Heidelberger Wissenschaftler untersuchen die Chemie des Alls

Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik untersuchen im ultrakalten Speicherring CSR die Chemie des Alls

13.05.2016 UPDATE: 14.05.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden

Im ultrakalten Speicherring CSR werden Molekül-Ionen auf minus 263 Grad Celsius gekühlt und bei extrem niedrigem Druck auf eine 35,4 Meter lange Umlaufbahn geschickt, um Prozesse der Astrochemie und ihre quantenphysikalischen Grundlagen zu untersuchen. Unser Foto zeigt die innere Vakuumkammer; in der Mitte ist die zehn Zentimeter große Öffnung zu erkennen, in der der Ionenstrahl geführt wird.

Foto: MPI für Kernphysik

Von Klaus Blaum

Die Kälte des Weltalls bietet nicht gerade optimale Voraussetzungen für chemische Reaktionen, die mit etwas Wärme meistens besser oder überhaupt erst laufen. Trotzdem wurden im Weltall bereits mehr als 180 Moleküle entdeckt. Möglicherweise sind dort sogar elementare Bausteine des Lebens entstanden, die dann mit Kometen auf die Erde gelangt sein könnten. Nicht nur Astrophysiker interessieren sich daher dafür, wie chemische Prozesse in interstellaren Wolken ablaufen. Klar ist, sie folgen ganz anderen Pfaden als die Chemie auf der Erde.

Die Astrochemie wollen die Wissenschaftler des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik (MPIK) daher nun im Labor mit dem elektrostatischen Speicherring CSR (Cryogenic Storage Ring) untersuchen. Erste Experimente, mit denen sich chemische Bedingungen des Weltalls im Labor nachahmen lassen, sind bereits erfolgreich gelaufen. Umgesetzt wurden sie auch mit einer Unterstützung der Max-Planck-Förderstiftung in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Nun wird die Anlage, die mit Hilfe von Forschern des Weizmann-Instituts in Heidelbergs israelischer Partnerstadt Rehovot entwickelt wurde, offiziell am 19. Mai eingeweiht.

Im Labor Bedingungen wie im Weltall nachzuahmen, erfordert jedoch viel experimentelles Geschick und auch einige Geduld: Fast drei Wochen dauerte es alleine, bis der Speicherring auf etwa minus 263 Grad Celsius, also wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt, abgekühlt war. Dabei sank der Druck ersten Abschätzungen zufolge auf unter 10-13 Millibar, das ist weniger als der 10 Millionste Bruchteil eines Milliardstels des normalen Luftdrucks; dieser beträgt 1000 Millibar. Solch ein niedriger Druck ist schwierig exakt zu messen. "Die rein elektrostatische Ionenoptik, extrem niedriger Druck und sehr tiefe Temperaturen erlauben es, darin auch sehr große Molekül-Ionen in niedrigsten Quantenzuständen zu speichern", bringt Robert von Hahn, der die Entwicklung des CSR geleitet hat, dessen wichtigste Merkmale auf den Punkt.

Bald nachdem die Forscher diese exotischen Bedingungen im CSR geschaffen hatten, gelang es ihnen, positiv geladene Ionen des Edelgases Argon im Ring kreisen zu lassen. Diese Tests gaben grünes Licht für das erste Experiment: "Wir haben in unserer Ionenquelle Hydroxid-Ionen präpariert, in den CSR eingeschossen und dort für mehr als zehn Minuten auf der Umlaufbahn gehalten - das ist an sich schon ein Erfolg", erläutert Andreas Wolf, Experimentator und ebenfalls an der Entwicklung des CSR beteiligt. "Aber wir wollen natürlich wissen, ob sie auch wirklich auf Temperaturen wie im interstellaren Raum abgekühlt sind."

Dazu kommt ein sehr spezieller Laser zum Einsatz. Sein Strahl trifft die gespeicherten Hydroxid-Ionen (OH-), so dass diese ein Elektron verlieren. Es entstehen OH-Radikale, die - da sie ungeladen sind - aus der Bahn fliegen und auf einem Detektor landen. Bei welcher Farbe des Laserlichts dies passiert, zeigt an, in welchem Energieniveau sich das getroffene OH--Ion befunden hat. Soll heißen: wie viel innere Energie es besessen hatte, bevor es die Energie des Laserlichts aufgenommen hat. Eine erste Auswertung der Daten ergab, dass nicht nur die interne Schwingung der OH--Ionen, sondern auch ihre Rotation soweit wie möglich zum Erliegen gekommen war - Anzeichen dafür, dass die Moleküle während der Speicherzeit im CSR also tatsächlich interstellare Temperaturen annehmen. Zur Zeit sieht es also ganz danach aus, als ob das neue Gerät alle Erwartungen erfülle, freuen sich die Astrophysiker. Nun wollen sie in ersten Untersuchungen die astrochemischen Reaktionen analysieren.

Klaus Blaum ist Direktor am Max- Planck-Institut für Kernphysik und Honorarprofessor an der Universität Heidelberg. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind Präzisionsexperimente an gespeicherten und gekühlten Ionen.

Info: Der Ultrakalte Speicherring CSR wird am Donnerstag, 19. Mai, um 10.45 Uhr offiziell eingeweiht im Max Planck Institut für Kernphysik, Saupfercheckweg 1. Interessierte Gäste sind willkommen.