Fünfter Heidelberger Mittelaltertag: Faszination eines vergangenen Jahrtausends

Am 25. Juni findet der "Mittelaltertag" in der Neuen Universität und am Universitätsplatz statt – Das "finstere" Zeitalter ist heute allgegenwärtig

05.06.2016 UPDATE: 08.06.2016 06:00 Uhr 3 Minuten, 39 Sekunden

Mittelalterlich muten auch die kultigen Hobbit-Filme nach John Ronald Reuel Tolkiens Roman an. Hier zückt Hobbit Bilbo Beutlin (Martin Freeman, links) in dem Streifen "Der Hobbit 2" entschieden sein Schwert. Foto: Mark Pokorny

Von Heiko P. Wacker

Fantasyfilme, Computerabenteuer, Mittelalter-Märkte: Allerorten feiert das "finstere" Zeitalter fröhliche Urstände. Doch nicht nur junge Leute genießen den Reiz des Abtauchens in eine andere Welt, um etwa am Wochenende in eine Rollenspielfigur zu schlüpfen, wie Nikolas Jaspert vom Historischen Seminar betont. "Gerade auch die vielen Mittelalter-Märkte sprechen offenbar Menschen aller Generationen an." Die Begeisterung für vergangene Jahrhunderte erstaunt auch die Heidelberger Wissenschaft - die "das mittelalterliche Jahrtausend" auf dem "Mittelaltertag" am 25. Juni der Öffentlichkeit näher bringen möchte.

Hintergrund

Der "Mittelaltertag" wird am 25. Juni 2016 (14 bis 20 Uhr) zum fünften Mal in Heidelberg veranstaltet. Auf dem Universitätsplatz bringen Fachleute aus drei Universitäten - Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe - den Besuchern Fragestellungen und Ergebnisse der

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Der "Mittelaltertag" wird am 25. Juni 2016 (14 bis 20 Uhr) zum fünften Mal in Heidelberg veranstaltet. Auf dem Universitätsplatz bringen Fachleute aus drei Universitäten - Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe - den Besuchern Fragestellungen und Ergebnisse der Mittelalterforschung nahe.

Neben Vorträgen werden auch interaktive Präsentationen, Workshops, Spiele und Musik angeboten - unterhaltsam und abwechslungsreich, zugleich mit wissenschaftlichem Anspruch und Informationsgewinn. Von Magie- und Zauberpraktiken über Heiligen- und Reliquienverehrung bis hin zur Herrschaftspräsentation wird mittelalterliche Kultur vorgestellt. Nicht zuletzt soll das Mittelalter in Heidelberg gezeigt werden.

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"Auf gar keinen Fall darf man Rollenspiele, Mittelalter-Märkte oder Hobbit-Filme ignorieren", ist sich Prof. Jaspert, der seit drei Jahren eine Professur für Mittelalterliche Geschichte am Historischen Seminar in Heidelberg innehat, sicher. "Man muss sie zur Kenntnis nehmen. Denn auch, wenn für viele der Spaß am Verkleiden ein zentrales Anliegen sein mag, so darf man doch nicht unterschätzen, dass sich hier häufig Menschen Gedanken um historische Details oder Gegebenheiten machen. Und als Historiker kann ich das nur begrüßen."

Oft erwächst aus einem oberflächlichen Interesse eine Passion, die später in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mündet. Auch Heidelberger Studierende unterlagen zunächst der Faszination des Mittelalters. "Das geben wenige zu", meint Jaspert schmunzelnd. "Aber als Dozent merke ich, wenn sich jemand schon im ersten Semester perfekt mit der Hanse, den Kreuzzügen oder den frühneuzeitlichen Landsknechten auskennt, mit voller Begeisterung und Spezialwissen beim Thema ist - und zwangsläufig auch andere zu begeistern vermag."

Immerhin ist diese Begeisterung die essenzielle Grundlage erfolgreicher Wissenschaft. "Sehen Sie: Geschichte kann man nur dann erfolgreich betreiben, wenn man Freude am Thema hat. Das ist nicht bei allen Berufen so - als Historiker jedoch muss man, davon bin ich überzeugt, für Geschichte brennen." Dann kommt auch der Spaß an der Arbeit von ganz alleine.

"Natürlich darf Geschichte Freude machen! Geschichte ist ein Spaßfach - auch wenn manche mit Grausen an ihre Schulzeit zurückdenken, und sich vor allem an das Pauken der Jahreszahlen erinnern. Doch das hat mit der Mittelalterforschung - der Mediävistik -, wie sie an den Universitäten betrieben wird, nun wirklich nichts zu tun. Und deshalb rief mein Kollege Bernd Schneidmüller mit anderen Mediävisten vor einigen Jahren auch den Mittelaltertag ins Leben." Dieser findet zum bereits fünften Mal statt, und versteht sich als eine Werkschau nicht nur der Historiker, sondern aller mit dem Mittelalter beschäftigten Wissenschaften. "Und zwar jener aus Heidelberg, aus Mannheim und aus Karlsruhe."

