1899 Hoffenheim

Jubel und Trubel bei den Nagelsmännern

Beim Derby-Erfolg gegen den VfB fehlt es an mentaler Frische, doch das Dauer-Thema Nagelsmann beschäftigt den Klub weiter

14.12.2017 UPDATE: 15.12.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Furios-kurios bis zum Abpfiff: Die TSGler Kramaric und Vogt rennen ins Abseits, die Stuttgarter Pavard und Badstuber hinterher. Foto: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Trubel und Jubel liegen im Profisport häufig sehr nah beieinander. Wenn man die Ausgelassenheit auf dem Rasen und rund um die Hoffenheimer Bank am Mittwochabend nach dem Treffer von Mark Uth (81.) zum 1:0 (0:0) über den VfB Stuttgart als Maßstab nimmt, dann muss es offenbar ein besonderer Sieg für die Kraichgau-Elf gewesen sein. Überwiegend fußballerische Magerkost stand kollektiver Ekstase gegenüber. TSG-Cheftrainer Julian Nagelsmann sprintete aufs Feld, packte symbolisch die Säge aus und klatschte jeden einzelnen Angestellten im langgezogenen Häuschen wild und resolut ab. "Ich juble immer emotional", sagte er danach über die Szene, "es gibt kein Tor von uns, wonach ich mich hingesetzt und aus der Wasserflasche getrunken habe."

Die Freude glich dennoch vor 30.150 Besuchern in der ausverkauften Sinsheimer Arena einem Vulkanausbruch. Seit geraumer Zeit steht der ehrgeizige Fußballlehrer im Fokus der Öffentlichkeit, andauernd äußern sich die Hitzfelds, Rummenigges, Scholls oder Effenbergs über ihn, er ist zu einem Spekulationsobjekt geworden. Allerdings tragen das große Trainertalent und sein erfahrenes Beraterumfeld zu dieser Entwicklung bei. Der Bayern-Flirt zu einem frühen Saisonzeitpunkt war überflüssig. Dass die Heftigkeit der Turbulenzen bei Samstags-Kontrahent Borussia Dortmund (18.30 Uhr/Sky) solche Ausmaße annehmen würde, konnte keiner ahnen. Die allgemeine Wertschätzung, die Nagelsmann beim Revierklub genießt, ist unterdessen kein Geheimnis.

"Ich bin ein Freund von Fakten, sowohl sportlich als auch privat. Fakt ist, ich bin Trainer bei der TSG 1899 Hoffenheim und auf den Job konzentriere ich mich. Ich gehe, Stand jetzt, davon aus, dass ich im Sommer Trainer in Hoffenheim bin", versuchte Nagelsmann die entstandene Personaldebatte zu versachlichen. Gleiches tat BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Sportbild auf die Frage nach einem Stöger-Nachfolger: "Ich kann versichern, dass wir uns mit niemandem einig sind."

Wer die Mechanismen dieser überreizten, schnelllebigen Branche kennt, der weiß: Die Koordinaten der Begehrlichkeiten können sich bei den Vereinen, Trainern, Spielern und Beratern täglich ändern. "Hoffes" Manager Alexander Rosen sagte ebenfalls dem boulevardesken Sportmagazin über die Sondierung des Trainermarktes: "Es ist unsere Aufgabe, auch auf diesem wichtigen Feld informiert zu sein. Wir haben die Verantwortung zu wissen, was in unserem Haus und in anderen passiert." Für den Fall der Fälle schaut sich auch Hoffenheim um. Wie realistisch Szenarien sind, wonach die beiden Zweitliga-Kollegen Markus Anfang (43, Holstein Kiel) und Kenan Kocak (36, SV Sandhausen) Kandidaten für eine Nagelsmann-Nachfolge wären, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Für den momentanen Rangfünften der Bundesliga zählt primär die Gegenwart. Nagelsmanns Kampfansage an den BVB: "Wir haben dort zweimal unglücklich verloren und sind in der Lage, auch in Dortmund zu gewinnen." Zumal sich die bisherige Saisonbilanz gegen die Spitzenteams vielversprechend liest: 2:0 gegen den FC Bayern, 2:0 gegen Schalke 04, 4:0 gegen RB Leipzig und 2:2 bei Bayer Leverkusen - die "Nagelsmänner" tun sich im Kräftemessen mit hochkarätigen Mannschaften leichter.

Ein weiterer Beleg für diese These war das Baden-Württemberg-Derby. Lange Zeit fiel Hoffenheim im letzten Heimspiel des Jahres herzlich wenig ein. Vieles blieb Stückwerk, den Hausherren fehlte im 26. Pflichtspiel (16 Mal Bundesliga, acht Mal international, zwei DFB-Pokalspiele) schlichtweg die Dynamik und mentale Frische.

Am Fleiß lag es nicht - die Blauen spulten ein Rekordlaufpensum von 126,58 Kilometern ab. Nagelsmann verglich seine Truppe - metaphorisch - mit einem Dieselmotor, der viele Kilometer auf dem Tacho habe: "Der braucht auch ein bisschen länger, um warm zu werden." Die Badener konnten heilfroh sein, dass die Schwaben allenfalls über ein "Stürmchen" verfügen. Bis auf die frühe Chance von Berkay Özcan (4.) brachte der VfB in der Offensive nichts auf die Kette.

Furios-kurios der Schlussakkord: Andrej Kramaric und Kevin Vogt liefen ins Abseits, obgleich Stuttgarts Keeper Ron-Robert Zieler noch an der Mittellinie mit Kerem Demirbay hartnäckig kämpfte. Ein 2:0 wäre indes des Guten zuviel gewesen. Am finalen Jubel und Trubel änderte dies bei "Hoffe" nichts.

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