Schlagzeilen der Rhein-Neckar-Zeitung

Bekommt der Luxus den Profis nicht? Wer in die Watte gepackt wird kann sich nicht wehren

11.03.2010 UPDATE: 11.03.2010 23:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Hoffenheim ringt Gladbach einen Punkt ab

Bekommt der Luxus den Profis nicht?

Wer in die Watte gepackt wird kann sich nicht wehren

Sinsheim. Nach der Niederlage gegen Mainz wurde in der Hoffenheimer Kabine gescherzt und gelacht. Man hatte nicht den Eindruck, unter Verlierern zu sein. Die heitere Stimmung brachte Trainer Ralf Rangnick auf die Palme. Damals im Oktober nach dem 1:2 im Hinspiel.

Es hat sich nicht viel geändert seitdem. Ein Mitarbeiter des Ordnungsdienstes wunderte sich am Sonntagabend nach der 0:1‑Rückspiel‑Niederlage: "Einige Spieler sind fröhlich nach Hause gegangen und haben auf dem Weg zu ihren Autos Witze gemacht."

Warum auch nicht? Die Kritik von Jan Schindelmeiser ("Mit dieser Leistung werden wir nicht mehr viele Punkte holen") werden die meisten nicht mitkriegen. Sie lesen – auch mangels Deutschlenntnissen – keine Zeitungen. Das Donnerwetter des Trainer werden sie über sich ergehen lassen. Weggeduckt und mit ein paar guten Vorsätzen auf den Lippen. "Wir müssen noch härter arbeiten", gab Ersatz‑Kapitän Sejad Salihovic zum Besten.

Sie leben nicht schlecht, die Profis von 1899 Hoffeneim. In ihrem Schlösschen in Zuzenhausen, wo Champions‑League‑Bedingungen herrschen, wie Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus verriet. Man kann saunieren und Billard spielen, im Internet surfen oder in der noblen Lounge bei Kaffee‑Spezialitäten die viele freie Zeit genießen. Als kürzlich der Mannschaftsrat den Vorschlag machte, vor den Heimspielen nicht mehr in den "Winzerhof" nach Rauenberg zu fahren, sondern im Trainingszentrum zu bleiben, geschah das nicht aus Sehnsucht nach einem spartanischeren Leben. Im Jagdschloss geht’s den Profis besser als in einem  Luxushotel.

Die Annehmlichkeiten entsprechen der Philosophie des Mäzens. "Nur wenn sich die Mitarbeiter wohl fühlen, können sie höchste Leistung bringen", war das Credo von Dietmar Hopp bei der SAP.

Das ist im Prinzip richtig. Doch es setzt voraus, dass man die Privilegien als Vorleistung versteht, dass daraus das Bedürfnis erwächst, sich dankbar zu zeigen.

Das Gegenteil scheint der Fall. So flog Demba Ba zum Länderspiel des Senegal nach Griechenland, obwohl er nicht fit war. Ausgerechnet Ba, der im letzten Sommer  unverschämt mit dem VfB Stuttgart flirtete und der allen Grund hätte, sich jetzt für Hoffenheim ins Zeug zu legen. Wenigstens besteht die Gefahr nicht mehr, dass die Konkurrenz die besten Spieler wegholt.

Erstens gibt es keine besten Spieler mehr, und zweitens haben die neuen Verträge eine derart lange Laufzeit, dass es sich nicht rechnet, Profis herauszukaufen, Es ist nicht auszuschließen, dass die deutlich angehobenen Bezüge die Hoffenheimer  bequem gemacht haben.

Der Verdacht liegt nahe: Wer im Luxus lebt, gut bezahlt und sorgenfrei, wer die Woche über in Watte gepackt wird, dem könnte es schwer fallen, sich im Spiel zu wehren.

Wenn es nicht läuft bei den Künstlern, dann lassen sie schnell die Flügel hängen. Auch deshalb ist es schwer nachvollziehbar, weshalb der Trainer auf einen Spieler wie Per Nilsson verpflichtet. Der Kapitän ist eine Respektperson. Einer, der Verantwortung übernimmt, sich mit dem Verein identifiziert, der führen kann. Nilsson mag technische Defizite haben, doch gerade beweist Christian Eichner, dass Einsatz und Engagement mindestens genau so wichtig sind, wie die Fähigkeit,  ein paar Haken zu schlagen.

Schindelmeisers Wutrede nach dem 0:1 gegen Mainz, dem vorläufigen Tiefpunkt, war richtig und wichtig. Weil vielleicht die Chance besteht, dass ein bisschen Bewegung reinkommt ins fest gefahrene Gefüge.

Rangnick wirkte dagegen müde. Ausgelaugt. Fast schon resignativ. Mitgenommen von der Sorge um seinen schwerkranken Vater, dem es zum Glück seit kurzem wieder besser geht? Oder ratlos, weil er nicht weiß, wie es weiter gehen soll und ob es überhaupt weiter geht.

Der VfL Wolfsburg soll interessiert sein. Ein Dementi gab es bisher von Rangnick nicht. Ebenso wenig eine Aussage, ob er den 2011 auslaufenden Vertrag in Hoffenheim verlängert oder nicht. Dabei wäre nun  genau die richtige Zeit, ein Zeichen zu setzen. Jetzt wo umfangreiche Reparatur‑Arbeiten anstehen.

Rangnick wird wissen, dass sein Zögern seine Position nicht verbessert. Hoffenheim hat dem Fußballlehrer viel zu verdanken, doch mit jeder Niederlage, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Ära Ralf Rangnick im Sommer zu Ende geht. Spätestens im Sommer.

Rhein-Neckar-Zeitung vom 09.03.2010

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