorsichtig sein."

Es gehört freilich mit zur Wahrheit, dass "Hoffe" vor einem heißen Herbst steht. Nagelsmann ist die tiefergehende Problematik bewusst. "Wir sind ein Team", so der Cheftrainer, "in dem Spieler permanent an ihr Limit oder darüber hinaus gehen müssen. Es ist nicht wie bei den Bayern oder beim BVB - bei denen reichen auch mal 70 Prozent."

Nach Kabinengang, TV-Interviews und Pressekonferenz standen Nagelsmann und Guardiola noch lange hinter einer schützenden Milchglasscheibe zusammen. Gut möglich, dass es beim Dialog zweier Fußballbesessener weitere Galanterien und "Gladiolen" von Pep Guardiola für Nagelsmann und seine couragierten Jungs gab ...

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