Halbstündige Seminare sind in ein samstägliches Gesamtprogramm integriert, wobei sich in den letzten Jahren stets 200 bis 300 Gäste entführen ließen. Wir wollen die Wissenschaften präsentieren, wollen zeigen, worüber wir forschen und wie der Alltag eines Mediävisten ausschaut. Wir wollen aber auch zeigen, welcher Reiz in Themen wie den ,Althochdeutschen Zaubersprüchen’ liegt, die jetzt von einem Karlsruher Kollegen vorgestellt werden, oder wie knifflig das Erschließen einer mittelalterlichen Urkunde zuweilen sein kann." Auf welche Feinheiten hier zu achten ist, werden Ingo Runde und Heike Hawicks vom Universitäts-Archiv aufzeigen.

Diese Angebote sind als interaktive Beiträge eingeplant - wie die "Werkstätten", die sich etwa mit der "Geschichte in Objekten" befassen, auch mit Kaiser Maximilian, der zuweilen als der "letzte Ritter" bezeichnet wird. "Andere wiederum sehen ihn als einen Renaissance-Fürsten", betont Jaspert und verdeutlicht, wie schwer es fällt, die Jahreszahl 1500 als Trennlinie zu nutzen.

Besonders wichtig ist den "Machern" das Einbeziehen der Teilnehmer. "Der Clou des diesjährigen Mittelaltertags sind unsere Werkstatt-Präsentationen. Hierbei wird es darum gehen, Einblicke in die wissenschaftliche Arbeit zu gewähren, sich also bei der täglichen mediävistischen Arbeit ‚über die Schulter‘ schauen zu lassen." Zwischen den Interaktionen und den Werkstätten finden sich die Vorträge, wie sie von manchen Besuchern bevorzugt werden, während Christine Neufeld aus Michigan anreisen wird, um mit ihrem Eröffnungsvortrag zu den "mittelalterlichen Wurzeln des Vampir-Hypes in der modernen (Pop)-Kultur" den Bogen zu schlagen zwischen der Realität einer vergangenen Epoche und der heutigen Begeisterung für morbide Themen.

Das zeigt sich an der erfolgreichen Serie "Game of Thrones", die von einer mittelalterlich angehauchten, dennoch fiktiven Welt erzählt, in der es um die Auseinandersetzungen zwischen Adelshäusern geht. "Hier wird tatsächlich eine neue Mittelalter-Welt erschaffen, die die Realität ikonographisch verarbeitet - und die den Begriff Geschichte als ‚Geschichten-Erzählen‘ versteht. Das ist bei näherer Betrachtung viel gescheiter, als es zunächst den Anschein hat."

Bei Tolkiens Romanvorlagen zum "Hobbit" oder dem "Herrn der Ringe" verhält es sich ähnlich. Und auch die in diesen Wochen florierenden Mittelalter-Märkte - so findet vom 1. bis zum 4. Juli in der kurpfälzischen Amtsstadt Bretten mit dem "Peter-und-Paul-Fest" eines der größten Feste dieser Art mit mehr als 3000 Gewandtragenden statt - profitieren von der Begeisterung für die Vergangenheit. "Die man aber auf keinen Fall banalisieren darf", stellt Nikolas Jaspert fest. "Ohne das notwendige wissenschaftliche Niveau kann man nun mal nicht korrekt forschen." Allerdings steht nirgendwo geschrieben, dass damit der Spaß außen vor bleiben muss.

Auch deshalb dürfen sich die Besucher des Heidelberger Mittelaltertags auf adäquate Musik freuen, die bei hoffentlich angenehmem Wetter im Innenhof der Neuen Universität, schräg gegenüber dem "Hexenturm" aus dem 13. Jahrhundert, dargeboten wird. Der Turm dürfte für das passende Ambiente sorgen - zudem schließt sich damit auch der Kreis, betrachtet man die regionale Geschichte.

Immerhin wird der Mittelaltertag, der in der Neuen Universität am Universitätsplatz stattfindet, genau an jenem Fleck ausklingen, an dem die Ursprünge der Stadt Heidelberg liegen. Die nämlich entstand zunächst auf einem Schwemmkegelfächer rund um die Peterskirche, bevor die heutige Kernaltstadt als planmäßige Siedlung stauferzeitlichen Zuschnitts angelegt wurde. Diese wurde nach Westen mit dem Hexenturm und einem Graben abgeschlossen, der sich noch im Begriff der "Grabengasse" widerspiegelt. "Wir stehen tatsächlich mit beiden Beinen in oder auf der Heidelberger Geschichte." Wenn das keine idealen Voraussetzungen sind für einen anspruchs-vollen und anregenden Mittelaltertag?